Beim «Lisi» auf der BLM


Publiziert von ABoehlen , 15. Oktober 2012 um 19:57.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum: 8 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 160 m
Abstieg: 860 m
Strecke:Grütschalp - Winteregg - Mürren - Lauterbrunnen, 12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit BLM Luftseilbahn von Lauterbrunnen nach Grütschalp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:mit BOB von Interlaken Ost nach cff logo Lauterbrunnen
Kartennummer:LK2520 (T) Jungfrau Region

Viereinhalb Jahre ist es jetzt her, seit unserer Fahrt mit dem «Bipperlisi», welche uns zum Ausgangspunkt einer schönen Frühlingswanderung führte. Wenige Wochen später wurden die formschönen Triebwagen der aare seeland mobil aus dem Dienst gezogen und von neuen Niederflurtrams abgelöst. Es ist einer spannenden Geschichte zu verdanken, dass es nun zum Wiedersehen mit dem «Lisi» im Berner Oberland gekommen ist:

Seit 1891 ist auch Mürren, das höchst gelegene Dorf im Kanton Bern, mit einer Bahn erreichbar. Aufgrund der topografisch extremen Lage dieses Ortes – 800 Meter fast senkrecht über dem Abgrund des Lauterbrunnentales – war an eine konventionelle Adhäsions- oder Zahnradbahn nicht zu denken, sondern es musste eine Lösung in 2 Etappen realisiert werden: Vom Lauterbrunnental mussten erst rund 700 Höhenmeter mittels einer Standseilbahn überwunden werden, um das relativ flache Alpgelände der Grütschalp zu erreichen. Von dort konnte dann eine normale Schmalspurbahn gebaut werden, die entlang der Oberkante des Steilabbruchs in nur noch geringer Steigung nach Mürren führte. Diese Trennung hatte natürlich eine vollkommene Isolation dieser Strecke zum übrigen Schmalspurnetz der Berner Oberland-Bahnen zur Folge. Daher mussten alle Revisionen stets vor Ort ausgeführt werden, wozu in der Station Grütschalp eine entsprechende Werkstätte eingerichtet wurde.

Seit 1967 wird der gesamte Betrieb mit 3 Triebwagen abgewickelt, welche damals mit der Standseilbahn zur Grütschalp transportiert wurden. Um im Revisionsfall nicht ständig auf den Triebwagen 11 von 1913 zurückgreifen zu müssen, drängte sich in den letzten Jahren eine Neuanschaffung an. Dabei wurde man bei der aare seeland mobil fündig, welche wie eingangs erwähnt, ihre ebenfalls aus den 60er Jahren stammenden Triebwagen anno 2008 ausser Dienst stellte. Der Übernahme eines Fahrzeuges durch die BLM stand grundsätzlich nichts im Wege, ausser natürlich die Frage, wie kriegt man dieses 20 Tonnen schwere Gefährt auf 1486 m Höhe. Bis Zweilütschinen war alles kein Problem. Dort wurde der Triebwagen auf die ungewöhnliche Fahrleitungsspannung von 560 V Gleichstrom umgerüstet und in den Farben der BLM neu gestrichen. Dann folgte im Frühjahr 2010 der aufsehen erregende Transport mit einem Spezialtransporter auf der schmalen Bergstrasse, welcher in der Jungfrau-Zeitung dokumentiert ist. Seit damals sind nun schon über 2 Jahre vergangen, höchste Zeit also, dem «Lisi» in seiner neuen Umgebung einen Besuch abzustatten!

Der Tag beginnt mit einer Fahrt nach Interlaken und weiter nach Lauterbrunnen unter mehrheitlich bedecktem Himmel. Keine grosse Überraschung, hatte der Wetterbericht doch Hochnebel und im Laufe des Tages aufziehende hohe Wolken gemeldet. In Lauterbrunnen steigen wir zügig um, und erwischen gerade noch die Luftseilbahn nach der Grütschalp. Da die Bahn alle 15 Minuten fährt, wäre es aber auch nicht weiter schlimm gewesen, wenn wir sie verpasst hätten. Luftseilbahn? Ja, denn im Frühjahr 2006 musste die altehrwürdige Standseilbahn still gelegt werden. Das unstabile Gelände stellte sich als immer grösseres und letztlich unlösbares Problem heraus. So wurde von der BLM, zusammen mit der Jungfraubahn Holding entschiden, anstelle der Standseilbahn eine Luftseilbahn zu bauen, welche es ermöglicht, die kritischen Bereiche zu «überfliegen», während die notwendigen Masten an stabilen Stellen errichtet werden konnten. Bei der Fahrt sehen wir unter uns die verbliebenen Reste der alten Bahn.

Ihre Geschichte ist ausführlich im Buch «Die Jungfrau-Region und ihre Bahnen» von Ralf-Roman Rossberg (Hallwag Verlag 1983) beschrieben. An dieser Stelle seien deshalb nur einige Besonderheiten hervorgehoben: Die ehemalige Standseilbahn von Lauterbrunnen zur Grütschalp war bei ihrer Eröffnung 1891 die steilste der Schweiz (60.6 %) und mit 670 m (später 685 m) zugleich jene mit der grössten Höhendifferenz. Wie die alte Marzilibahn in Bern wurde sie ursprünglich mit Wasserübergewicht betrieben, wofür der Staubbach «angezapft» wurde. Diese Antriebsart war wegen der auftretenden hohen Gewichte und dem starken Bremsverschleiss für eine so lange Strecke jedoch nicht ideal und wurde daher bereits auf die Saison 1902 durch einem elektrischen Antrieb ersetzt. Bei der letzten grundlegenden Erneuerung 1950 konnte die Fahrzeit auf 11 Minuten reduziert werden, während sie anfänglich 25 Minuten betrug. Heute ist die Luftseilbahn gerade noch 6 Minuten unterwegs.

Die Kabine, die Platz für 100 Personen böte, ist nur spärlich besetzt und im «Alpstübli» in der Station Grütschalp, wo es den Kafihalt gibt, sind wir sogar die einzigen Gäste. Das Wetter weiss derweil noch nicht so recht, was es will. Mal scheint kurzzeitig die Sonne, dann ziehen wieder dichte Nebelschwaden aus dem Tal hinauf und hüllen alles ein. Die Temperatur ist aber mit rund 10 Grad recht erfreulich und da es windstill ist, herrschen ideale Bedingungen zum Wandern. Vorbei am abgestellten Triebwagen 11, der nächstes Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, schlagen wir den Weg ein, der mehr oder weniger parallel zur Bahn in Richtung Mürren führt. Und es dauert gar nicht lange, bis wir zum ersten Mal das «Lisi» zu Gesicht bekommen. Vom Design und den Farben passt es wirklich perfekt zu den 3 bisherigen BLM-Triebwagen. Der Scherenstromabnehmer, die Stirntüre (mittlerweile funktionslos) und vor allem die breiten Einstiege fallen jedoch gleich ins Auge. Die «einladenden Türen» wurden auch von der Jungfrau-Zeitung speziell gewürdigt.

Bei der Winteregg (1582 m) erreicht die schmale Strasse, auf der das «Lisi» einst hinauftransportiert wurde, die Alpterrasse. Es ist die einzige Strassenverbindung ins Tal, für den privaten Autoverkehr aber natürlich gesperrt. Wir folgen ihr einen kurzen Moment, biegen dann aber wieder auf den Wanderweg ab, der in der Folge direkt neben der Bahnlinie verläuft. Dahinter geht es in den Abgrund hinunter, wobei an der steilsten Stelle die Horizontaldistanz zum Talgrund gerade mal 400 Meter beträgt – die dazwischen liegende Höhendifferenz jedoch das doppelte!

In Mürren angelangt, erkunden wir zunächst den zweigeschossigen Bahnhof, der 1962 – 1964 errichtet wurde und die vormalige Holzkonstruktion ersetzte. In der Schalterhalle ist ein Pferdebahnwagen der ehemaligen Mürren Tramway MT zu bewundern, eine Leihgabe des Verkehrshauses Luzern. Die Geschichte dieser 1937 eingestellten Pferdebahn ist hier nachzulesen.

Eigentlich hätten wir ein Picknick dabei, aber um draussen zu speisen, ist es uns doch etwas zu kühl. Der Nebel hat sich zwar verzogen, die Sonne ist aber auch nicht mehr sichtbar, da der Himmel mittlerweile komplett mit hohen Schichtwolken bedeckt ist. Daher lassen wir uns im «Eiger Guesthouse» mit einem herbstlichen Menu verwöhnen. Anschliessend erkunden wir das Dorf, wo rege gebaut wird und erreichen, vorbei an der Talstation der Seilbahn Mürren – Allmendhubel (SMA) die Station der Luftseilbahn Stechelberg – Mürren – Schilthorn (LSMS). Von hier gelangt man entweder über Gimmelwald nach Stechelberg ins Lauterbrunnental hinunter, oder über Birg auf das Schilthorn hinauf. Wir benutzen jedoch keine dieser Bahnen, sondern schlendern gemütlich weiter durch den Ort, wobei auch hier, wie schon weiter vorne einige Häuser auffallen, die regelrecht an den Steilhang geklebt erscheinen. Gegenüber türmen sich die Felsbastionen des Schwarzmönch und der Jungfrau auf. Der Erfinder des nach ihm benannten Zahnstangensystems, Emil Strub schreibt dazu:

Es ist nicht eigentlich liebliche Schönheit, was von Mürren aus sich bietet, es ist das Grandiose, Überwältigende der in nächste Nähe gerückten Gebirgs- und Gletscherwelt, was die Phantasie der Reisenden so mächtig anzieht. Dazu die grausige Tiefe der jäh ins Lauterbrunnental abfallenden Felswände – für die der Oberländer den Ausdruck «Mürren» (Mauern) hat, daher der Name des Ortes.

Der Himmel ist nun vollkommen bedeckt, aber es ist weiterhin trocken. Daher wandern wir weiter, d.h. zunächst wieder ein Stück der Bahnlinie entlang zurück, bis zum Wegweiser auf 1620 m. Dort biegt ein Bergwanderweg ab, der – einen Durchschlupf zwischen den Felsmauern ausnützend – nach Lauterbrunnen hinunter führt. Aufgrund des vielen Regens der vergangenen Tage ist der Boden allerdings klatschnass und erfordert konzentriertes Gehen. Der Weg ist aber gut unterhalten und vor allem die sonst spiegelglatten schiefen Holzbrücken sind mit Matten belegt und so risikolos zu begehen. Leider beginnt es bald zu tropfen und die mittlerweile komplett in Wolken eingehüllten Berge lassen vermuten, dass der grosse Regen nicht mehr lange auf sich wird warten lassen. Wir haben aber Glück, denn längere Zeit nieselt es nur. Erst kurz vor Lauterbrunnen beginnt es ernsthaft zu schütten. Aber da ist es zum Glück nicht mehr weit bis zum Bahnhof, wo wir uns in einem hoffnungslos überhitzten WC umziehen können. Eine ruhige Heimfahrt in nur mässig besetzten Zügen beschliesst dann diesen schönen Wandertag beim «Lisi». Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!

Tourengänger: ABoehlen, Stini


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