Mürtschenstock-Überschreitung


Publiziert von Delta Pro , 19. Juni 2017 um 21:21. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:18 Juni 2017
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Schilt-Mürtschengruppe 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 1650 m

Once more: Die die Überschreitung des Mürtschenstocks – das Highlight der Ostschweiz

Für mich ist es der dritte Streich, für Kletter-Kollegen 3614adrian der zweite. Die Mürtschenstock-Überschreitung gehört nach wie vor zu den Top-Favoriten für die schönste Bergtour in der Ostschweiz! Wilde, einsame Gipfel in anspruchsvollem und alpinem Gelände – einfach ein Leckerbissen! Der Mürtschenstock wird trotz seiner herben Schönheit allerdings nie ein Ziel für die Massen sein. Obwohl die Kletterstellen schön und spannend sind, und die Felsqualität in den steilen Passagen keinen Anlass zur Sorge gibt, sind die Zustiege lang und die T6 Passagen im abschüssigen, unübersichtlichen Gelände überwiegen. Auf Hikr ist die Überschreitung in schon bald zehn Berichten ausserordentlich gut dokumentiert und die typischen (und fast obligaten) Verhauer sind beschrieben. Die typische Begehungszeit für die Überschreitung liegt bei rund 12 Stunden. Da 3614adrian und ich am späteren Nachmittag allerdings noch Pläne hatten, mussten wir uns eher an die Vorgabe von meiner schnellen Begehung mit Maveric im Jahr 2011 (8h) halten, was schlussendlich bestens aufging und viel Freude bereitete. Trotz anfänglichen Bedenken waren die Verhältnisse am Mürtschen schon tipptopp: Aufgrund der Schneefelder in den steilen Bändern um den Stock, beginnt die Saison dort normalerweise erst im Juli. Dank des heissen Frühsommer-Wetters ist nun aber fast die ganze Tour schneefrei. Für den Abstieg vom Ruchen waren wir dennoch froh Pickel und Leichtsteigeisen im Gepäck gehabt zu haben.

Start mit dem ersten Licht am Talalpsee bei angenehmen Temperaturen. Weglos über die Wiese direkt hoch zum Waldrand, wo man auf den Höhenweg zur Alp Tros trifft. Über Schafweiden hinauf zum Kamm, wo es wie bei allen meiner bisherigen vier Aufstiegen zum Mürtschen eine unglaublich schöne Morgenstimmung zu bewundern gibt. In T5-Gelände die Grasflanke hinauf. Bei der Stocklochhütte etwas queren und sobald wie möglich durch grasige Rinnen zurück zum Grat. Dort werden zwei kleine Aufschwünge erkraxelt, bevor es das ca. 10m hohe Felsband in einem Riss zu überwinden gilt. Wir seilen an dieser Stelle an (Stand, 1H, II-III). Querung durch die eindrücklichen Kessel zum Schussplatz auf abschüssigen, aber gut begehbaren Bändern und Aufstieg zur Jägernase (bei richtiger Route nicht viel mehr als T5). Von der Jägernase in einer feingriffigen Seillänge (III) hinauf zum Einstieg des Fingerrisses. Durch den abdrängen Riss (IV) mit guten Griffen und schlechteren Tritten zum neuen Stand in einer Rinne (2H, zusätzlich Friends). Für den Nachsteiger ist das Abklettern zum Stand (schlecht sicherbar) etwas unangenehm. Wir deponieren hier das Seil und steigen die Geröllrinne, weiter oben durch die Flanke, ohne Schwierigkeiten zum Gipfel. Diese Route ist wirklich sehr schnell und direkt, erfordert aber sicheres Gehen in abschüssigem Gelände mit viel losem Material (T6). 2h40min bis auf den ersten Gipfel – es läuft!

Abstieg zurück zur Abseilstelle am Ende des Fingerrisses. Besser ist man hier alleine am Berg – ohne Steine auszulösen geht’s nicht. Wenn möglich steigen wir parallel ab. 2x25m Abseilen zur Jägernase an neu gebohrten Ständen. Der Weiterweg zum Fulen ist ein landschaftliches Highlight, allerdings äusserst unübersichtlich und scheint sich immer wieder aus der Erinnerung zu löschen. Am besten hält man sich immer so hoch wie möglich. Wenn es zu schwierig wird, ist man falsch. Die Route ist mit spärlichen Steinmännern markiert und in schattigen Bändern und Geröllrinnen wild (T5-T6). Nach dem Kegelkönig kann man kaum mehr falsch gehen und steigt eine Geröllverschneidung (bis II) steil aufwärts bis zum Grat, der kurz vor dem Kartoffelacker erreicht wird. Nach diesem eindrücklichen Ebene nochmals in ein paar einfachen Kletterschritten zum Fulen, wo kurz vor uns ein Local von Osten her eingetroffen ist.

Der Abstieg vom Fulen ist nicht schwierig und gut gestuft, gerade im oberen Teil aber sehr abschüssig (T5+). Weiter unten steigt man ohne Probleme in die erste Scharte. Hier folgt man nicht dem Grat zur nächsten, tieferen Scharte, wie dies einige Hikr gemacht haben, sondern steigt – nicht intuitiv – ca. 30 Höhenmeter nach Westen in die Rinne ab, bevor man einfach links zurück zur Scharte steigen kann. Von dieser direkt auf erstaunlich gut begehbaren Bändern unter eine glatte Wand westseitig des Grates. Bei einem Riss-System wählt man den schmalen, ersten, gleich neben der Wand. In einer Seillänge (2H) auf den Grat zu einem guten Stand. Eine Seillänge (2H, T6, II) auf der Ostseite, teils grasig. Dann in schöner Kletterei (Stelle IV) bis unter den Gendarm (Stand) und luftig darüber (3H). Im Abklettern sind ein paar Züge fein (ca. IV). Dann eine schöne Seillänge in einer offenen Rinne zum ersten Vorgipfel (1H, III). Das anschliessende Turmsystem kann man entweder überklettern (brüchig), oder links umgehen. Für den nächsten Turm ist Seilsicherung, v.a. für den Abstieg nochmals nötig (III, mit Schlingen und Friends sicherbar, etwas brüchig). Dann einfach zum Gipfel.

Der Abstieg auf dem Ruchen-Normalweg ist gegen den Rest ein Spaziergang, verschiedene Stellen sind aber ebenfalls steil und abschüssig (T6-). Zuerst eher in der Westflanke, dann auf einem exponierten Felsband (markiert mit Steinmann) zurück auf den Grat und den Wegspuren nach ostseitig hinab. In der Scharte vor dem grossen Turm geht es steil in die Rinne. Die Stelle ist durch Stahlseile entschärft. Am Ende der Schneefelder kommen uns andere Berggänger entgegen. Die Zwangspause (ein schneller Abstieg ohne Steine auszulösen ist nicht möglich) nutzen wir um die Steigeisen zu montieren. Damit können wir das noch harte Schneefeld sehr effizient absteigen. Die schnelle Vernichtung von Höhenmetern wird durch geniales Geröllsurfen abgeschlossen. Dann folgt der doch recht lange Rückmarsch auf einem «Grüeziweg» zum Talalpsee. Wir schreiten aus und können die Mürtschen-Überschreitung in weniger als 8 Stunden abschliessen. Solche Touren schenkt man sich gern immer wieder!


Tourengänger: Delta, 3614adrian


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Kommentare (3)


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Stijn hat gesagt: Ruchen
Gesendet am 19. Juni 2017 um 22:01
Gratuliere zur Überschreitung und Danke für das gute Bericht. madu und ich waren ein Tag vorher auf dem Ruchen über den Normalweg. Die Überschreitung wünsche ich mir irgendwann auch noch :).

3614adrian hat gesagt:
Gesendet am 21. Juni 2017 um 21:50
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht, dem ich nichts mehr hinzufügen kann.
Eine perfekte Tour an einem perfekten Tag - ein schöneres Geschenk kann ich mir fast nicht vorstellen.

Für mich ein gelungener Start in die Sommersaison 2017!

Lg Adrian

Zaza hat gesagt: Well done, fellow dads ;-)
Gesendet am 22. Juni 2017 um 14:30
Wer superspontan ist, kann diese begehrenswerte Tour vielleicht morgen 23.6. bei Kaiserwetter unter kundiger Führung von BF Heiri Furter machen (sofern es noch Platz hat). Naja, vielleicht nicht ganz mit dem gleichen Zeitplan...

Ich hatte das ursprünglich ins Auge gefasst, muss es nun aber aus terminlichen Gründen sausen lassen :-(

LG, zaza


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