Hagengebirge und Steinernes Meer in der Vorsaison


Publiziert von rennt0815 , 4. August 2015 um 14:24.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:20 Juni 2012
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A   april 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bis Schönau/ Königssee, dann Jennerbahn- Bergstation
Unterkunftmöglichkeiten:Carl- von Stahl- Haus, Wasseralm, Kärlingerhaus
Kartennummer:DAV 10/1 und 10/2

 
Ende Juni 2012 bin ich gemeinsam mit meinem Freund Matthias durch die Berchtesgadener Alpen, genauer: das Hagengebirge und Randbereiche des Steinernen Meeres gewandert.

Richtig begonnen hat unser Weg am frisch renovierten Carl-von- Stahl- Haus am Torrener Joch (1736 m über NHN), zu dem man nach kurzem Fußweg ab der Bergstation der Jennerbahn gelangt. Damit beginnt unser Bericht also mit einer Beichte: ab Schönau am Königssee sind wir tatsächlich mit der Bahn hochgefahren... für den ersten Tag hatten wir nämlich die längste Tagesetappe geplant, die uns, teilweise auf der berühmten „Großen Reib´n“, vom Stahlhaus über den Schneibstein (2276m), via Windscharte, an Kahlersberg (2350 m) und Seeleinsee vorbei, dann mit grandiosem Tiefblick auf den Röthbachfall und auf die „Röth“, schließlich nach gut fünf Stunden zur Gotzenalm führen sollte. Den ganzen Talaufstieg wollten wir uns deshalb sparen.

Am nächsten Tag haben wir von der Gotzenalm aus eine Tagestour unternommen und sind anschließend, zuerst auf dem Hinweg zurück bis zum oberen Ende des Landtals, dann auf neuer Strecke hoch über dem Obersee vorbei in vier Stunden zur Wasseralm in der Röth gelaufen (vier Stunden). Ein Abstecher von dort hat uns fast bis zum Kleinen Teufelshorn gebracht. Am nächsten Tag setzten wir die Wanderung fort, in viereinhalb Stunden vorbei am Schwarzensee und dem Grünsee mit einem kleinem Umweg zum Halsköpfl und danach zum Kärlingerhaus am Funtensee (1638 m). Die Schlußetappe (vier Stunden) ging durch das „Ofenloch“ und den „Bärengraben“, schließlich die Saugasse hinunter zum Königssee, von wo wir ab St. Bartholomä mit dem Boot in die Zivilisation zurückkehrten.
 
Aber der Reihe nach: Der Winter 2011/ 12 hatte vor Ort erheblich mehr Schnee gebracht als der von 2010/11, so dass im Juni noch einige Mengen lagen, natürlich besonders an den Nordseiten. Das betraf besonders die Strecken vom Schneibstein zum Hochgeschirr und von der Wasseralm durch den Wald zum Kärlingerhaus. Hier haben außerdem Erdrutsche, Windbruch und verharschter Schnee den Weg erheblich erschwert. Mit kleinen Kindern wäre der Weg deshalb nicht uneingeschränkt zu empfehlen, zumal am dritten Tag Regen und starker Nebel aufkamen.
 
Die ersten beiden sonnigen Tage aber präsentierten die Alpenflora in aller Blütenpracht- jede Menge Enziansorten, Orchideen, gelbe Aurikelteppiche, Trollblumen und Alpenrosen säumten die Wege, wo der Schnee schon länger weggeschmolzen war. Es war manchmal sogar warm genug für die kurzen Hosen, auch wenn der Schnee gelegentlich in die Stiefel gelangte.
 
Nicht überall konnte man den Frühling spüren: In den Senken hinter dem Schneibstein Richtung Seeleinsee lagen noch vier Meter hohe Schneewehen. Der Seeleinsee war nur teilweise eisfrei, frisches Wasser zu fassen haben wir notgedrungen auch verschoben, da in Ufernähe eine nicht mehr ganz frische Gams im Wasser vor sich hin weste... also weiter zum Hochgeschirr über ein großes und steiles Schneefeld. Oben angelangt entlohnt der Blick auf das Landtal und den tief unten liegenden Röthbachfall. Jenseits der Scharte lud uns das Schneefeld zum Hinunterrutschen auf den Sohlen ein, und flugs waren wir 300 HM tiefer; dort führt der alte Reitweg rechts ab zur Gotzenalm. Die Lärchenwälder waren von der Sonne aufgewärmt und dufteten, überall blühte es; eine wunderbare, gemütliche Wanderung. Wir wissen: morgen werden wir genau bis hier zurücklaufen und dann weiter das Landtal hinunter Richtung Wasseralm gehen.
 
Trotz des langen Wochenendes um Fronleichnam treffen wir kaum Wanderer, erst auf der Gotzenalm beim Bier ändert sich das. Nach Bier und Schweinebraten nicht vergessen: 300 Meter entfernt lohnt der Aussichtspunkt Feuerpalfen mit einem fantastischen, 1100 HM fast senkrecht hinunter reichenden Tiefblick zur Wallfahrtskapelle St. Bartholomä am Königssee, wo uns am letzten Tag das Boot aufnehmen wird.
 
Eine kurze Tour zu den „Roten Wänden“ nahebei gibt einen wunderbaren Ausblick auf die Gotzenalm und die zum Greifen nahe dahinterliegende Watzmannfamilie. Als wir fast oben waren und über einen Grat blickten, stand knappe 30 Mieter dahinter eine Gruppe von gut 20 Gämsen und schaute gelangweilt zu uns herüber... so etwas gibt es nur im Nationalpark, wo nicht bejagt wird.
 
Wie erwähnt: der Rückweg folgt bis unterhalb des Hochgschirrs dem Hinweg, dann geht es steil hinab im heftigen Regen, über aufgeweichte Böden und zwischen Sturzbächen auf dem Weg durch das Landtal, vorbei an der verfallenen Regenalm (sie macht dem Namen Ehre). Hier entdecken wir unseren ersten, mächtig großen Steinbock, nicht weit entfernt vom Weg im Wald.
 
Mal links, mal rechts des Sturzbachs gehen wir bis zum Abzweig Saletsteig, den wir rechts liegen lassen; links steigt der Weg wieder kräftig an. Es wird leicht kriminell, Schlammlawinen mit Geröll haben den Weg ruiniert und es ist sehr rutschig. Rechts gähnt der Abgrund, dennoch lohnt der grandiose Ausblick auf den Röthbachfall, den Obersee und den Königssee, welche die manchmal durch die Wolken brechende Sonne jede Minute in anderem Blau leuchten läßt. Es geht durch den nebligen Wald in jungem, sattem Frühlingsgrün bis zur Wasseralm. Sie ist gut besucht und gut geheizt, die Klamotten trocknen. Eine kleine Tour schaffen wir noch, brechen aber mittendrin ab. Wir finden auf dem Rückweg vom Kleinen Teufelshorn auf einer Lichtung im Wald Fundamente eines zerstörten Hauses und Reste eines Wildgatters; es soll sich hierbei um eine frühere Jagdhütte Hermann Görings handeln, der dort aus dem Gran Paradiso ausgewilderte Steinböcke einpferchen ließ, um sie dann auszuwildern und bejagen zu können. Wir sehen allerdings nur einige Stück Rotwild abspringen.
 
Draußen vor dem Haus wird es dunkel, und kurz darauf leuchten keine 20 Meter vor dem Fenster draußen die Augen eines kleinen Rudels Rotwild. Sehr spannend!
 
Erneut im Regen brechen wir am Folgetag zum Funtensee auf. Jedenfalls die vielen Alpensalamander auf dem Weg mögen das Wetter offenbar und nötigen zur Vorsicht beim Gehen. Der Weg führt, da wir inzwischen nur noch auf ca. 1400 m sind, meist durch Nadelwald, es ist, auch wegen des dichten Nebels, geradezu mystisch- romantisch. Die Konzentration darf dennoch nicht nachlassen, denn wir gehen entlang eines nach Norden abfallenden Steilhanges, an dem sehr viel Schnee liegt. Wir sehen auch nur 10 Meter weit und können dem Weg nur durch Schneespuren folgen; überall sind sehr tiefe Löcher und an den Felsen kleine „Randkluften“. Wir wissen nie, wie stark die Schneebrücken sind, auf denen wir uns vorantasten. Mehr als einmal brechen wir durch oder rutschen ab. Stöcke sind unbedingt nötig!
 
Für die Anstrengungen entschädigen die beiden noch zugefrorenen, verwunschen anmutenden Seen am Weg, die im Nebel unter uns liegen. Schmelzwasser hat den teilweise am Ufer entlang führenden Weg weit überschwemmt und wir müssen improvisieren. Hier ist es schön zu gehen, aber steil und anspruchsvoll sind besonders die letzten, völlig schneebedeckten Teilstücke vor dem Funtensee, etwa die sog. „Himmelsleiter“ mit vielen baufälligen, tw. verschneiten und vereisten Holztreppen.
 
Oben angekommen sehen wir die ersten Murmeltiere, die am vielbesuchten Kärlingerhaus Menschen so sehr gewöhnt sind, dass man sich fragt, wann sie beginnen, für Fotos auf Nahdistanz von drei Metern Geld zu verlangen. Der Funtensee, „kältester Ort Deutschlands“ (gemessen wurden einmal minus 45,9 Grad Celsius) ist eisfrei. Das Kärlingerhaus hat über 140 Betten, aber heute nur fünf Gäste. Es wird also ruhig werden, abgesehen vom Pfeifen der Murmeltiere... Sehr zu empfehlen ist das Haus auch außerhalb der Bewirtschaftungszeiten. Der Winterraum ist klasse, der Rundblick auf den See und den sich im See malerisch spiegelnden Feldkogel dahinter ist den Aufstieg mit Schneeschuhen oder mit Ski, etwa über die „Große Reib´n“ wert.
 
Die Schlußetappe steht an, etwa 1000 HM bergab. „Ofenloch“ und „Bärengraben“ bieten schöne Ausblicke auf die Watzmanngruppe von der Seite, und auch die 36 Kehren der „Saugasse“ sind bergab leicht zu schaffen (300 HM auf 600 Meter Weglänge, tw. 40 % Gefälle!)- obwohl dort noch meterhoch Schnee lag, was uns hohe Konzentration abforderte. Am Fuß der Saugasse erreichen wir schon wieder eine neue Jahreszeit: so tief wie hier waren wir auf der ganzen Tour noch nicht und merken, dass auf ca. 980 m schon „richtig“ Frühling herrscht. Linkerhand entlang des Wegs erinnern ein von einer Lawine fast kahlrasierter, ehemals bewaldeter Hang unterhalb des Hachelkopfs und der von enormen Restschneemassen aufgestaute Bach daran, dass hier vor kurzem der Winter vorherrschte. Jetzt noch die letzten steilen Passagen zum See hinunter, dann geht es ganz eben durch Wiesen voller Orchideen zur Wirtschaft im ehemaligen Jagdschloss neben der Wallfahrtskirche. An der Bootslände schwirren englische, russische, chinesische und japanische Sprachfetzen umher- was für ein Gegensatz zu der Stille, die uns noch vor einer Stunde umgab!
 
 Dieser Artikel ist ursprünglich für das DAV- Sektionsmagazin Essen geschrieben und deshalb sehr ausführlich.
 

Tourengänger: rennt0815


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