Quer durch den Alpstein (Von Wildhaus nach Wasserauen)


Publiziert von Fico , 12. Juni 2014 um 09:42.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 9 Juni 2014
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1670 m
Strecke:Wildhaus - Flürentobel - Teselalp - Chreialp - Zwinglipasshütte - Ruchbüel - Chreialpfirst - Roslenalpfirst - Saxerlücke - Bollenwees - Rheintaler Sämtis - Bogartenlücke - Wasserauen (21 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wildhaus, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wasserauen
Kartennummer:1115 (Säntis)

Diesmal keine ambitionierten Gipfelziele und kein waghalsiger Alleingang hatte ich mir vorgenommen. Eine reine Trainingstour sollte es werden. Und einfach nur die Aussicht geniessen. Dazu bot sich eine Überschreitung des Alpsteins an, mit den Aussichtsterrassen Chreialpfirst und Roslenfirst als Höhepunkte der Tour.
 
Vor sieben Jahren machte ich eine der klassischen Kammwanderungen im Alpstein: von der Ebenalp über den Schäfler auf den Säntis und weiter über den Lisengrat auf den Rotsteinpass. Dann hinauf zum Altmanngipfel (dem Höhepunkt jener Tour) und hinunter zur Bollenwees. Und von dort über die Saxer Lücke und die Stauberen zum Hohen Kasten. Dafür benötigte ich damals drei Tage. Nun wollte ich eine ähnliche Tour – allerdings ohne Altmann und Säntis, die beiden höchsten Gipfel – in einem Tag schaffen.

Die Route von Wildhaus nach Wasserauen schien vernünftig ausgewählt: Alles markierte Bergwege, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Nur der steile Abstieg vom Roslenfirst zur Saxer Lücke könnte ein möglicher Knackpunkt werden. Und natürlich in konditioneller Hinsicht der Aufstieg zur Bogarten Lücke, der im Clubführer (R. 208) als „ziemlich der Sonne ausgesetzter Aufstieg“ beschrieben wird. Nochmals 400 Höhenmeter schon fast am Ende der Tour, wenn der Körper froh wäre endlich ausruhen zu können. Als „Plan B“ gäbe es immerhin auch die Möglichkeit, nach Brülisau hinunterzuwandern. Dorthin, wo die meisten herkommen, welche die Tour in umgekehrter Richtung machen.
 
Am Pfingstmontag mit dem ersten Zug und dem Postauto nach Wildhaus. Je früher desto besser. Mehr als 30 Grad warm wird es heute, die Nullgradgrenze liegt auf 4000 Meter. Bereits um halb neun brennt die Sonne heiss vom Himmel. Angenehm ist der schattige Weg durchs Flürentobel. Nachher, beim Aufsteig über die Chreialp, sucht man den Schatten vergeblich. Dunst liegt in der Luft und behindert die Fernsicht. Umso stärker richtet sich der Blick auf die Gipfel in unmittelbarer Nähe: die schroffen Felsen von Zehenspitz, Moor und Tristen. Zum ersten Mal mit eigenen Augen kann ich das „Matterhorn des Alpsteins“ bewundern – der Girenspitz, der von Süden gesehen einem gigantischen „Toblerone“ gleicht. Richtung Norden taucht der Altmann auf. Das faszinierende Felsenpanorama macht den schweisstreibenden Aufstieg kurzweilig und erträglich.
 
Um 11 Uhr bin ich bei der Zwinglipasshütte und setze mich für die Mittagspause in den Schatten. Der überwiegende Teil des Aufstiegs ist geschafft. Nun folgt der schönste Abschnitt der Tour: die Kammwanderung über den Chreialpfirst und den Roslenfirst. Gleich hinter der Hütte steige ich weglos zu den Steinmännchen hinauf. Von dort geht es ungefähr auf gleicher Höhe weiter zum Ruchbüel (2106 m). Ein Schneefeld an seiner Nordostflanke lässt die flache Kuppe alpiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist. Dieser erste Gipfel der heutigen Tour wird von einer kunstvollen Steinskulptur verziert, die erstaunlich stabil gebaut ist (oder erst seit kurzem dort steht). Weglos geht es dann ein kurzes Stück hinab zum Übergang auf den Chreialpfirst (2126 m). Dort gelange ich wieder auf den markierten Bergweg.
 
Dass ich an einem solchen Feiertag nicht alleine im Alpstein unterwegs sein würde, war mir im Voraus klar. Zu meiner Überraschung begegne ich auf meiner Route recht wenig Leuten. Beim Aufstieg am Morgen waren es nur ganz Vereinzelte, jetzt sind es ein paar mehr, aber längst kein „Grüezi-Weg“ wie ich mir vorgestellt hatte. Und als ich nach dem Roslensattel den markierten Weg verlasse und zum Roslenfirst (2151 m) hinaufsteige, bin ich dort oben ganz alleine. Einmal abgesehen von einem Murmeltier, das fluchtartig das Weite sucht, als es mich erblickt. Erst beim Abstieg, unmittelbar bevor ein altes Drahtseil über eine kleine Steilstufe hinweg hilft, treffe ich zwei Frauen, die im Gras ausruhen. Ob sie jetzt dann gleich beim Steinmännchen seien, will die eine wissen und schimpft: Wenn sie „das mit dem Seil“ gewusst hätte, wäre sie nicht hierher gekommen. Und auf dem gleichen Weg wieder hinunter zur Saxer Lücke würde sie unter keinen Umständen.
 
Nun bin ich natürlich gespannt, was mich auf dem weiteren Abstieg erwartet. Nach der kurzen Felsstufe geht es längere Zeit sanft abwärts. Ganz allmählich wird der Weg steiler. Da er nicht mehr unterhalten und vermutlich auch nicht allzu oft begangen wird, verwildert er zunehmend, so dass man ihn manchmal unter den Stauden suchen muss. Alte Markierungen habe ich keine gesehen. Einmal verschwindet er unter den Legföhren, so dass nicht auf den ersten Blick klar ist, wo man hinab muss. Verlaufen wäre hier fatal, da man gleich darauf über eine weitere Felsstufe hinunter muss. Im Unterschied zur vorherigen Stufe ist kein Seil vorhanden. Aber es hat gutgriffige Felsen und Wurzeln, an denen man sich festhalten kann. (Zumindest im Abstieg muss diese Stelle – gewissermassen die Schlüsselstelle am Roslenfirst – als T4 eingestuft werden. Bei Nässe ist die Stelle bestimmt kein Vergnügen. Die ganze übrige Tour bewegt sich im Bereicht von T2-T3.) Der restliche Abstieg zur Saxer Lücke ist dann wieder harmloser, bleibt aber steil.
 
In der Bollenwees (1470 m) angekommen, kaufe ich mir sogleich einen Liter Mineralwasser und suche mir einen schattigen Baum. Es ist drückend heiss. Unter den Sonnenschirmen in der Gartenwirtschaft ist kaum noch Platz. Unten am See sitzen die Leute im Badekleid. Die drei Liter Flüssigkeit, die im Rucksack Platz haben, reichen bei diesen Temperaturen nicht aus. Nach der Rast mache ich mich frisch gestärkt auf den Weg zum letzten Teil der Tour. Zuerst geht es ruppig hinunter zur Chalberweid (1317 m). Dort erwartet mich die mentale Herausforderung des Tages: Auf dem Fahrsträsschen dem Sämtisersee entlang schlendern und durchs schattige Brüeltobel nach Brülisau oder nochmals steil hinauf zur Bogartenlücke?
 
Ohne gross zu überlegen entscheide ich mich für den nochmaligen Aufstieg. Es soll ja eine Trainingstour sein. Die Nachmittagssonne brennt weiterhin erbarmungslos vom blauen Himmel. Einzig ein leichter Luftzug weht vom Tal hinauf. Thermik sei Dank! Es ist die Klimaanlage der Natur, kostenlos und absolut ökologisch. Mehr als einmal schaue ich auf den Höhenmesser. Nach den ersten hundert Metern freue ich mich wie ein Kind, nach weiteren hundert Höhenmetern ist die Hälfte geschafft und schliesslich bin ich sogar schneller als erwartet oben beim blauen Wegweiser. Nun fehlt nur noch ein ganz kurzes Stück bis zum Sattel mit dem Bogartenmannli. Von dort sieht man direkt nach Wasserauen, auf den grossen Parkplatz und die Bahnstation. Dort muss ich hin, dort bin ich am Ziel.
 
Genau so stotzig, wie es vorher hinaufgegangen ist, geht es jetzt wieder hinunter. Es sind 850 Höhenmeter, die in kürzester Zeit vernichtet werden müssen. Inzwischen hat sich der Himmel verdüstert. Er schaut drein, als würde er bald zu weinen anfangen. Lange dauert es nicht, bis ein erstes Donnergrollen zu hören ist. Noch weit weg, im Toggenburg vielleicht oder über dem südlichen Alpstein – ungefähr dort, wo ich am Morgen war. Wird mich das Gewitter einholen oder werde ich noch rechtzeitig unten ankommen? Ich versuche, die Schritte zu beschleunigen. Hinab, immer weiter hinab. Gleichzeitig muss ich bremsen. Bremsen, bremsen, bis die Kniescheiben glühen. Im Hüttentobel halte ich kurz an und bewundere das rauschende Wasser, wie es über die Felsen stürzt. War ich von der Bogartenlücke bis hierher völlig allein, so sind es jetzt ganze Scharen, die vom Seealpsee herkommen.
 
Es ist ziemlich genau 18 Uhr, als ich die Bahnstation in Wasserauen erreiche. In der Gartenwirtschaft werden vorsorglich die Tischdecken weggeräumt. Das Gewitter lässt jedoch auf sich warten. Mindestens bis zur Abfahrt des Zuges. Im Abteil setze ich mich so hin, dass ich zur Bogartenlücke hinaufschauen kann. Zum Bogartenmannli, das sich so keck empor reckt. Seine Form kann man deuten, wie man will. Mit etwas Fantasie kann man sogar ein Gesicht erkennen, mit Nase, Augen und Augenbrauen.
 
Müde, aber glücklich fahre ich nach Hause. Alles in allem 9 ½ Stunden war ich seit dem Morgen in Wildhaus unterwegs. Es ist eine der schönsten Touren, die ich bisher im Alpstein gemacht habe. Vor allem die Höhenwanderung vom Ruchbüel über den Chreialp- und den Roslenfirst. Wie ein ständig wechselndes Bühnenbild ziehen bekannte und weniger bekannte Gipfel am Auge vorbei. Und es sind fast alle, die man im Laufe des Tages zu Gesicht bekommt. Kurzum, eine überaus lohnende Tour, die man nach Belieben auch gut auf zwei Tage ausdehnen könnte.

Tourengänger: Fico


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Kommentare (1)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 29. Dezember 2014 um 17:47
eine tolle Tour hast du da unternommen - bravo!

lg Felix


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