Hangerer (3020m) und 'Extreme'-Blockgletschern


Publiziert von Jackthepot , 19. Oktober 2013 um 19:55.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum: 4 September 2013
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:00

Herrlichstes Spätsommerwetter, da weiß man im Ötztal vor lauter potentiellen Gipfelmöglichkeiten gar nicht wo man zuerst rauf soll. Da ich irgendwie das Gefühl nicht losbrachte, dass es wohl die letzte Möglichkeit in der Bergsaison 2013 sein würde nochmal hoch hinaufzukommen, sollte ein 3er schon vorne dranstehen. Das "etwas sehr ambitionierte" Ziel war schnell gefunden, der 'Wanderdreitausender' Hangerer oberhalb der Schönwieshütte mit Direktabstieg zur Langtalereckhütte, um von dort noch den Klettersteig am Schwärzekamm zu machen.
Der Aufstieg zum Hangerer lässt sich bequem verkürzen indem man die erste Sektion mit der Hohen Mut-Bahn fährt. Mir fiel unglücklicherweise gleich der Wegweiser zum Zirbenwald und zum Rotmoos-Wasserfall ins Auge. Naja, den kleinen Umweg kann man mitnehmen, zumal man damit die breite Fahrstrasse zur Schönwieshütte größtenteils meiden kann. Lohnt sich ... 'also schon' ... Man verliert etwas an Höhe, die man sich nach dem Wasserfall auf etwas steilerem Pfad zurück zur Almstrasse wieder erarbeiten muss. Gleich oberhalb der herrlich gelegenen Schönwieshütte zweigt vom Fahrweg nach links das Steiglein Richtung Hangerer ab (ohne Wegweiser) . Zuerst gehts über sumpfige Wiesen und Brettersteige 5 min hinüber zum Nordrücken des Hangerer. Dort steil im Zickzack bergauf (wieder Wegmarkierungen) auf den steilen Bergrücken. In endlosem Geschlängel durch eine wirklich tolle Berglandschaft weiter hinauf - bis man schließlich flacher auf die zerbröselte, schottrige Nordwestflanke des Hangerer zu marschiert. Jetzt wieder steiler über groben Schotter und tw. kleinere Blöcke bergan - hin und wieder kaum Markierungen. Irgendwann war mal überhaupt keine Markierung mehr zu finden und die vermeintlichen Wegspuren endet abrupt im Felsenlabyrinth. Das ist dann der Zeitpunkt an dem man sich westwärts wendet und solange nur leicht ansteigend quert, bis man wieder auf den (markierten) Steig kommt. Nach dieser kleinen Freestyle-Episode gehts nun mäßig ansteigend auf den Westgrat zu. Ein einsames Schneefeldchen querend hin zum Grat. (Na, wenn das Schneefeld im Frühsommer noch breiter ist und frühmorgens bockhart gefroren ist... kann's dort auch "spassig-gefährlich" werden ... geht ziemlich weit und ziemlich tief runter). Über den Grat in die Westflanke. Dort sehr steil über bröseligen Steig hinauf zum Gipfel mit riesigem Kreuz. Die Rundumsicht ist herrlich - allerdings 'begrenzt' - trotz der ansprechenden Höhe (größer 3000m) ist alles rundherum höher. Nur nach Nordosten - über das Gurgler Tal hinweg hat man unverbaubar freie Weitsicht hinüber in die Stuaier und tw. Zillertaler Alpen. Dennoch ein idealer Platz zu rasten, gucken und genießen ...  was ich auch ausführlichst getan habe. Schon jetzt wurde mir bewußt das mein o.a. Tagesziel wohl nur schwer realisierbar werden würde.

Prolog: Für den direkten Abstieg vom Hangerer zur Langtalereck Hütte habe ich in der Literatur und Internet nur wenig bis gar nichts gefunden. Aber -ein kluger Jackthepot baut ja vor- so hatte ich beim Aufstieg zum Hangerer bereits den Hüttenwirt der Schönwieshütte befragt. Dessen Informationen erschienen mir zwar auch im ersten Nachdenken etwas "dürftig", stellten sich letztlich jedoch als sehr wahr heraus: "ich solle ein gutes Stück die NW-Flanke wieder herunter, dort gäb's dann ein wenig begangenes Steiglein ... ich soll den felsigen Bergsockel meiden und untenrum umgehen ... und der Steig sei 'nicht durchgängig' markiert".
Tatsächlich ich war schon wieder über den Westgrat herab und in der NW-Flanke unterwegs, bemerkte ich links abzweigend Spuren über einen immer steiler werdeden erdigen Buckel hinab ... War das das "Steiglein"?...Endeten diese Spuren im Felssockel, oder gingen sie doch dran vorbei? Ich blieb weiter am Normalweg, bis ich die steile Geröllflanke halbwegs einsehen konnte - dadurch bewegte ich mich allerdings einige hundert Meter von meiner Zielrichtung (Westen) weg Richtung Norden. Irgendwann bog ich also weglos nach links ab in die blockige Felsflanke hinein , sehr zur Verwunderung und staunenden Blicken der Wanderer auf dem Normalanstieg. Gut 20 min brauchte ich über loses, blockiges Gestein um unter der, hier ca. 500m breiten Nordwestflanke des Hangerer hindurch zu queren. Und da lag er nun vor mir: durch eine ca. 100m breite grüne Grasfläche von meinen Geröllfeld getrennt, wuchs quasi aus dem Nichts eine 20m hohe, erdige Geröllmoräne empor:
der Blockgletscher im Äußeren Hochebenkar. Es sind schon seltsame Gesellen, diese Blockgletscher, die in den Permafrostgebieten oberhalb von 2000m entstehen und sich wie ein Gletscher langsam ins Tal vorschieben. Erst bei meiner nachträglichen Recherche für diesen Bericht stellte ich fest, dass dieser Blockgletscher seit 1938 überwacht wird und somit einer best-erforschten Blockgletscher in den Österrreichen Alpen ist. Im Internet gibt's einiges zum Nachlesen und sogar auf Wikipedia kann man ihn bewundern. Mir ist er auch bereits bei meiner Hochtour 2003 auf den Gr. Ramolkogel aufgefallen (im Gurgler Tal gegenüber).
Die Seitenmoräne war schnell erklettert und mein Blick fiel wieder über eine schier endlose Fels- und Geröllwüste ... ich hat es ja so gewollt. Nächste Etappe, der grüne Gras-/Felsbuckel in ca. 500m Entfernung. Nach 15min weglosem Auf und Ab und Rumgepolter auf meist wackeligen Steinen - Eis war nie zusehen, auch nicht das übliche - für 'richtige' Gletscher-  Rauschen/Plätschern des Wassers war zu hören, wurde auch noch die letzte Auskunft des Hüttenwirts der Schönwieshütte wahr: gefühlt auf gut der halben Strecke auf dem Blockgletscher tauchte unter 1000enden anderen ein großer Felsblock mit roter  Wegemarkierung auf - der einzige auf der gesamten Strecke bis zur Langtalereck Hütte....'nicht durchgängig markiert' eben! Die 'Wegfindung' über den Blockgletscher wurde zunehmend schwerer, irgendwie wurden die Felsblöcke am Westrand immer sperriger, größer ... endlich war nach langem, ermüdenden Gespringe über die Felsen die steile Randmoräne und alsbald der ersehnte grüne Grasbuckel erreicht. Doch auch der hatte es in sich, ein ums andere Mal stand ich vor einer steilen Felszone, die man nur zurück mit ordentlich Höhenverlust umgehen konnte, um dieselbe dann auf einem anderen Grasband wieder gutzumachen. Über eine riesige Weide hinweg öffnete sich schließlich der Blick hinüber zum tief eingeschnittenen Langtal, zum Schwärzenkamm und hinunter felsigen Talschluß des Gurgler Tales.
Angriff der Killerflocken: Man glaubt es kaum wie man sich nach stundenlagen Felsgestolper über erste "menschliche Spuren'  freuen kann .... und wenn es nur eine verstreute Schafherde war. Überraschenderweise ging es den Schafen scheinbar ebenso ... die ganze Herde machte sich im "Schafsgalopp" auf, den urplötzlich aufgetauchten Wanderer zu besichtigen....
                             oder VIELLEICHT DOCH ZU FRESSEN?!?!    
Egal welchen Haken ich auch schlug, egal welche Richtungswechsel ich auch vollführte ... kein Bachlauf  war zu breit, kein Steigras zu steil, kein Geröllfeld zu stolprig ... erst vier Schafe, dann gut acht ... schließlich näherte sich auch noch der 2 Teil der Herde von weiter oben. Immer wenn ich stehen blieb, um die größer werdende 'Gefolgschaft zu fotographieren, bedrängten sie mich direkt und knabberten/schnuffelten am Rucksack etc. (auf der Suche nach Futter -vermute ich- wer weiß was der Alm-Öhi so immer mitbringt). Gut 5 min dauerte die 'Verfolgungsjagd', erst als ich nicht mehr bergab, sondern mich südwärts wandte, um eine bessere Aussicht zum Langtaler Gletscher zu ergattern...erst dann ließ die 4-beinige Verfolgerschar wieder von mir ab - ufff   ;-))  . Ich beschloß mir im Tal ein T-shirt zu kaufen " I survived Gurgler Valley".

Nach beendetem Fotoshooting zum Langtaler Gletscher und zunehmend steiler werdenden Geländewellen bergab - ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben jemals an der Langtalereck Hütte anzukommen- lag sie endlich vor mir. Und 5min später saß ich müde -aber zufrieden- auf der Sonnenterrasse mit einem erfrischendem Radler. Die bildhübsche Wirtin/Bedienung erläuterte auf mein Nachfrage hin, wo -gegenüber am Schwärzekamm- der Klettersteigeinstieg zu finden ist und den ungefähren Verlauf des Steiges. In Anbetracht der schon zu weit fortgeschrittenen Zeit, vertagte ich den Klettersteig in eine andere, spätere Bergsaison, reflektierte die 'gefährlichen' Erlebnisse des Tages und genoss die Schönheiten in der Natur und auf der Terrasse bei einem schnellen 2. Radler ;-).
Der Rückweg von der Langtalereck Hütte, über die Schönwieshütte an der Mittelstation der Hohen Mut-Bahn vorbei bis nach Obergurgl ist weit -verdammt weit! Die Streckeführt zu 100% über einen breiten Fahrweg und ist gut in 1 1/2h bis1 3/4h Stunden zu schaffen.
Wenn man ungefähr 1/3 der Wegstrecke leicht joggt schafft man es in etwas mehr als einer Stunde inclusive eines 10min Erfrischungsstopps an der Schönwieshütte (denn hier gibts das gute Münchner Hell von Löwenbräu).  Alles in allem ein schweißtreibender, bombastischer Bergtag in der herrlichsten Ecke der Ötztaltaler Alpen. Wie sagte ich schon in einem meiner bekanntesten Filme Jackthepotinator :  " I 'll be back".


Tourengänger: Jackthepot


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Kommentare (3)


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alpensucht hat gesagt: Cool,
Gesendet am 19. Oktober 2013 um 23:48
deine Recherche zum Blockgletscher hat sich offensichtlich gelohnt! Vielen Dank für deinen informativen Bericht zu einer bekannten Gegend:
www.hikr.org/tour/post55220.html

Beste Grüße und alles Gute für deine weiteren Touren.

Alpensucht

Jackthepot hat gesagt: RE:Cool,
Gesendet am 20. Oktober 2013 um 11:28
Danke - ich hab' deinen Bericht gerade gelesen. Den hast du ins Netz gestellt, da waren wir schon im Urlaub (mit eingeschränkten Informationsmöglichkeiten) - der hätte bestens meine Fragen beantwortet....auf dem Gipfel stehend und nach Wegalternativen suchend, liebäugelte ich nämlich zuerst auch mit dem Südgrat - aber mit der Info vom Hüttenwirt zum Thema 'Bergsockel meiden'..im Abstieg ist sowas ohnehin problematischer..usw., hatte ich mich dann für 'safety first' entschlossen und lieber den Umweg Normalweg wählen.
Allerdings als Alleingänger meide ich generell derartige (Kletter-/Kracksel-)Stellen und grade dort fernab jeglicher Beobachtungsmöglichen durch andere bzw. im Funkloch, weil ich glaub' nach einem Absturz liegt (und stirbt) man in der Hochebenscharte ziemlich einsam.

PS: deinen Antwortkommentar zum Kommentar zu deinem Bericht finde ich sehr treffend / ganz meine Wellenlänge.

Gruß Harald

Luidger hat gesagt: Schafe
Gesendet am 26. Juni 2014 um 22:58
Die Schafe sind scharf auf das Salz im Schweiß, habe ich schon häufiger erlebt. Wenn die im Weidegebiet einen Salzstein zum Lecken haben, dann ist denen der schwitzende Bergsteiger egal.


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