Dammastock, 3630m


Publiziert von Linard03 , 11. April 2013 um 19:06.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 7 April 2013
Ski Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   CH-VS 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 2650 m
Strecke:Albert-Heim-Hütte - Galenlücke - Dammastock - Belvédère - Furkapass - Tiefenbach - Realp

Seit langem habe ich auf einer Hütte wieder mal gut und tief geschlafen; vermutlich hat auch die Erschöpfung des Vortages dazu beigetragen. Ich spürte zwar die noch etwas harte Waden (Nachwirkungen der Krämpfe vom Vortag); insgesamt fühlte ich mich jedoch ok und war deshalb guten Mutes für den heutigen Tag.
 
Nach dem Frühstück zogen wir um ca. 5.40 Uhr bei dichtem Nebel los. Ein paar Höhenmeter Abfahrt, dann hiess es anfellen. Im Schein der Stirnlampen schlurften wir los, vorerst noch kaum ansteigend.
 
Noch konnte man im Nebel das Gelände nicht richtig ausmachen, es begann jetzt jedoch merklich zu steigen. Der erste Steilhang war alsbald überwunden und siehe da, der Nebel begann sich zu lichten. Die Sonne kämpfte zwar noch, es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis uns die ersten Sonnenstrahlen erreichen würden.
 
In äusserst angenehmem Tempo schraubten wir uns immer höher; mein Motor lief sehr gut und ohne Anstrengung – kein Vergleich zum Vortag! Vorbei an den eindrücklichen Eisabbrüchen und über uns thronend der imposante Galenstock, welcher mittlerweile im Sonnenlicht erstrahlte.
 
So erreichten wir bei prächtigstem Wetter den Einstieg, welcher zur Galenlücke (bin nicht sicher, ob die wirklich so heisst) hinaufführte. Da hinauf? Sah ziemlich steil aus … Steigeisen montieren, Ski aufbinden (als wenn ich nicht schon genug Gewicht auf dem Rücken hätte!) – und los geht’s!
Zunächst die Eisenleiter, dann mit dem Pickel bewaffnet den steilen Firn hinauf. Uff, was habe ich gekeucht und geschnauft …! Während mich Paul am Seil sicherte, musste ich mehrere Pausen in Anspruch nehmen. Aber schliesslich erreichten wir den Grat bzw. die Galenlücke (3418m).
 
Noch immer ausser Atem, sprang mir sogleich das Wahnsinns-Panorama der Berner Alpen ins Auge; wow! Dann der Blick hoch zum Galenstock, ein wunderschöner Gipfelaufbau. Verlockend nahe und doch mit einem gewissen Zusatzaufwand verbunden. Einige werden sich jetzt sagen, dass wäre doch noch „nebenbei“ zu machen gewesen.
 
Unser (mein) primäres Ziel war jedoch der Dammastock. Im Wissen, was noch alles auf uns zukommen würde, liessen wir deshalb den Galenstock-Gipfel bewusst aus (und im Nachhinein gesehen war dies  auch gut so). Wir stiegen deshalb zunächst einige Meter ab und begannen eine heikle Traverse auf sehr lockerem Schnee (Paul wollte bewusst nicht vom Grat aus ins Couloir einsteigen, sondern viel weiter unten – deshalb die Traverse unterhalb des Grates).
 
A propos Couloir: eigentlich wollten wir ursprünglich den wenig begangenen Übergang beim nördlichen Tiefensattel (3334m) machen. Die Schwierigkeiten sind (je nach Verhältnisse) allerdings erheblich, u.U. verbunden mit kniffliger Kletterei. Zudem war offensichtlich schon länger keiner mehr diese Route aufgestiegen (eine 3er-Seilschaft versuchte es am selben Morgen, wir sahen sie jedoch nicht über die Lücke kommen – vermutlich sind sie umgekehrt).  Andererseits wollte der Bergführer auch nicht unbedingt ins prall gefüllte Couloir beim Galenstock einsteigen.
Ungewollt erleichtert hat den Entscheid schliesslich die Tatsache, dass tags zuvor eine Tourengruppe ein Schneebrett in ebendiesem Couloir ausgelöst hatte. Die Leute hatten unvorstellbares Glück, denn dieses Schneebrett hätte mehrere Leute in die Gletscherspalten hinunterreissen können. So kam die Gruppe jedoch mit "nur„ einem Beinbruch mehr als glimpflich davon.
 
Jedenfalls wurde das 45° steile Couloir auf diese Weise ziemlich „ausgeräumt“; trotzdem lag nach wie vor recht viel Schnee drin. Wir rutschten deshalb den ganzen Hang kontrolliert hinunter, wobei ich mit der Zeit vor Anstrengung richtig zittrige Beine hatte … Ich war froh, hatten wir dieses Couloir schadlos überwunden. Um nicht zusätzliche Höhenmeter zu verlieren, querten wir auf ca. 3100m und fuhren in Richtung Rhonestock hinüber.
 
Nach einer Pause hiess es also wiederum anfellen. Wir stiegen nun in Richtung Rhonestock auf und hielten uns mehrheitlich rechts (zu den Felsen), um diverse Spaltenzonen zu umgehen. Ich musste bereits wieder etwas beissen, als er plötzlich ins Blickfeld rückte: der Dammastock!
Mit dem Ziel vor Augen konnte ich wieder Kräfte mobilisieren. Allerdings: der Gipfel wollte einfach nicht näher rücken; es war ein unendlich weiter, relativ flacher Hang bis dahin …
 
Letztlich gings jedoch in die letzten Spitzkehren, ein etwas mühsamer Schluss-Aufstieg auf teilweise vereister Unterlage, dann befanden wir uns auch schon ein paar Meter unterhalb des Gipfels. Ski abziehen und die letzten Meter zu Fuss, dann standen wir oben: Dammastock (3630m) – yeah!! Der höchste Urner hat mich sehr gefordert, aber jetzt war’s vollbracht!
 
Trotz dem hohen Wolkenband, welches sich hartnäckig auf ca. 2700m hielt, tat sich uns ein grossartiges Panorama auf: markant der Titlis, Windgällen & Glärnisch im Norden, Lochberg in unmittelbarer Nähe, weit entfernt (aber gut erkennbar) Piz Bernina, die Walliser Prominenz im Süden, ganz imposant die ganze Berner Kette (Gross Wannenhorn über Finsteraarhorn bis Wetterhorn), etc.
 
Es war zwar kalt, aber beinahe windstill, sodass wir die Aussicht ausgiebig geniessen konnten. Dann hiess es jedoch wieder Abschied nehmen von diesem grossartigen Gipfel – es stand uns ja noch eine lange Abfahrt bevor (den ursprünglichen Vorschlag von Paul, auch noch dem Rhonestock einen Besuch abzustatten, liessen wir aus Zeitgründen wieder fallen).
 
Die ersten Schwünge waren für mich noch etwas harzig und vorsichtig. Dann jedoch gab’s kein Halten mehr: ca. 600 Höhenmeter reinster Pulvertraum! In die weiten, völlig jungfräulichen Hänge des Dammastocks zeichneten wir unsere lines – ein richtiger Rausch! Jauchzend und mit breitem Grinsen im Gesicht stieben wir hinunter ;-))
 
Danach folgte ein kurzer, gedeckelter Steilhang, wo ich mich dann ziemlich abmühen musste und wohl wieder mal wie ein Anfänger aussah  … Der Rest dieser Abfahrt ist schnell erzählt: purer Gleit-Genuss auf dem Gletscher, kein Mensch weit und breit – Natur pur!
Im Nu wurden auf diese Weise 1400Hm vernichtet und wir erreichten die Eisgrotte unterhalb des Hotel Belvédère (2271m).
 
Obwohl die Zeit bereits fortgeschritten war, hielten wir hier eine ausgiebige Rast und blickten nochmals den Rhonegletscher hoch; liessen die Abfahrt nochmals vor dem geistigen Auge passieren. Dann hiess es letztmals anfellen und mit mittlerweile müden Beinen (zumindest ich) schlurften wir den langen Weg zur Furka-Passhöhe hoch. Die schöne Landschaft und Sonnenschein machte das Ganze aber erträglich.
 
Bei ca. 2400m, noch einiges vor der Furkapasshöhe, war jedoch Schluss mit lustig: dichter Nebel hüllte uns ein. Wann war der höchste Punkt endlich erreicht? Ohne Sicht erschienen mir die letzten Kilometer bis zum Furkablick (2427m) endlos … Dann wars geschafft und wir durften die Felle für heute endgültig verstauen.
Die Strecke bis zum Hotel Tiefenbach war für mich dann der absolut mühsamste Teil des Tages: Abfahrt bei max. 10m Sicht, vereisten Skispuren, teilweise nicht wissend, ob es auf- oder abwärts geht und Löcher, welche man gar nicht oder erst in letzter Sekunde sah …
 
Dass meine Beine „blau“ waren, half auch nicht wirklich – aber irgendwie schaffte ich es hinter Paul herfahrend (welcher immer wieder mal im Nebel entschwand und auf mich warten musste) bis zum Hotel Tiefenbach (2106m). Dort kehrten wir kurz ein und ich versuchte, meine letzten Kraftreserven für die Schluss-Abfahrt zu mobilisieren.
 
Der Abschnitt vom Tiefenbach nach Realp hinunter war dann etwas besser „gepistet“, jedoch noch immer im dichten Nebel; von Fahrspass zu sprechen weit entfernt. Der grösste Teil der Abfahrt erfolgte im kräfteraubenden Pflug-Stil … Nach 18 Uhr erreichte ich erschöpft, aber glücklich Realp.
 
So nahm die (für mich) äusserst anspruchsvolle Skitour ein Ende. Danke Paul für dieses grossartige Erlebnis! Und nicht zuletzt auch Danke für die Geduld, wenn ich mal nicht der Schnellste war, die stete Hilfsbereitschaft, die umfassende Kenntnis des Gebietes und der Verhältnisse – kurzum all‘ dies, was ein guter Bergführer eben ausmacht!
 
Fazit:
Was gibt es hier noch zu sagen? Eine eher unkonventionelle Art, den Dammastock zu besteigen. Jedenfalls eine Skitour der Superlative, welche alles beinhaltete: meditatives Aufsteigen, Steigeisen-Klettern, Adrenalin pur in heikler Traverse und Abrutschen im steilen Couloir, Pulver-Abfahrten, Einsamkeit in einer phantastischen Landschaft, grossartiges Panorama bei herrlichstem Wetter!
 
Bemerkungen:
- Schwierigkeit: eine "offizielle" Bewertung für unsere Route habe ich zwar in keinem SAC-Skitourenführer gefunden; meine aber, dass "ZS+" nicht zu hoch gegriffen ist

- Dieses Wochenende mit einer Panasonic TZ25 unterwegs. Allerdings stimmt das Datum jeweils nicht und zuweilen auch nicht die Uhrzeiten. Diese Daten sind deshalb mit Vorsicht zu geniessen.

Zeiten:
insgesamt ca. 12.5 Std. unterwegs, davon ca. 1.5 Std. Pausen (Rasten, an-/abfellen, Steigeisen montieren, etc.)
- Albert-Heim-Hütte bis Dammastock: ca. 7.5 Std.
- Dammastock via Belvédère nach Realp: ca. 3.5 Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (10)


Kommentar hinzufügen

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 11. April 2013 um 20:01
Gratuliere zu Eurer grossartigen Tour! Eine sehr spannende und interessante Variante für den Dammastock - super mit schönen Bildern untermalt!

Gute Erholung und beste Grüsse
Bombo

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. April 2013 um 21:52
Danke; aus solch' berufenem Munde nimmt man das Kompliment natürlich gerne entgegen ;-)

Und nach dem Leiden am Montag fühle ich mich inzwischen auch wieder gut erholt ...
Gruess, Linard

MaeNi hat gesagt: Super!
Gesendet am 12. April 2013 um 08:07
Toll gemacht! Gratulation! UND - diese Variante ist gespeichert!

Herzliche Grüsse und weiterhin so tolle und unfallfreie Touren!
N&M

Linard03 hat gesagt: RE:Super!
Gesendet am 12. April 2013 um 18:03
herzlichen Dank Euch beiden! Da ihr um einiges versiertere Tourengänger sind als ich, dürfte diese Tour für Euch ein richtiger Leckerbissen sein ...

Ich wünche auch Euch weiterhin schöne und unfallfreie Touren!
LG, Richard

WoPo1961 hat gesagt: toller Bericht!
Gesendet am 12. April 2013 um 09:23
Hab zwar mit Skitouren nix am (Schweiz)hut, aber dein Bericht liest sich ziemlich spannend und deine Strapazen sind quasi spürbar!
Auch aus Flachlandhausen gute Erholung und viele Grüße
WoPo

Linard03 hat gesagt: RE:toller Bericht!
Gesendet am 12. April 2013 um 18:28
Freut mich, wenn der Bericht gefallen hat! Skifahren macht mir grossen Spass, allerdings (noch) nicht in allen Schnee-Arten ...

Gruss zurück nach Flachlandhausen,
Linard

TeamMoomin hat gesagt: Hej Richard
Gesendet am 13. April 2013 um 20:30
gratuliere dir ganz herzlich zu dieser super Tour! da hast du dir ja wieder mal einen richtigen Leckerbissen gegöhnt, und uns tolle Fotos mitgebracht, Merci!

Wünsche dir weiterhin gute und unfallfreies KH Besteigen

Lg Oli und Moomin

Linard03 hat gesagt: RE:Hej Richard
Gesendet am 14. April 2013 um 10:07
Hallo Oli,
Danke für Deinen Kommentar! Es war für mich etwas Spezielles - und bestimmt eine Tour, welche mir noch lange in Erinnerung bleiben wird!

Auch Dir weiterhin fröhliches & unfallfreies KH-Bergsteigen ... ;-)

LG, Richard

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 15. April 2013 um 20:37
Gratuliere dir Richard zu einem neuen Kantonshöhepunkt. Die Route welche ihr genommen habt sieht echt spannend aus!

LG, Andi

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. April 2013 um 21:27
Danke Andi - und das stimmt genau: die Route war wirklich spannend ...!

LG, Richard


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