Gitschen: Der Wächter am Urnersee


Publiziert von Zolliker , 6. Juli 2015 um 15:42.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 3 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1100 m

Der Gitschen ist einer dieser Urner Hausberge, der seltsamerweise fast nur von Einheimischen bestiegen wird. Die Aussicht auf den Urnersee ist grandios – aber wehe dem, der ausrutscht. Er landet subito 2000 Meter weiter unten auf dem Dorfplatz von Seedorf. Der Berg birgt Fantasien zur Schweizer Geschichte, doch davon später. Eine grossartige, nicht allzu lange Tour.

Die Alpinwanderung beginnt an der Talstation der Gietisflue-Bahn im Kleintal, ein Seitental des Isenthals. Die von einer Bauernfamile betriebene Holzkiste transportiert ihre Passagiere ab 7.00 Uhr (auf Voranmeldung auch früher) auf 1400m. Die Wiesen sind frisch gemäht, es duftet nach Alpwirtschaft.
Der Pfad steigt steil hoch, keine 20 Minuten später stehe ich bei Hinter Wang auf dem Sattel des Bergrückens und blicke ein erstes Mal auf den Urnersee. Genau so tief, wie es von hier nach unten geht, trohnt der trotzige Gipfelkopf des Gitschen noch über mir. Weiter westlich zwinkert der elegante Uri Rotstock mir zu und wirbt für die geplante Zweitbesteigung.

Der Pfad folgt nun dem Gratrücken, zunächst durch offenen Wald, dann über Wiesen zum Oberberg. Ich habe leider zu wenig Zeit für einen Halt in der Bäsebeiz des Schafhirten. Jetzt werden die Wiesen karger und das Gelände steiniger. Auf 2200m erreichte ich die Kante, an der der Tiefblick ins Reusstal wartet – ein grossartiger Szenenwechsel.

Ab jetzt braucht es etwas Mut, und vor allem muss es trocken sein. Der Pfad schlängelt sich mehrere Hundert Meter um die schroffen Felsen des Gipfelturms herum. Trocken ist die Passage ziemlich harmlos, nass sind die abwärtsgerichteten Platten kaum passierbar. Die vielen Runsen führen direttisima 1000m nach unten, wo sich das Gelände etwas abflacht. Ein spannendes Erlebnis in einer grossartiges Kulisse! Nur zwei kleine Restschneefelder verlangen etwas mehr Vorsicht als mir lieb ist.

Auf der Umgehung der Wand folgt wieder Gras, über das steile Vordere Gämsfeld erreiche ich – hin und wieder mit Hilfe der Hände – den Gipfelgrat. Kurz trocken schlucken: Im Süden das tiefgrüne Gras voller Alpblumen, die in allen Farben leuchten –  auf der anderen Seite ein fast senkrechte Wand in den Abgrund.

Die letzten paar Minuten zum Gitschen lassen das Herz des Alpinwanderers in jeder Hinsicht höher schlagen. Der mächtige Gipfelkopf, der schmale Grat, die Tiefblicke. Ich lasse meine Stöcke liegen, ein Stahlseil hilft an einer heiklen Stelle, mit leichter Kletterei erreiche ich schliesslich das Gipfelplateau. Fünf fröhliche Urner Männer und Frauen begrüssen den Exoten aus Zürich.

Das Gipfelspektakel ist unbeschreiblich: Der grünblaue Urnersee, die vielen weissen Gipfel, die schauderhaften Abgründe, der hellgraue Fels. Ich atme tief durch und bin dankbar. Dann beisse ich in meinen Apfel und lasse mich vom kühlenden Bergwind trocknen.

Der Abstieg folgt noch etwas weiter über den Grat und einer kurzen Gegensteigung. Erneut mit leichter Kletterei erreiche ich die grauen Schutthänge, über die mich die Route auf die Musenalp hinunter führen wird.

Ich drehe mich immer wieder zum Gipfelfelsen um – dann erstarre ich. Der Gitschen wirkt nun wie ein bedrohlicher Totenkopf – ein wahrer Wächter des Urnerlands! Wenn man ihn etwas zum See drehen könnte, hätte die Befreiungsgeschichte der Schweiz wohl anders geschrieben werden müssen. Nicht der Tell, sondern der Schädel des Gitschen hätte jedem Habsburger Angst und Schrecken eingejagt.

Fasziniert von diesen Gedanken surfe ich die Schuttfelder hinunter, der Pfad ist anspruchsvoll und verlangt Konzentration. Nässe wäre definitiv ein schlechter Begleiter. Knapp unter 2000m treffe ich auf die Abzweigung zum Uri Rotstock. Hier ist der Pfad wieder ein „richtiger Pfad“ und die letzte halbe Stunde zur Musenalp ist dem Genuss gewidmet. Die von den Nordwänden des Uri Rotstock-Massivs herabplätschernden Wässerfälle bewundere ich genauso wie die saftigen Alpweiden des hübschen Kleintals unter mir.

Auf der Musenalp stecke ich Kopf und Rumpf in den Brunnen, so heiss ist es inzwischen geworden. Die Wirtin bringt mir einen wunderbaren Wurst-Käse-Salat und einen Liter Schorle, dann noch ein grosses Panaché. Die Musenalp-Beiz ist einer meiner Big Favourites unter den Alpbeizlis! Schliesslich lasse ich mich in der Sänfte (siehe Foto) ins Tal tragen und spaziere die letzten 15 Minuten zum Auto zurück.

Den vollständig bebilderten Bericht mit interaktivem Kartenausschnitt findest Du auf meinem Wanderblog: http://www.edwinwandert.com/2015/07/der-waechter-am-urnersee/

Tourengänger: Zolliker


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Kommentare (1)


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drixdrey hat gesagt:
Gesendet am 17. Juli 2015 um 00:19
Danke vielmal...


Vo dr musenalp team :-)


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