Gimpel-Westgrat und Kellespitze-Westgrat


Publiziert von quacamozza , 17. Mai 2011 um 10:37.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:25 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 850 m
Strecke:Parkplatz Gimpelhaus-Gimpelhaus-Judenscharte-Gimpel-Nesselwängler Scharte-Kellespitze-Gimpelhaus
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ulm-Kempten-Oy Mittelberg-Oberjoch-Tannheimer Tal-Parkplatz Gimpelhaus kurz vor Nesselwängle
Unterkunftmöglichkeiten:Gimpelhaus (1685m), in der Regel ab Anfang Mai bis Saisonende geöffnet Tannheimer Hütte (1713m), kleine DAV-Hütte, auch bewirtschaftet
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 5 1:25 000 Tannheimer Berge Köllenspitze, Gaishorn

Da uns momentan die Eisheiligen einen Strich durch die Tourenambitionen machen, hier ein kleiner Appetizer vom letzten Jahr:

Vor langer Zeit (ja, man wird ganz schön alt mit den Jahren) bin ich diese beide Touren in zwei Tagen zu zweit gegangen. Seit einiger Zeit trainierte ich darauf, die Touren allein und an einem Tag zu bewältigen. Die Klettereien gehören zu den meistbegangenen Routen der Tannheimer, vor allen Dingen der Gimpel-Anstieg. Ich hatte großes Glück: An jenem Freitag war ich der einzige Kletterer in beiden Führen. Was am Tag später los war, spottet dagegen jeder Beschreibung: am Einstieg Gimpel-West standen die Anwärter in der Schlange wie in einem gut besuchten Fast-Food-Restaurant. Also: wer am Wochenende kommen will, sollte ein Freund von übertriebener Geselligkeit sein.

Für Kletteranfänger ist die Tour wegen einiger anstrengender Stellen und Übersteigen des III. Grades sicherlich kein Genuss. Solo ist sie natürlich eine anspruchsvolle Herausforderung, die aber mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung ohne erhebliches Risiko machbar ist. Trotzdem möchte ich hier niemanden animieren, die Tour allein zu gehen, wenn man nicht sicher eine V im Vorstieg beherrscht.

Von den Schlüsselstellen habe ich dieses Mal leider keine Fotos gemacht. Man würde aber ohnehin nichts Entscheidendes sehen. Nächstes Mal nehme ich mein Kamerateam mit. :-) 

Nun allgemein zu den Routen:
Gimpel-Westgrat
Schwierigkeit: IV+ (oder III+/A 0) und  III+/A 1 (oder V+)
Das 2008-Topo von mali hier auf hikr ist schon sehr gut. Ich hatte auch noch den alten AV-Führer Tannheimer Berge von Marcus Lutz dabei, außerdem meine Erfahrung von vor 20 Jahren. Die beiden schweren Stellen sind in der Tat unheimlich abgespeckt, kein Wunder bei den vielen Begehungen. Außerdem ist ein bißchen Armkraft nicht schädlich. Keineswegs muss man sich jedoch vorher wie ein Weihnachtsbaum mit Equipment behängen, auch wenn das State of the art sein sollte. Die Route ist wirklich komplett eingerichtet. Ich habe am nächsten Tag beobachtet, dass viele ihre Kletterschuhe gleich unten anziehen. Das halte ich für überflüssig und in den gerölligen/leichten Passagen auch für gefährlich. Nur für die Schlüsselstellen ja, aber ich präferiere festes Schuhwerk mit Profilklettersohle.

Nach dem gut eineinhalbstündigen Aufstieg vom Parkplatz via Gimpelhaus wird in bis hierher markierter und unschwieriger Bergwanderung die Judenscharte (1990m) erreicht. Furchteinflößend steilt sich der Westgrat auf: Ist das der Grund, warum sich hier fast schon eine öffentliche Toilette bildet? Nun ja, für Seilschaften gibt es keinen besseren Anseilplatz, da steinschlagsicher.

Rechts vom Grat geht es in mäßig schwieriger Kletterei zunächst einige Meter schräg rechts über grasdurchsetzte Felsen hoch, dann gerade empor und nach knapp 1 SL links hinaus auf den Grat (II+). Nach einigen Metern Wechsel in die Nordseite (hier etwas leichter) und weiter hoch. In leichter Kletterei rechts Richtung Grat, dem man kurz folgt.
Dann geht's richtig rund: Eine psychologisch schwere Stelle, ein messerscharfer ausgesetzter Gratabschnitt (III-) ließ mich schon etwas ins Grübeln kommen, die Griffe und Tritte sind jedoch sehr gut. Dann auf dem Grat weiter, nur kurz, und schon steht man vor der roten Aufschrift "NUN MUT JOHANN". Damals erreichte ich diese Stelle von der Südseite, brüchig, aber nicht so heavy wie heute. Ein Zacken vor dem 5 Meter hohen Aufschwung, auf den man sich draufstellen muss und hinüberspreizen an die gegenüberliegende Wand, bildet den Auftakt. Ich packte meine 4-stufige Super-Trittleiter aus. Etwas über Kopfhöhe gibt's einen guten Haken, einhängen und dann Action. Von der Anstrengung her geht's wirklich, ich bewerte die Stelle mit III+ und A 1, frei dürfte sie bei V+ liegen. 
Es geht nach rechts, etwas aufsteigend queren, und nach nicht mal 1 SL schon wieder rote Farbe ("HO RUCK"). Hier also nach links wenden zum Beginn des Risses, der gerne mal "Schinder" genannt wird, was sehr zutreffend ist. Teilweise ist die Stelle eher kaminähnlich. Das Problem hier ist: man wird oben nach links und in den Rissgrund abgedrängt, ohne dass es einen guten Überblick und passable Griffe/Tritte gäbe, deswegen greifen sich viele den Haken, der rechts an der Wand angebracht ist. Ich blieb an der linken Wand (IV+, ansonsten III+ und A0) und arbeitete mich, wie geschrieben, kaminähnlich hoch und aus dem Riss.
Was für eine Wohltat, danach endlich leichteres Gelände, zuerst noch kurz II+ (der blockige Riss ist sicherlich keine III) dann aber über Schutt schneller Höhengewinn an den Gipfelaufbau. Links auf Bändern unschwierig weiter bis kurz vor einer kleinen Gratscharte auf der Nordseite. Soweit ohne Kletterei, der Führer sagt II, also: das ist reines Gehgelände. Danach wusste ich nicht mehr so recht weiter, es gibt mehrere Möglichkeiten: gerade hoch ausgesetzt (wohl III+), die ganze Passage rechts umgehen (heikle Querung), oder (mein Favorit): zunächst 2 Meter gerade empor, dann über eine kleine Wandstufe rechts haltend hoch (kurz III-, danach II+) und weiter direkt hoch (hier auch mehrere Möglichkeiten durch Risse oder Wandstufen). Oben kommt noch eine kurze Stelle II, danach wird's deutlich einfacher, aber brüchig ohne Ende, Vorsicht am Gratausstieg. Auch auf Südwandkletterer, die hier aussteigen (Seillauf), aufpassen. Vielleicht findet ja jemand noch die Idealroute. Nach 1 Std. von der Judenscharte ließ ich mir mein Bio-Zmittag am Gipfelkreuz schmecken. Ein toller Aussichtspunkt, der Gimpel (2173m).

Abstieg auf dem Normalweg (Markierungen) in stets brüchigem Terrain (große Kalkplatten mit losen Steinen drauf, Stellen I-II) nach Südost. Auf ca. 2000m rechts absteigen über Bänder, Gras und lockere Felsen (I) auf die Geröllhalde am Fuß der Südwand. Steinschlaggefahr von Kletterern der Südostwand, Tieren oder durch Schneeschmelze. Auf 1900m waagrecht queren in Richtung Nesselwängler Scharte, bis man den Wanderweg vom Gimpelhaus erreicht. Dann in gut 10 min in die Nesselwängler Scharte (2006m). Bis hierher 4 Std. gesamt.

Kellespitze-Westgrat
Schwierigkeit: III+

Von der Scharte einige Minuten dem Normalweg zur Kellespitze folgen, bis rechts Trittspuren an den Fuß eines ersten vorgelagerten Grataufschwungs leiten. Hier findet man den Einstiegsriss, wie im Führer beschrieben. Der Riss ist unten mäßig schwierig, in der Mitte und oben anspruchsvoll (III), Haken habe ich keine gefunden. Vielleicht war's mal wieder der falsche Weg, aber der teilweise abgetretene Fels deutet doch daraufhin, dass ich zumindest nicht der Erste hier war. Danach geht's ganz locker weiter im I.Grad, super Aussicht , flaches Gratstück, Genuss pur. Es folgen zwei Abstiege in Gratscharten. Der zweite Abstieg ist etwas heikel (II+, leicht nach links halten und erst unten queren, nicht direkt auf die Scharte abklettern). Den folgenden Aufschwung hoch (II+) und kurzer Abstieg (II-). Weiter dem Grat folgen (Stellen II+) bis in eine Einbuchtung vor einer Steilstufe. In dieser befindet sich ganz oben die Schlüsselstelle, eine Verschneidung. Die Stufe hoch (III-) bis zur Verschneidung. Diese wird überwunden, indem man einen leicht nachgebenden (so war's aber vor Jahrzehnten auch schon), abgespeckten und abwärtsgeschichteten Griff benutzt (III+, die Stelle ist fast schon IV-).
Dann weiter über loses Gestein, unschwierig, aber ausgesetzt über kleine Graterhebungen zum Gipfel der Kellespitze (2247m); 1 Std 10 von der Nesselwängler Scharte.
Abstieg über den Normalweg, markiert. Eine steile Rinne wird mit Hilfe eines Fixseils überwunden(II). Bei meiner Begehung lag noch reichlich Schnee in der Rinne. Bei Schutt können Steine herabfallen. An der Nesselwängler Scharte zurück sind 40 min vergangen.
Dann noch 25 min zum Gimpelhaus (1685m). Abends dann das Kontrastprogramm zum abwechslungsreichen Klettern: ein wirklich langweiliges Fußballspiel zwischen Schweiz und Tunesien. So war dann der Schlaf doppelt gesichert.

Tourengänger: quacamozza


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 11. Juli 2014 um 15:25
Du wilder Hund du ;-)
hab den Bericht bei dir noch gar nie gesehen, bin grad zufällig draufgestossen.
Hört sich sehr interessant an
VG Andy


Kommentar hinzufügen»