Direttissima am Fronalpstock


Publiziert von Tobi , 6. September 2012 um 22:48.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:21 August 2012
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Fronalpstock - Kette   CH-SZ 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 650 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Morschach, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Stoos

Der Fronalpstock über dem Vierwaldstättersee ist wahrlich eher als Touristenberg denn als Paradies für alpinistische Abenteuer bekannt. Nur die blau-weiss markierte Route im moderaten T4-Bereich durch die Chälen wird häufig begangen. Auf Hikr hat bisher nur Gallia55 das Potential dieses Berges zu höheren Regionen der T-Skala *erahnen lassen. Da sollte doch noch mehr drin liegen. So mache ich mich auf, die im SAC-Führer „Zentralschweizerische Voralpen“ beschriebene Route 703 mit der Bewertung BG zu erforschen…
 
Von Morschach (646m) zunächst unspektakulär über den Asphalt nach Dägenbalm und weiter auf dem rot-weiss markierten Bergweg hoch nach Hezig. Nur wenige Meter nach dem Gehöft kürze ich etwas ab und steige noch vor dem Bach an diesem entlang höher. So erreiche ich direkt die unzähligen Kehren, welche sich hoch zum Schilteli (1115m) winden. Ich schreite über diese schön gelegen Aussichtsterrasse und verlasse den Bergweg, bevor sich dieser wieder ins Tal verabschiedet. Stattdessen steige ich auf der Weide zum Waldrand empor. Dort muss ich den Einstieg nicht lange suchen. Nach einigen Höhenmetern im Wald ist der Pfad zur Bietplangg deutlich zu erkennen. Wild-romantisch schlängelt sich der Wildheuerpfad durch den steilen Bergwald in die Höhe. Die heiklen Stellen sind mit Stahlseilen versehen; ein genussvolles T4. Nur bei Nässe könnte der erdige Pfad heikel werden.
 
Die Wildheuerhütte auf der Bietplangg (1496m) ist ein wahres Juwel hoch über dem Urnersee. Bei dieser wunderbaren Aussicht geniesse ich meine erste Pause. Gemäss Hüttenbuch erfreuen sich auch andere Besucher an diesem tollen Panorama, wobei sich die Stammgäste eher dem geselligen Jassen widmen.
 
Zu Beginn ist die Querung hinüber zum Chalberweidli noch sehr gut zu erkennen. Ein ausgeprägtes Weglein überwindet äusserst ausgesetzt (T5) den tiefen Graben. Doch je näher man der nächsten Wildheuerhütte auf dem Chalberweidli (1494m) kommt, desto länger wird das Gras und umso schwächer werden die Pfadspuren.
 
Gemäss SAC-Führer führt die Route nun zur Alp Fron und von dort hoch zum Wiss Nollen. Alternativ kann man vom Chalberweidli auch direkt diesen markanten Felsen ansteuern. Ich entscheide mich für diese Abkürzung. Doch während dem Aufstieg über die Wildheuerplangge erspäht mein Auge eine andere potentielle Schwachstelle im imposanten Felsgürtel. So zieht es mich statt zum Wiss Nollen eher nach links. Je näher ich komme, desto verlockender wird diese steile, felsig-grasige Rampe. Ich kann der Versuchung nicht wiederstehen und ehe ich mich versehe, bin ich schon fast mittendrin.
 
Meistens ist es ja so, dass sich bei einem als zunächst undurchsteigbar scheinenden Aufschwung plötzlich alles in Wohlgefallen auflöst. Anderseits entpuppt sich eine von unten als machbar eingestufte Flanke plötzlich als undurchdringbar. Und genau so ergeht es mir nun. Nach einigen Metern in der Rampe befinde ich mich in übelstem Gelände. Saumässig steil und ausgesetzt. Für mich wieder mal ein Fall, in dem nur eine T6+ als Bewertung angemessen ist. Je höher ich steige, desto spärlicher werden die Möglichkeiten, sich festzuhalten. Doch irgendwo präsentiert sich immer wieder eine felsige Kante, ein erdiger Tritt oder ein krautiger Griff. Sogar ein horizontaler Legföhren-Hain muss als Trittbrett für eine Querung missbraucht werden. Definitiv Gelände, in welchem sich nur noch ossi heimisch fühlt und eine Kaffeepause machen würde. Für mich ist das Wohlfühlniveau definitiv überschritten, und ich darf wieder einmal die Erfahrung eines mulmigen Gefühls machen. Doch Panik ist in einer solchen Situation fehl am Platz, und genau so fühle ich mich nun in dieser Flanke. Nicht mal das Wild verirrt sich hierher, Spuren sind keine zu erkennen. Doch nun ist so was wie der „point of no return“ erreicht. Die Flucht nach oben ist nun die sicherste Variante, um sich heil aus diesem Gelände zu mogeln. Zum Glück gelingt mir dies, ich kann mich weiter nach oben kämpfen, wo die Rampe endlich flacher wird. Der Ausstieg ist erreicht, endlich Zeit zum Durchatmen. Aber trotz Allem möchte ich diese durchlebte Erfahrung am Rande meiner alpinistischen Grenze nicht missen…
 
Ich stehe nun in einer Art Kessel. In diesem entdecke ich deutliche Pfadspuren. Dies könnte ein Zugang zu den Kletterrouten am Wiss Nollen sein. Das Weglein traversiert zunächst nach Norden und führt schliesslich zwischen Pt 1802 und Pt 1831 auf das Gipfelplateau des Fronalpstock (1921.1m). Auf der Wanderautobahn ist das Bergrestaurant rasch erreicht, wo ich mir zunächst ein Mittagessen gönne.
 
Für den Abstieg lasse ich mich nicht mehr auf Experimente ein und wähle mit dem markierten Wanderweg die sicherste Variante auf den Stoos (1272m) hinunter. Von dort bringt mich die Standseilbahn gratis ins Tal, solche Vorteile muss man als GA-Besitzer einfach nutzen.
 
 
Fazit: Der Fronalpstock hat doch Potential für Routen in den oberen Sphären der T-Skala. Im Nachhinein ist es fast schade, dass ich nicht auf der im Clubführer beschriebenen Route geblieben bin. So steht die Erkundung dieses Pfades noch aus. Dieser dürfte sich wohl im moderateren Bereich als mein Abstecher ins T6+ Gelände bewegen. Allerdings wäre auch die Frage spannend, ob es nicht noch direktere alpine Routen durch die markante Felsbastion des Fronalpstocks gibt….

Tourengänger: Tobi
Communities: T6


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Kommentare (7)


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wam55 hat gesagt: Da hat mir nur schon beim Lesen...
Gesendet am 6. September 2012 um 23:17
der Atem gestockt. Toll geschrieben, man klettert beinahe mit :-)
Wie würde ich wohl reagieren in einem solchen Fall? Bin jedenfalls froh, das nur virtuell mitgemacht zu haben. Ich hätte wohl zuviel Angst und würde vorher umkehren.

Gruss vom Werner

Tobi hat gesagt: RE:Da hat mir nur schon beim Lesen...
Gesendet am 8. September 2012 um 09:59
Egal ob aus Gründen der Angst oder auch Vernunft: Vorher umkehren ist meist immer eine gute Idee! Mittendrin geht dies dann oft nicht mehr gut.

Gut wäre auch, für solche Fälle ein Seil mit dabei zu haben. Damit könnte man auch mittendrin gesichert wieder aussteigen. Doch leider fand dieses Utensil just an dem Tag seinen Weg nicht in den Rucksack...

Gruss Tobi

MaeNi hat gesagt: Die süsseste Versuchung..
Gesendet am 7. September 2012 um 08:13
...seit es Steilgrashalden gibt...mein lieber Tobi, das tönt ja haar- und grassträubend.

Zumindest wissen wir jetzt wo wir NICHT aufsteigen werden. Die Route über den Wiss Nollen steht auch noch irgendwo auf unserer nicht so kurzen Projektliste.

Gruss und weiterhin gute und unfallfreie Touren
N&M

Tobi hat gesagt: RE:Die süsseste Versuchung..
Gesendet am 8. September 2012 um 10:01
Dann bin ich schon gespannt auf den Bericht über die Orginalroute.

Euch auch weiterhin erlebnisreiche und unfallfreie Touren!

Gruss Tobi

Alpinist hat gesagt:
Gesendet am 7. September 2012 um 21:24
Gratuliere zur Tour.

Wir waren auch auf dieser Route unterwegs am 18.August 2012, herrliche Tiefblicke, Eindrückliche Route, hat uns sehr gefallen.

Bilder irgendwann mal auf meiner Homepage

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. September 2012 um 10:05
Und wie würdest du die Orginaltoure von der Schwierigkeit her bewerten? Ist der Aufstieg neben dem Wiss Nollen noch ein T5, oder schnuppert man dort auch T6-Luft?

Warte geduldig auf die Bilder auf deiner Homepage...

Gruss Tobi

Alpinist hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. September 2012 um 19:21
Hallo Tobi.

Aufstieg zum Wiss Nollen meiner Meinung nach ein deutliches T6, kurz aber verdientes T6.

Gruess Cornel


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