Eine Tour für Steinböcke und Bierliebhaber – die (fast) komplette Calanda-Überschreitung
Obwohl man ohne ein Calanda kaum über den Calanda kommt: Eine Tour für zu grosse Bierbäuche ist dies nicht, will man am Napoleon nicht sein persönliches Waterloo erleben. Etwas weniger kryptisch: Die Überschreitung vom Berger Calanda über die Gratzacken des Napoleon zum Haldensteiner und weiter zum Felsberger Calanda gehört sicher zu den besten Alpin-Wander / Kraxel-Touren, welche das Rheintal zu bieten hat. Sie ist nicht übermässig schwierig, jedoch auch kein Sonntagsspaziergang. Folgerichtig gingen wir sie an einem Montag an.
Erst vor wenigen Tagen hat
Nobis die tatsächlich sehr verspätete erste Hikr-Beschreibung zu diesem Tourenklassiker geliefert. Die Kommentare von
Alpin_Rise und mir zu dieser Tour liessen schon vermuten, dass wir die Wiederholung der Route nicht auf die lange Bank schieben würden. Erste Chance gepackt und den Spuren der Vor-Hikrn gefolgt. Natürlich hängten wir im Anschluss an den anspruchsvollen Teil auch noch den Felsberger Calanda an. Dies lohnt sich durchaus und macht die Calanda-Überschreitung fast komplett. Für den anschliessenden einfachen und eher langweiligen Teil bis zum Taminser Calanda müsste man die Tour logistisch anders planen (Abstieg zum Kunkelspass statt Rückweg zur Vazer Alp).
Nach den detaillierten Beschreibungen von
Nobis waren wir uns bzgl. den Anforderungen der Tour etwas unschlüssig: Seil? Kletterausrüstung? Oder nur Wandersachen? Die Realität liegt wohl etwa in der Mitte. Für ein paar kurze Abschnitte kann Seilsicherung durchaus Sinn machen, im Prinzip ist für den geübten Berggänger aber alles seilfrei ohne zu grosses Risiko zu machen. Die Route ist erstaunlich selten begangen. Deshalb finden sich relativ wenig Begehungsspuren und gerade im Aufstieg zum Napoleon ist die Wegfindung nicht immer offensichtlich. Ein gutes Gespür für den besten Weg ist deshalb nötig, auch wenn man eine Wegbeschreibung mitführen würde (unsere Dokumentation blieb unbeabsichtigterweise unten...).
Wieder mal eine Tour mit dem Fernwest-Heimkehrer
Alpin_Rise machte echt Spass – man muss erst mal jemanden finden, der so schnell über Grate joggt und gleichzeitig ohne Unterbruch und Verschnaufpause Sprüche zum Besten gibt.
Rossfallenspitz (T4, freiwillig mehr)
Von der Vazer Alp (erreichbar mit PW auf steiler Naturstrasse, Fahrbewilligung per SMS, siehe www.untervaz.ch) über Wiesen in freier Routenwahl auf den Berger Calanda. Bald beginnt der Grat felsig zu werden. Diese recht exponierten Platten kann man überschreiten (T5 oder mehr) oder einfach links umgehen. Wo der Grat sich endgültig aufschwingt und zerrissener wird, biegen wir in die Ostflanke ab. Eine Überschreitung wäre wohl möglich, wenn auch ausgesetzt. Am Schluss durch Schrofen-Gelände zum grossen Gipfelkreuz (T4). Kurze Pause und Eintrag ins Gipfelbuch.
Haldensteiner Calanda via Napoleon (T5, ZS-, III)
Gleich auf dem Rossfallenspitz geht es richtig los: Über einen sehr schönen Plattengrat steigt man in die nächste Lücke ab (T5, II) und übersteigt einen grasigen Zwischengipfel. Bei der Lücke vor dem ersten senkrechten Felsaufschwung geht es rechts auf einem breiten Geröllband aufsteigend in die Flanke (Wegspuren). Nach einer Schulter folgt man horizontal dem Fuss der Felswand bis das Band abzufallen beginnt. Dort links hinauf durch ein System von wenig ausgeprägten, erdigen Rinnen und etwas brüchigen Fels, eher leicht rechts haltend (T5). Schliesslich legt sich das Gelände zurück und man steigt bis zu einer markanten Scharte im Grat. Auf der Ostseite durch eine Rinne ca. 15m absteigen. Der Gipfel des Napoleon ist nun rechts oben (was uns anfänglich nicht bewusst war…). Die Routenwahl ist wohl ziemlich frei und folgt den gegen rechts aufwärts führenden Bändern. Am einfachsten dürfte es sein genug weit abzusteigen und bis knapp unter den Ostgrat zu queren um anschliessend dem obersten Band gleich unter dem Grat zu folgen. Dieses leitet ohne grössere Probleme bis zum Gipfel (T5). Dort befindet sich ein altes Buch. Der erste Eintrag (1955) stammt zwar nicht von Napoleon himself, trotzdem fühlt man sich wie auf des Feldherren ikonischem Hut und geniesst einen kaiserlichen Blick übers "Schlachtfeld" (also die Grate zu allen Seiten).
Abseilstände sind eingerichtet (2x ca. 12m, oder 1x 25m). Tatsächlich ist das Abklettern jedoch erstaunlich gut möglich und nicht sonderlich exponiert. Dazu steigt man auf dem Grat wenige Meter nach Osten ab und folgt einem tiefen Riss ca. 5m neben der Abseilpiste (5m, II-III). Einige Meter Gehgelände bis zu den nächsten Platten. Wir hängen dort kurz unser Seil als Handlauf ein. Mit ein paar Kletterschritten in eine Verschneidung (ein Schritt III) wäre aber auch diese Passage durchaus ohne Sicherung zu machen.
Der anschliessende Aufschwung ist ein Höhepunkt der Route. Ein aufwärts führendes, schmales Felssims erlaubt es die glatte Wand zu passieren. Dieses sieht zwar „gfürchig“ aus, ist aber erstaunlicherweise einfach zu begehen (gute Griffe und Tritte, II). Anschliessend in einfachem Gelände bis den eindrücklichen Felsen des Gipfelgrates. Das ist das Sahnehäubchen, wenn es auch rechts umgehbar wäre. Wir steigen ganz aussen mit einem steilen und etwas exponierten Kletterzug (III) ein und folgen dann alles der festen, griffigen, aber scharfen Schneide exponiert im 2. Grad bis zum Gipfelkreuz. Ausgiebige Gipfelpause - schliesslich feiert
Alpin_Rise seine erste Ankunft (!) auf dem Calanda-Hauptgipfel. Dies notabene nach fast 5 Lebensjahren am Fuss des Bierberges...
Felsberger Calanda über NW-Grat (T5+)
Abstieg auf dem Wanderweg in den breiten Sattel zwischen den höchsten Calanda Gipfeln. Ich mache einen Abstecher auf die Felsen des Tüfels Chilchli (ganz oben T4). Über eindrückliche Felsflächen geht es an den Fuss des Felsberger Calanda und über Geröll und einfache Stufen auf den breiten Schuttkamm, aus welchem der NW-Grat aufsteigt. Die Begehung des Grates ist eindeutig die Route der Wahl will man von dieser Seite auf den Gipfel. Auch wenn dieser Aufstieg einen Tick ausgesetzter ist als die beiden Alternativ-Routen in der Nordostflanke, ist der Grat viel direkter und durchaus lohend.
Die erste Stufe begeht man durch einen breiten Felsspalt rechts aufwärts. Auf dem schmalen, teils etwas brüchigen horizontalen Gratteil zu den oberen Aufschwüngen, welche man erstaunlicherweise mit nur wenig Kletterei passieren kann. Die Route ist nicht eigentlich schwierig, erfordert jedoch Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Erfahrung zweifelhaften Fels.
Ca. 100 Höhenmeter Abstieg durch die Flanke und dann ins Band (sog "Gemspfädli"), welches durch die NE-Flanke führt (Einstieg mit Steinmann gekennzeichnet). Stellenweise ist die schwache Wegspur recht steil und abschüssig, lässt sich jedoch dank guter Stufung ohne grössere Probleme begehen (T5). Abstieg über Alpweiden (Schäffli) und durchs Haldensteiner Tal zur Calanda-Hütte, wo uns endlich der eigentliche Gipfel der Tour erwartet: Ein richtiges Calanda, natürlich! Dank dem kalten, teils stürmischen Wind auf der Bank vor der Hütte belassen wir es aber bei einem und wandern bald zurück zur Vazer Alp.
Seitens
Alpin_Rise besten Dank für die unterhaltsame Tour mit dem Speed-Spezialisten über die Calanda Schneide - ein ewiges Projekt ist nun auch von der Liste! Und mit etwas aufwändigerer Logistik liesse sich das gesamte Massiv in einem Zug als Monstertour überschreiten...
Durchgangszeiten inkl. Pausen:
Vazer Alp: 8.20
Rossfallenspitz: 9.55
Haldensteiner Calanda: 11:25
Felsberger Calanda: 13.05
Vazer Alp: 15.50
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