Die große Höfatsüberschreitung von der Stiege über die Kleine Höfats zum 2.Gipfel und anschließender Travers vom West- zum Ostgipfel-ein lange geträumtes Projekt ist verwirklicht.
Die Grate sind sehr wenig begangen, unheimlich ausgesetzt und mit ungehindertem Rundumblick sowie von einmaliger Schönheit. Das Kraxeln auf diesen Schneiden gehört landschaftlich zu den absoluten Allgäu-Highlights, für Steilgraskönner ein Traum, der sich allerdings nur bei guten Verhältnissen einigermaßen gefahrlos realisieren lässt. Den Nordostgrat der Kleinen Höfats bin ich ja schon vor 7 Wochen angeklettert, so dass sich jetzt eine Vollendung dieses Gratanstiegs geradezu anbot.
Zum 7.Mal war ich nun auf der Höfats. Dieser Berg ist wirklich ein ganz besonderes Ziel und zieht mich immer wieder magisch an. Auch nach meiner aufregenden Ost-West-Travers vom vergangenen Jahr musste ich wieder hin. Zuvor hatte ich meiner Freundin versprochen, dieses Mal mit einem Profi zu gehen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank, lieber Toni, für die souveräne Führung, die schönen Bilder und die unzähligen Tipps und Informationen.
Zur Schwierigkeit:
Kleine Höfats-Nordostgrat:
Die Schlüsselstelle ist der senkrechte Abbruch kurz hinter der Stiege (III und sehr brüchiger Fels). Diese Passage kann mittels Abklettern über steiles Plattengelände links umgangen werden. Alternativ ist ein direkter Aufstieg aus dem Oberloch möglich (mein Weg vor 7 Wochen). Im Übrigen bewegen sich die klettertechnischen Schwierigkeiten bei II+. Aufgrund der großen Ausgesetztheit und des zuweilen brüchigen Gesteins sollte allerdings der III. Grad sicher beherrscht werden. Nach einem flacheren Mittelteil steilt der Grat auf den letzten 100 Höhenmetern wieder deutlich auf, im Gras T 6.
Abseilen von der Kleinen Höfats 30 Meter Richtung Schärtele (knapp unterhalb des Gipfels ist ein Haken vorhanden)
Höfats 2.Gipfel-Nordostgrat:
Unten Gras bis 60 Grad T 6 mit kurzen Kletterpassagen III, dann ausgesetzte, aber technisch nicht mehr so anspruchsvolle Gratkletterei. Vorsicht: viele lockere Steine. Wenn es die Verhältnisse zulassen, besser ins Gras ausweichen.
Höfats-Überschreitung vom West- zum Ostgipfel:
II+ am Ostgipfel, bei direkter Überkletterung des 2.Gipfels bis III-, in der Gesamtheit deutlich weniger anspruchsvoll und ernsthaft als der Nordostgrat. Die Travers wird von Kletterern, die über eine schwierigere Höfatsroute aufsteigen, aufgrund der vorhandenen Trittspuren gerne mal "Autobahn" genannt ;-). Dieser Maßstab gilt natürlich nur für Top-Kletterer, keineswegs für Normalbergsteiger.
Zur Ausrüstung:
60 Meter oder 2mal 30 Meter-Seil, Kletterhelm, Abseilausrüstung, einige Normal- und Gras-Haken. Aufgrund der spitzenmäßigen Verhältnisse war sogar das Eisbeil entbehrlich, aber dieses sollte in jedem Fall mit von der Partie sein.
Zu den aktuellen Verhältnissen:
Im Gegensatz zu Ende Juli herrschten dieses Mal optimale Bedingungen. Trotz der Niederschläge am Montag war das Gras gut griffig. Tags zuvor hatte ich noch große Bedenken und war ob des Regens ziemlich frustriert.
Die ersten gut 10 Kilometer zur Käseralpe (1406m) werden am besten mit dem Mountainbike zurückgelegt (etwas über 1 Std. Fahrzeit). Es gibt natürlích auch solche Leute wie mich, die sich hin und wieder den knapp 2-stündigen Fußmarsch (und vor allem den finalen Rückmarsch) genehmigen.
Diesmal ging's nicht über die Obere Gutenalpe, sondern noch vor der Käseralpe direkt über teils sehr steiles Schrofengelände hinauf ins Oberloch. Aus diesem rechts in die Einsattelung der Stiege (1792m; 45 min von der Käseralpe; hier Anseilplatz). Auf der anderen Seite faszinieren die Tiefblicke zur Höfatsnadel und zur Rauhenhalsalpe. Beeindruckend präsentiert sich in der Draufsicht der Nordostgrat der Kleinen Höfats.
Sehr ausgesetzt geht es waagrecht über eine erste scharfe Schneide. Den folgenden senkrechten Abbruch kann man abklettern (III, sehr brüchig, schlechte Sicherungsmöglichkeiten). Es empfiehlt sich aber, wenn man den Grat an der Stiege beginnt, dieser Stelle knapp unterhalb in der linken Flanke auszuweichen.
Ab hier immer dem Grat folgen. Der untere Teil ist steil, aber für versierte Graskletterer gut machbar. Oft trifft man auf Edelweißbestände. Schwierige Kletterstellen hat der Grat nicht in petto, dafür tun sich schwindelerregende Abgründe zu allen Seiten auf. Bald wird der Grat grasiger und breiter. Der Gipfelhang hat eine Neigung von 60 Grad und erfordert unbedingt gute Verhältnisse. Auf der Kleinen Höfats (2073m; 1 Std. von der Stiege) genießt man ein beeindruckendes Panorama.
Etwas unterhalb des Gipfels befindet sich ein Haken, der schon seit langer Zeit fürs Abseilen benutzt wird. Das Setzen weiterer Haken an dieser Stelle gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Nach kurzer Zeit kommt eine Schlinge, weiter unten können dann Haken in der Wand gesetzt werden. Also auf ins "Niemandsland".
Nach der 30 Meter langen Abseilfahrt und kurzem Abstieg im steilen Gras wird das Schärtele (1974m; 30 Min von der Kleinen Höfats) erreicht. Genau genommen sind es zwei Einschartungen, die durch einen Zacken getrennt sind. Den Zacken umgeht man auf der rechten Seite in abschüssigem Steilgras auf einem schmalen Band. In den Scharten werden sehr instruktive Einblicke in die beiden Kamine geboten, die aus dem Roten Loch heraufkommen. Eine Welt aus Schutt und grasdurchsetztem Bruchfels.
Der Nordostgrat der Höfats beginnt mit guten 100 Höhenmetern Steilgras, bevor der Grat erstmals ausgeprägt ist. Die Neigung beträgt dabei zwischen 50 und 60 Grad, einzelne steile, teils felsdurchsetzte Abschnitte erfordern schon mal ordentliches Zugreifen. Später legt sich der Grat zurück, wartet aber mit höfatstypischer Ausgesetztheit auf. Tendenziell hält man sich links in der Flanke. Nach einer Stunde ab dem Schärtele ist der ganze Spaß auf dem 2.Gipfel schon wieder vorbei. Kaum zu glauben, dass der längste der Höfatsgrate gerade vollständig überklettert wurde. Man fühlt sich wieder in der Zivilisation angekommen.
Auf der Umgehungsroute haben wir den Westgipfel besucht und anschließend in für meine Verhältnisse rekordverdächtigen 20 Minuten die Travers zum Ostgipfel durchgeführt. Nach der Mittagspause dann zügig auf dem Normalweg hinunter zum Älpelesattel (1778m) und zur Käseralpe (1405m; 1 Std vom Ostgipfel). Nur ein Katzensprung entfernt befindet sich unser Fahrraddepot. Dann folgt zum Abschluss die rasante Talfahrt bis Oberstdorf.
Fazit: Eine Steilgrastour der absoluten Extraklasse über faszinierende Grate, natürlich NUR für langjährig erfahrene Spezialisten. Die Tour wird sehr selten, vielleicht zweimal im Jahr, begangen.
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