Hochwilde-Überschreitung (3.461 m und 3.482 m) aus dem Ötztal über den Gurgler und Langtaler Ferner
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1. Tag : Von Obergurgl über die Langtalereckhütte zum Hochwildehaus
Ins Ötztal gelangt man z. B. von München aus über Garmisch-Partenkirchen, Ehrwald, den Fernpass und Imst. Dort beginnt das Ötztal, durch das man via Sölden bis ans Ende – vorbei an der Abfahrt zum Timmelsjoch – nach Obergurgl (1.927 m) fährt. Schon dort ist die Bergkulisse atemberaubend, auch wenn man sehen kann, wie klein die Ötztaler Gletscher schon geworden sind. Obergurgl wird überragt vom über 3.500 m hohen Schalfkogel. In Obergurgl sind die Langtalereckhütte und das Hochwildehaus bereits anschrieben, letzeres mit 4,5 h Gehzeit. Die erste halbe Stunde kann man sich sparen, indem man mit der Hohe-Mut-Kabinenbahn bis zur Mittelstation fährt, von dort aus sind nur noch 4 h angeschrieben. Was die Gehzeiten betrifft, widersprechen sie sich teilweise von Wegweiser zu Wegweiser, auch die Anschriebe an den Hütten passen nicht genau zu den offiziellen Wanderwegweisern (Plus/Minus 30 Minuten).
Nun auf breitem Fahrweg hinauf zunächst Richtung Schönwieshütte (2.266 m), welche wir nach knapp 40 Minuten erreicht hatten. Kurz zuvor hat man einen sehr schönen Blick hinein ins Gaisbergtal, an dessen Ende sich ein sehr schöner Gletscher befindet. Nach der Schönwieshütte geht es weiterhin auf einem Fahrweg zunächst bergab und dann wieder bergauf, zuletzt durch einige Serpentinen zwischen gigantischen Felsblöcken hinauf zur Langtalereckhütte (2.430 m), welche wir nach gut 1,5 h erreicht hatten. Sehr zu empfehlen: das Skiwasser und der Kaiserschmarrn.
Von der Langtalereckhütte aus sieht man bereits sehr weit oben das Hochwildehaus, zu dem eine sehr spektakuläre Materialseilbahn hinaufführt. Nach der Langtalereckhütte geht es zunächst wieder erheblich abwärts jetzt nur noch auf einem Pfad hinunter zum reissenden Abfluß des Langtaler Ferners, über den eine neue Brücke führt, die etwas Schwindelfreiheit erfordert, da der Boden mit Gittern belegt ist, durch die man direkt hinunter sehen kann. Zur linken hat man einen herrlichen Blick auf den Langtaler Ferner und dessen Moräne. Nach der Brücke muß man steil den Felsen rechts umgehen, wobei nach einiger Zeit links der relativ neue Klettersteig Schwärzenkamm abzweigt, der ebenfalls hinauf Richtung Hochwildehaus führt. Landschaftlich schöner ist sicher der Normalweg durch eine beeindruckende Felsenlandschaft, wobei der Weg mit vielen Eisentreppenstufen und etwas Drahtseil zu einem echten Wanderweg ohne nennenswerte Schwierigkeiten ausgebaut wurde. Nach etwa einer Stunde wird es flacher und man kann hinunter schauen auf den wunderschönen Gurgler Ferner. Nun geht es noch ca. 1 h weniger steil bergan – immer am Gletscher entlang, bis man das Hochwildehaus (2.873 m) erreicht. Wir waren nach ca. 3,5 h ab Mittelstation Hohe-Mut-Bahn angekommen, mit Gegensteigungen waren es bis hierher ca. 1.000 Höhenmeter.
Der Blick ist atemberaubend auf die ganzen Dreitausender (u. a. den sehr nahen Schalfkogel) und man sieht erstmals ganz links die Hochwilde, den sicherlich formschönsten Berg weit und breit, er wirkt allerdings noch sehr sehr weit weg. Am abend stieß dann auch unser Bergführer Pio aus dem Montafon (www.alpin-dreams.com) zu uns, mit dem wir schon zahlreiche Touren unternommen hatten. Das Hochwildehaus ist eine wunderschöne moderne Hütte mit gastfreundlichen Hüttenwirten, hell mit modernen Waschräumen, gemütlichen Lagern mit Bettwäsche statt Wolldecken und spitzenmäßigem Dreigang-Abendmenü incl. Salatbuffet … Komfort pur fast auf Zugspitzhöhe, besser geht es nicht mehr. Dank Ohrenstöpseln konnten wir auch trotz der Superschnarcher im selben Zimmer einigermaßen gut schlafen.
2. Tag: Vom Hochwildehaus über den Gurgler Ferner über die Hochwilde und zurück zur Langtalereckhütte über den Langtaler Ferner
Der zweite Tag begann sehr früh mit Aufstehen um 5:15 Uhr und Frühstück um halb 6 (sehr lecker und wieder ein Buffet). Der Wetterbericht hatte für den Nachmittag Gewitter angekündigt und unser Führer Pio wollte deswegen sehr früh losgehen. Ausser uns war an diesem Tag nur noch eine weitere Seilschaft unterwegs. Kurz nach 6 Uhr gingen wir bei herrlichem Wetter und bereits etwas Tageslicht los, das Ziel deutlich vor Augen, der Weg deutlich sichtbar, immer etwas auf und ab Richtung Gletscher, welchen wir nach knapp 30 Minuten erreichten. Der Gurgler Ferner ist hier quasi Spalten-frei, zudem war das Eis nach etwas Regen in der Nacht blank, sodaß die wenigen Spalten sehr gut sichtbar waren und wir ohne Seil gehen durften. Der Gletscher steigt zunächst nur sanft an, später vorbei am Anakogel (3.336 m) und immer steiler bergan in Richtung Hochwilde Nordgipfel, auf dem schon von weitem das Kreuz zu sehen ist. Zuletzt wird es sehr steil und man steigt auf einer eher breiten Firnschneide bergan zu den Felsen.
Hier entweder rechts um den ersten Felsen herum zum Beginn des teilweise drahtseilversicherten Steiges oder direkt hinauf auf den ersten Vorgipfel am Grat. Unser Führer entschied sich für dieses kleine Schmankerl. Dieser direkte Weg ist saniert und gut zu sichern, erreicht aber an der Schlüsselstelle eine gute III. Auf dem Normalweg wird der II. Grad nie überschritten. Nach der Kletterei folgt eine ca. 10 m hohe Abseilstelle, nach der man den Normalweg erreicht.
Nun weiter am Grat hinaufklettern und –turnen, immer wieder Drahtseil-versichert, bis wir nach knapp 3 h ab dem Hochwildehaus (45 Minuten ab Einstieg in die Felsen) den Hochwilde-Nordgipfel (3.461 m) erreichten. Während mein Sohn wie immer locker hinaufgestiegen war (der Pio sowieso), hatte ich teilweise ganz schöne Probleme mit der Luft auf dieser Höhe. Der Blick absolut einmalig: das ganze Ötztal mit seinen Gletschern, im Süden Ortler, Königsspitze, Cevedale und sogar Bernina, im Norden die Miminger und der Wetterstein und was noch alles. Den Gipfel mussten wir uns nur mit der zweiten Seilschaft teilen, die am Hochwildehaus gestartet war, welche aber dann wieder zum Hochwildehaus abstieg. So machen die meisten diese Tour.
Pio ist aber immer für besonders tolle Varianten einer Tour gut. So stiegen wir zunächst etwas ab Richtung Süd- bzw. Hauptgipfel und dann aus der Scharte zwischen den beiden Gipfeln wieder auf. Der Weg ist teilweise sehr ausgesetzt, aber fast immer gut mit exzellenten Drahtseilen gesichert. Allerdings ist die Sicherung an zu vielen kritischen Stellen lückenhaft, als das man die Überschreitung als Klettersteig bezeichnen könnte (sie ist ja auch kein Klettersteig). Ob das wohl Absicht ist?
Nach ca. einer weiteren Stunde erreichten wir den Hauptgipfel: die Südliche Hochwilde (3.482 m), auf dem mit ca. 8 anderen Bergsteigern, die ausnahmslos über den Hans-Grüzmacher-Weg aus Südtirol aufgestiegen waren) etwas mehr los war. Die Hochwilde ist einer der höchsten Gipfel der Alpen mit einem richtigen Weg.
Nach ausgiebiger Rast und Genuss der Sicht stiegen wir zunächst den Normalweg hinunter … sehr bröselig und sandig = sehr unangenehm. Dann kam das echte Schmankerl: Abstieg zum Langtaler Ferner. Das ist etwas knifflig, weil die Randkluft im August an der naheliegendsten Stelle nahezu unüberwindbar ist. Deshalb mußten wir am Langtaler Joch erstmal teilweise sehr luftig ein Stück am Grat entlangturnen (dabei begegneten wir einigen Gemsen, die uns sehr verwundert ansahen), bis nach ca. 300-500 Metern die Randkluft schmaler wurde. Dort dann auf Geröll vorsichtig abfahren und mit einem großen Schritt über die Randkluft.
Nun wurde es richtig spannend: war der Gurgler Ferner nahezu spaltenfrei, war hier im oberen Teil des Langtaler Ferners ein echtes Labyrinth von teilweise tiefen, breiten und langen Spalten anzutreffen (vergleichbar mit dem Bernina und Piz Palü im letzten Jahr), zudem mit etwas Schneeauflage und daher schlechter zu sehen. Aber Pio fand mit bewundernswerter Sicherheit einen Weg hindurch, durchaus mit einigen Gegenanstiegen, um die Spalten zu umgehen.
Nachdem wir die Spaltenzone überwunden hatten, wurde es flacher und noch schöner. Die Gletscherzunge des Langtaler Ferners ist sehr sehr lang und die Moräne danach noch länger. Die Tour zog sich deswegen an dieser Stelle ganz schön, aber das Wandern über den Gletscher mit seinen faszinierenden Formationen in absoluter Einsamkeit war ein unvergessliches und wunderschönes Erlebnis. Auf dem Weg entlang der Moräne müssen dann einige Gebirgsbäche überwunden werden. Am Ende des Tals ist noch ein Gegenanstieg zur Langtalereckhütte zu bewältigen, die wir nach ca. 4 h ab dem Hochwildegipfel (Zeitangaben immer ohne Pausen) erreichten. Inzwischen war es 15 Uhr und das Wetter außer ein paar Quellwolken glücklicherweise immer noch gut.
Eigentlich wollten wir am Folgetag noch auf den Schalfkogel, aber die Tour auf die Hochwilde war so schön und nicht mehr zu toppen (zudem unsere Beine ganz schön müde), sodaß wir uns für den Abstieg ins Hotel nach Obergurgl mit all seinem Komfort und einen Klettergartentag in Oberriet am Folgetag entschieden. Der Abstieg von der Langtalereckhütte dauerte mit all seinen Gegenanstiegen nochmal fast 2 h, sodaß die Gesamtgehzeit an diesem Tag ca. 10 h war. Ganz kurz vor dem Hotel dann doch noch der lang erwartete Regenschauer …
Fazit: sehr lange und teilweise einsame Tour mit ca. 2.000 Höhenmetern Auf- und Abstieg (incl. Gegensteigungen) in grandioser Natur. Ein echtes Highlight, nicht zuletzt dank Pio's wie immer bombensicherer und souveräner Führung!

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