Nun bin ich doch froh, die Bergsaison nicht mit einem psychologisch unangenehmen Erlebnis abschließen zu müssen. Nach unserem glimpflich verlaufenen Absturz in der Dauphine hatte ich auf eine Gelegenheit gehofft, wieder bergsteigerisches Selbstvertrauen zu tanken. Wie schön, dass dieser September dafür alle wettertechnischen Voraussetzungen bietet und sich zudem dank Hikr eine neue Allgäu-Connection anbahnt! Somit musste auch hinsichtlich des Tourengebiets nicht lange überlegt werden. Nur beim genauen Ziel taten wir uns etwas schwerer. "Kraxln" sollte es schon sein. Aber da gibt es ja noch sooo viele Berge, die bestiegen werden wollten. Trettach, Kleiner Widderstein, Großer Wilder... Genug um in den nächsten Jahren keine Langeweile zu haben.
Die Wahl fiel schließlich auf die Südostwand des Gimpel. Diese Tour kannten wir beide noch nicht und bietet für den kletterbegeisterten aber in dieser Disziplin noch eher wenig versierten Bergsteiger - wie wir es sind - eine herrliche Tour. Hauptgrund: Die Route ist durch zahlreiche Haken sehr gut abgesichert, ganz im Gegensatz etwa zur Trettach. In der einschlägigen Literatur liest sich oft der Begriff "Einsteigertour". Das kann man so und so sehen. In Sachen Sicherung muss man eben alles beherrschen um eine Mehrseillängentour souverän zu klettern. Oder richtig gut und routiniert sein. Oder leicht wahnsinnig. Es ist zwar nirgends wirklich schwierig, aber als "Einsteigertour" würde ich es beim besten Willen nicht bewerten. Die Schlüsselstellen der Route sind "III+". Aber auch das variiert von Gebiet zu Gebiet. Auch die Watzmann-Ostwand ist so bewertet (Schlüsselstelle). Da habe ich den Gimpel als deutlich anspruchsvoller empfunden. Wie dem auch sei, es ist eine oft begangene, zurecht gelobte Bergtour in grandioser Umgebung.
An diesem Samstag hatte es zudem grandiose Menschenmengen im und um das Gimpelhaus. Wen wundert das, bei solch herrlichem Herbstwetter! Den Zustieg zur Hütte brachten wir in einer guten Stunde schnell hinter uns und füllten gleich die Getränkespeicher mit Cola und Schorle auf, ehe wir in weiteren 40 Min. den nicht zu verfehlenden Steig ins Gimpelkar unter die Füße nahmen. Nicht umsonst steht unmittelbar vor Betreten desselben der Hinweis "Ab hier nur Helm." Es kommt doch immer mal wieder was runter. Den Einstieg haben wir dann nicht gleich gefunden. Wir dachten der liegt deutlich höher. Es geht aber doch gleich 10m nach Einmünden des Normalwegs rechts eine Rinne rauf. Darin lässt sich die Einstiegsplatte (III) rechts vermeiden, ehe auf einem Absatz der erste Stand erreicht wird. Ab hier wirds spannend und teils auch ordentlich ausgesetzt. Gleich in der nächsten Seillänge wartet die erste Schlüsselstelle (III+), ein kleiner Überhang, an dem man als Anfänger schon ordentlich zupacken muss. Ich glaubte erst nicht so recht an diese Variante. Beim genauen Hinsehen fällt jedoch der kleine rote Pfeil auf, der eindeutig den Überhang hinauf weist. Also ran an die Sache und wenig elegant hinauf. Nun wird es erstmal leichter. Die SL 3+4 sind teils auf grasigen aber abdrängenden und ausgesetzten Bändern schneller zu haben (II). Kurz nach dem vierten Stand führt die Route sich wieder nach links wendend in eine kleine Schlucht, die sich nach oben zu einem Kamin verengt. Auch hier ist es wieder kurz überhängend und für kleine Leute weniger erquicklich. Die letzten drei SL bieten dann atemberaubende Ausblicke in schwindelnder Höhe. Eine weitere mit III+ bewertete Stelle pumpt die Kraft aus den Armen. Der vorletzte Standplatz ist sehr eng, zudem lauert direkt darunter eine glatte Platte. Für mehrere Seilschaften ist kaum Platz, also schnell den Ausstieg angepackt und rauf auf den Grat. Nur dieser letzte Stand kurz unter dem Gipfel ist durch einen Ringhaken gesichert, bei allen anderen hat es je zwei Klebehaken. Nach wenigen Schritten haben wir es dann geschafft und freuen uns diesen schönen Gipfel durch die Südostwand erreicht zu haben. Auch wenn wir vier Stunden durch die Wand gebraucht haben stand uns der Stolz ins Gesicht geschrieben, schließlich war es für uns beide die erste "richtige" Mehrseillängentour. Für mich persönlich bin ich froh, dass der Ausrutscher an der Ecrins offensichtlich keine tiefen Furchen in der Psyche hinterlassen hat. An dieser Stelle ein großes Dankeschön liebe Syoko, für die tolle Kameradschaft am Berg und diesen herrlichen Tag!.
Nun, ganz zu Ende war der Tag noch nicht. Schließlich mussten wir da auch wieder runter. Im Gegensatz zu manch anderem Gipfel hier im Tannheimer Tal ist der Gimpel auf keiner Route zu erwandern. Auch der Normalweg wartet mit Stellen im II Grad und steilem, teils heiklen Gehgelände im oberen T5-Bereich auf, in dem man sich keinen Fehler leisten darf. Für den Abstieg durch den Wald kam dann auch noch die Stirnlampe zum Einsatz, ehe der Tag mit einem guten Allgäuer Bier standesgemäß begossen wurde.
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