Für einmal gibt es keinen eigentlichen Bericht. Ich schreibe einen Brief an Bidi, mit dem ich letzte Woche den wichtigsten Teil dieser Wanderung unternehmen wollte.
Lieber Bidi
Vor einer Woche wolltest du mit Koralle und mir deiner geliebten Tanne am Bisse du Rô einen Besuch abstatten. Massive Nebenwirkungen der letztwöchigen Chemo verunmöglichten dies. Ich habe dir versprochen, allein hinzugehen, um der Tanne zu erklären, warum du dieses Jahr noch nie gekommen bist.
Am 15. August fuhr ich hinüber ins Wallis. Regenwolken empfingen mich, der Gang auf den Bisse du Rô schien mir zu riskant. Ich verliess deshalb den Zug in Leuk und stieg im Regen hoch zur Varner Suone. Über den Bisse Ne uf stieg ich ab nach Sierre und fuhr unverrichteter Dinge zurück nach Bern.
19. August: zweiter Versuch. In Sierre wieder strömender Regen. Ich hatte Lust, mit dem nächsten Zug via Lausanne gleich wieder nach Hause zu fahren. Mit dem Funi fuhr ich dann nach Ve nt hône und wanderte bei immer besser werdendem Wetter nach Leuk, natürlich über die beiden obgenannten Suonen.
20. August. Heute ist auch Diapensia mit dabei. Wohl deshalb hat Petrus ein Einsehen und schliesst für einige Stunden die Schleusen.
Unterwegs auf dem Bisse du Rô versuchen wir zu beurteilen, ob eine Begehung mit dir bei den jetzigen Verhältnissen möglich wäre. Anfänglich ist der Weg komfortabel und könnte auch mit einem Rollator begangen werden. Nach den vielen Niederschlägen wird es aber zunehmend morastig und glitschig. Zwar wären einige sanierte Passagen eine Erleichterung, aber dann befindet man sich buchstäblich auf einer Baustelle. Mit einem kleinen Bagger wird das Bachbett gesäubert und frisch ausgehoben. Für das Kreuzen mit der Baumaschine bleibt nur wenig Platz.
Der Ruheplatz bei der Tanne ist neu gestaltet. Neue Holzbank, neues Geländer. Im steilen Graben nach den folgenden Felsen wird mit viel Aufwand ein bisschen Wasser in den Bisse geleitet. Die Tanne selber kämpft auch mit gesundheitlichen Problemen. Oben ist sie verdorrt, unten trotzt sie mit kräftigem Grün. Wie sie mir zugeflüstert hat, sorgt sie sich um dich. Wann kommt der Bidi wieder einmal? Ich vermisse ihn! Und genau wie du hat sie eine Tannenträne verdrückt.
Übrigens: etwas will ich dir nicht vorenthalten. Sie sagte mir: "Verrate dem Bidi nicht, dass ich gar keine Tanne, sondern eine Lärche bin". Dieses Geheimnis kann ich jedoch nicht für mich behalten.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Deshalb glaube ich, dass wir beide nochmals zur Tannenlärche gehen. Wenn nicht in diesem, dann in einem nächsten Leben!
Liebe Grüsse
Peter
Route
Montana gare - Etang Grenon - Lac de Chermignon - Bisse du Rô - Pas de l'Ours - Les Vernasses - Icogne
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