Hochvogel (2592 m) - "eine kurze Geschichte der Zeit"


Publiziert von 83_Stefan , 24. Oktober 2014 um 14:45.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 4 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der B198 nach Stanzach; von dort weiter auf der L264 via Vorderhornbach nach Hinterhornbach. Unterhalb des Feuerwehrhauses kostenfreier Parkplatz.
Kartennummer:AV-Karte 2/2 - Allgäuer-Lechtaler Alpen Ostblatt.

Alles kommt, alles geht - das ist eben der Lauf der Dinge. Der Zahn der Zeit nagt an allem und macht auch vor Bergen keinen Halt - der wunderschöne Hochvogel in den Allgäuer Alpen ist da keine Ausnahme. Seit Menschengedenken steht er schon da und hebt sein ebenmäßiges Haupt markant in den Himmel, dabei gestützt auf seine beiden Eckpfeiler - wer kennt ihn nicht, diesen Anblick?!? Doch bald wird er sich vermutlich dramatisch ändern: eine frische, tiefe Spalte durchzieht seinen Gipfel und eine gewaltige Felsmasse droht akut abzurutschen. So akut, dass mittlerweile der Anstieg auf dem hier beschriebenen Weg zu Recht öffentlichkeitswirksam gesperrt worden ist. Der hier vorgestellte Bericht ist demnach als Rückblick zu verstehen, wie es am Hochvogel noch vor wenigen Wochen ausgesehen hat. Die Frage, wie sich der Berg in den nächsten Monaten verändern wird, bleibt - ob eine Sprengung des instabilen Gipfelbereichs in Frage kommt, muss noch geklärt werden. Fakt ist aber, der hier beschriebene Anstiegsweg bleibt offiziell bis auf Weiteres gesperrt und auch Teile des Gipfels dürfen nicht betreten werden. Alles andere wird nur die Zeit lehren.

Los geht's in Hinterhornbach. Auf dem bestens beschilderten Steig geht's durch einen sehr steilen, bewaldeten Hang nach oben, bald wird eine freie Fläche mit Hütte erreicht und der Steig schwenkt nach links. Weiter im Wald, später durch Latschen leitet er - eine Schotterstraße mehrfach querend - ziemlich rasch bergauf, bis der Sattel P.1977 am Südostfuß des Hochvogels erreicht wird, wo sich später die Runde schließt.

Hier beginnt der Bäumenheimer Weg, der derzeit (Stand: Oktober 2014) offiziell gesperrt ist: er quert das Schuttkar unterhalb des steilen Gipfelaufbaus nach Westen und führt durch gutmütiges Terrain steil in Richtung Südgrat aufwärts, bis Felsgelände erreicht wird. Kurzweilig geht's direkt zum Grat hinauf und an einem kleinen Kreuz vorbei. Wo der Grat ungangbar wird, verlässt ihn der Steig nach rechts und leitet in einer Schlucht (sowie auf ihrer rechten Begrenzung) bergauf, die an ihrem oberen Ende nach links in gut gestuftes Felsgelände verlassen wird, durch das der Weg zum Gipfel leitet (Stellen bis I). Zum höchsten Punkt gelangt man exakt über die abbrechende Scholle, die bereits durch eine metertiefe Kluft vom restlichen Gipfel getrennt ist. Wenn diese gewaltige Scholle abrutscht, dann nimmt sie nicht nur hier oben den Steig mit, sondern der sich daraus ergebende Bergsturz überrollt auch im unteren Bereich den Bäumenheimer Weg.

Der Ausblick vom Gipfel ist enorm, denn der Hochvogel steht völlig konkurrenzlos in der Landschaft. Auf der einen Seite zeigt sich das weite Allgäu, im Süden schaut man über die Lechtaler Alpen auf den Alpenhauptkamm. Besonders instruktiv sind natürlich die Blicke auf die benachbarten Allgäuer Berge, vor allem die Hornbachkette zeigt sich von ihrer besten Seite. Im Osten reicht der Blick locker bis zur Zugspitze. Wer genau hinsieht, der erspäht im Nordwesten das Prinz-Luitpold-Haus, das als Stützpunkt auf dem Nordanstieg dient.

Der Abstiegsweg führt steil die nordwestseitige Schrofenflanke bergab (wenige Stellen bis I) und erreicht eine Scharte zwischen dem Hochvogel und einem kühnen Felsturm. Ein erstaunlich gut gangbares Band leitet um den Turm herum und der Steig führt hinunter zur Scharte unterhalb der Kreuzspitze, in der der Weg durch den Kalten Winkel nach rechts abzweigt. Hier hält sich der Schnee recht lange, aber mittlerweile kann von einem Ewigschneefeld keine Rede mehr sein. Der Steig führt ein Stück ins Kar hinunter, falls harter Altschnee liegt, geben Drahtseile Sicherheit, sofern sie nicht unter dem Schnee begraben sind.

Das Kar wird nach links gequert, bis an einer Verzweigung der Steig zum Fuchsensattel abzweigt, der steil in den Salzboden hinunterleitet, wo sich ein kleiner See mit Sturzblöcken befindet. Der Anstieg zum Sattel verlangt noch ein paar Schweißtropfen: 150 Höhenmeter geht's im Bogen nochmal bergauf, bis man endlich oben ist - der Fuchsensattel ist ein prima Pausenplatz!

Vom Sattel geht's wieder ein Stück bergab, dann wird das Kuhkar nach Südwesten hin gequert. Noch ein unbedeutender Gegenanstieg und dann ist wieder P.1977 erreicht, wo man wieder auf den Anstiegsweg trifft. Dieser leitet zurück nach Hinterhornbach.

Schwierigkeiten:
Anstieg über Bäumenheimer Weg: T4, I (über weite Strecken hübsche Kraxelei, Helm empfehlenswert; derzeit offiziell gesperrt - Stand 10/2014)
Abstieg über Kalten Winkel und Fuchsensattel: T4-, I (nur wenige Stellen; im Gesamtcharakter deutlich weniger anspruchsvoll als der Bäumenheimer Weg).

Fazit:
Eine wunderschöne, abwechslungsreiche und stets aussichtsreiche 5*-Parade-Rundtour, die keine Wünsche offen lässt. Der Hochvogel ist einer der ganz großen Aussichtsgipfel. Der Sperrung des Bäumenheimer Wegs sollte unbedingt Folge geleistet werden - der Gipfelbereich ist akut instabil und kann offenbar jederzeit mit dem Weg abrutschen. Als Alternative bietet sich der nordseitige Anstieg, entweder von Hinterstein via Prinz-Luitpold-Haus oder über den Kalten Winkel (der hier beschriebene Abstiegsweg).

Mit auf Tour: Delphi.

Anmerkung:
Weitere Infos zur Sperrung des Bäumenheimer Wegs gibt's hier: *Wachsende Spalte am Gipfel des Hochvogel.

Kategorien: Allgäuer Alpen, 5*-Tour, 2500er, T4.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (12)


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maxl hat gesagt:
Gesendet am 24. Oktober 2014 um 15:02
tja, dann können wir wohl beide von uns ganz gutes Timing behaupten:-)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Oktober 2014 um 13:24
Das kann man wohl sagen - das war eine Begehung auf den letzten Drücker. Heute würde ich den Bäumenheimer Weg niemandem mehr empfehlen, solange nichts unternommen wurde. Gruß ins Münchner Outback!

Erdinger hat gesagt:
Gesendet am 24. Oktober 2014 um 20:54
Was für ein wunderschöner Berg... ewig schade, wenn es den "dabröselt".

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Oktober 2014 um 13:25
Hallo Erdinger, da gebe ich dir natürlich völlig Recht! Ich war zum ersten Mal am Hochvogel, hab ihn wegen der vielen Leute immer gemieden, und war jetzt sehr überrascht, aus welch schlechtem Gestein er aufgebaut ist. Viele Grüße!

georgb hat gesagt: perfekt
Gesendet am 25. Oktober 2014 um 09:34
So soll ein Tourenbericht aussehen, vorbildlich! Starke Bilder und aussagekräftiger Text, Respekt Stefan!
Gruß Georg

83_Stefan hat gesagt: RE:perfekt
Gesendet am 25. Oktober 2014 um 13:28
Hallo Georg, vielen Dank für dein Lob, das höre ich natürlich gerne! Mir geht's bei einem Tourenbericht immer um die Tour selber, deswegen gebe ich mir Mühe, sie möglichst nachvollziehbar darzustellen. Ob's dann was taugt, kann ich natürlich nicht beurteilen, daher freut mich dein Kommentar besonders. Beste Grüße vom Kochelsee!

MANAL hat gesagt:
Gesendet am 25. Oktober 2014 um 23:49
Wie schnell wächst eigentlich der Spalt am Gipfel? Gibt's irgendwo Zahlen oder Vergleichsfotos? Bös aussehen tut es auf jedem Fall.

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Oktober 2014 um 17:43
Hallo MANAL, du bekommst nähere Infos bei der verlinkten Diskussion. Dort sind ein paar Links zu finden. Außerdem gab's neulich auf der DAV-Homepage eine Stellungnahme dazu. Vielleicht einfach dort mal scrollen... war auf der Hauptseite zu finden.
Also für mich als Laie schaut das ziemlich akut aus und da nach der Untersuchung durch einen Geologen der Weg gesperrt wurde, sieht der das wohl ähnlich ;-) . Beste Grüße!

PS.: Vergleichsfotos kann ich leider nicht bieten - ich war zum ersten Mal am Hochvogel.

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 28. Oktober 2018 um 10:47
Zum Hochvogel dieses aktuelle Video aus der BR-Mediathek

Felssturz am Hochvogel erwartet

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Oktober 2018 um 11:05
Hallo Hanspeter, vielen Dank für den Link! Ich habe zwar in den letzten Tagen einige Artikel über das Thema gelesen, das Video kannte ich aber noch nicht.
Die Spalte im Video schaut ja gruselig aus. Hoffentlich passiert niemandem etwas, wenn der halbe Berg runterkommt. Schade auch um diesen wunderschönen Anstieg. Viele Grüße!

alpstein hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Oktober 2018 um 11:25
Wirklich gruselig, so dass man sich kaum noch auf den Berg traut.

Hatte ich eigentlich im nicht weit entfernten Ruhestand mal auf dem Plan ;-)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Oktober 2018 um 11:49
Soweit ich weiß, kann man von Norden über das Prinz-Luitpold-Haus und von Hinterhornbach via Kalten Winkel unbesorgt hinauf steigen. Ich denke, wenn da eine Gefahr bestünde, dann hätten die Experten die Anstiege nicht explizit als sicher bewertet.

Was für ein Glück, dass ich 2014 noch über diesen wunderschönen Anstieg oben war. Ich habe damals nicht gewusst, dass der Bäumenheimer Weg gesperrt war, das einzige Sperrschild war damals sehr missverständlich, welcher Weg betroffen ist. Am Gipfel war dann anhand der gewaltigen Spalte allerdings klar, dass es der eben begangene Weg war.


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