Wohin fliesst die Reuss?


Publiziert von Tobi , 16. März 2012 um 23:40.

Region: Welt » Schweiz » Aargau
Tour Datum:14 März 2012
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AG   CH-LU 
Zeitbedarf: 15:00
Aufstieg: 190 m
Abstieg: 285 m
Strecke:72.5lm
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Luzern
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Turgi

Gewiss, um diese Frage zu beantworten, müsste man nicht die über 70 Kilometer von Luzern nach Windisch wandern. Ein kurzer Blick in die Karte oder eine rasche Recherche im Internet würden genügen. Aber dennoch reizt mich der lange Marsch an der Reuss entlang, quasi als eine über 70 Kilometer lange Antwort auf die gestellte Frage…
 
Das Velo bringt mich zum Start in Luzern (435m). Hier fliesst der Vierwaldstättersee in die Reuss, hier soll auch meine Wanderung beginnen. Es ist morgens kurz nach vier Uhr. Früher bin ich oft an Wochenenden diesen Weg an der Reuss entlang nach Hause gelaufen; auch in dieser frühen Morgenstunde.
 
Für den Abschnitt bei Reussbühl ist früher die Bezeichnung „Xylophonweg“ gebräuchlich gewesen. Doch schon vor Jahren wurden die namensgebenden Betonplatten mit Asphalt überdeckt. Nun klingt es nicht mehr beim darüber Laufen oder Fahren. Beim Reusszopf ergiesst sich die Kleine Emme in die Reuss. Doch so klein ist diese Emme nicht immer. Bei Hochwasser spüren auch die abwärtsgelegenen Orte die zerstörerische Kraft dieses Flusses.
 
Von nun an begleiten mich Himmelskörper: der Planetenweg führt bis zur Perlenbrücke. Auch diesen Abschnitt kenne ich bestens, mein früheres Trainingsgebiet sozusagen. Ansonsten würde ich wohl einige Male ob den in der Dunkelheit lauernden Holzfiguren erschrecken.
 
Kurz vor der Perlenbrücke beginnt es zu Dämmern. Über diese Brücke wechsle ich die Flussseite, von nun an bin ich orographisch rechtseitig der Reuss unterwegs. Dadurch gewinne ich etwas Abstand zur Autobahn, die unzähligen Vogelstimmen heben sich so deutlicher vom Motorenlärm ab. Etwas Nebel liegt über der Reuss und dem angrenzenden Land. Bei der Brücke in Gisikon (418m) kehre ich ins Hotel Garni an der Reuss ein. Das Frühstückbuffet lockt. Dieses ist reichlich gedeckt, mit dem bisher angesammelten Kohldampf lohnt sich diese Investition.
 
Ich folge weiter dem rechten Reussufer. Das sanfte Morgenlicht lädt zum Fotografieren ein. Das Vogelgezwitscher ist die mich begleitende Musik. Die Auenlandschaft wird immer prächtiger, nur die omnipräsenten Starkstromleitungen stören das Bild etwas. Sins (397m) wird passiert; das Restaurant Zollhaus hat noch nicht offen. Bei Mühlau (394m) wechsle ich zur anderen Seite, um nicht beim Reussspitzli in die Sackgasse zu laufen.
 
Der weitere Weg führt mich durch malerische Naturschutzgebiete. Störche gehören hier zum Ortsbild. Wasservögel können im Überfluss bestaunt werden. Kurz nach Ottenbach (386m) liegt die Hälfte meines Marsches hinter mir. Noch keine Spur von Müdigkeit oder gar Erschöpfung. Ein leichter Hunger macht sich aber bemerkbar. So kehre ich kurz nach Mittag beim Restaurant Hecht in Rottenschwil (383m) ein.
 
Der folgende Abschnitt am Flachsee entlang ist ein Paradies. Sowohl für die Wasservögel, wie auch „Bird Spotters“. Da spielt man mit einem 300mm-Tele in der unteren Liga… Nach dem Dominilochstäg erlaube ich mir die Abkürzung, statt der ausholenden Kehre der Reuss zu folgen. So erreiche ich Bremgarten (386m) schon kurz nach zwei Uhr. Auch hier kürze ich quer durchs Städtchen ab.
 
Wieder zurück an der Reuss folge ich weiter dem rechten Ufer. Auch die Schleife nach Eggenwil lasse ich aus und wandere direkt übers Feld. Hier werden bereits Kartoffeln gepflanzt. Die Sonne entfaltet ihre ganze Kraft, es wird warm und die Reuss gleisst. Bei Gnadental ziehen die dortigen Inseln im Fluss ihre Aufmerksamkeit auf sich. Stetten (354m) wird passiert, so langsam machen sich die zurückgelegten Kilometer bemerkbar. Die Füsse brennen leicht. Die Reuss würde zum Kühlen einladen, aber danach würde man wohl nicht mehr weiter marschieren wollen.
 
Bei Mellingen (350m) wähne ich mich bereits nahe am Ende meines Marsches. Der Rand der 25‘000er-Karte auf meinem Handy kommt immer näher. Doch ein Blick auf die am Weg aufgestellte Übersichtskarte des Naturschutzgebietes verrät, dass es noch ein weiter Weg ist. Ich beginne die verbleibende Strecke in Etappen aufzuteilen. Ich hangle mich quasi von Brücke zu Brücke. Das beeindruckende Eisenbahnviadukt bei Gruemet ist der erste solche Fixpunkt. Mangels genauer Karte muss ich mich nun auf die Wanderwegweiser verlassen. Diese führen allerdings nicht immer dem kürzesten Weg entlang…
 
Die Autobahnbrücke bei Lindmühle wird erreicht. Diese markiert in etwa die Hälfte zwischen Mellingen und Windisch. Doch Mellingen liegt schon weit zurück, die Strapazen sind bereits vergessen, so dass die bevorstehende Distanz nicht bewusst werden kann…
 
Es beginnt langsam zu dunkeln. Ich streife an Birmenstorf (342m) vorbei. Den folgenden Zipfel kürze ich nicht ab, ich folge dem gelb markierten Wanderweg. So darf ich die Reuss nochmals intensiv bei Abendröte erleben. Mit dem letzten Licht nähere ich mich Windisch (338m). Der letzte Rank der Reuss wird nochmals auf der Strasse entlang abgekürzt. Für die letzten Meter wechsle ich erneut das Flussufer. Im Dunkeln bin ich gestartet, nach 15 Stunden erreiche ich ebenfalls im Dunkeln das Ziel: Die Reuss ergiesst sich in die Aare.
 
 
Fazit: Ein intensiver Tag mit vielen Erlebnissen. Der Frühling erwacht unter lautem Vogelgezwitscher. Das Grün ist aber noch nicht so präsent, nur der Bärlauch spriesst schon. Auch die restlichen Farben zeigen sich erst spärlich in Form vereinzelter Blümchen. In den nächsten Wochen dürfte das Ambiente für allfällige Nachwanderer noch eine Steigerung erfahren. Die Wanderung kann gut in mehrere Etappen unterteilt werden.
Mein bisher längster Marsch hat 50 Kilometer betragen. Die nun absolvierten 40 Prozent mehr an Kilometern haben es in sich. Ich war froh, am Ziel zu sein. Viel weiter hätte ich nicht mehr marschieren wollen. Aber dies ist wohl auch eine Sache der Einstellung und dem anvisierten Ziel.
Nun stellt sich die nächste Frage: Woher kommt die Reuss?

Tourengänger: Tobi
Communities: Flusswanderungen


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Kommentare (23)


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Gelöschter Kommentar

Tobi hat gesagt: RE:Das Monster lebt ;-)
Gesendet am 18. März 2012 um 11:08
Also die Aare misst total fast 300km, das alles schaffe auch ich nicht ;-)
Falls ich aber mal einzelne Abschnitte in Angriff nehmen sollte, werde ich mich bei dir melden. Allerdings wohl erst wieder im nächsten Winter/Frühling, da nun hoffentlich bald der Schnee die höheren Ziele frei gibt...

Bis wieder mal, Gruss Tobi

maawaa hat gesagt:
Gesendet am 17. März 2012 um 16:19
Da fällt mir ein Spruch vom alten Geheimrat Goethe ein...

" Nur wo Du zu Fuss warst bist Du wirklich gewesen ! "

Super - herzliche Gratulation zu dieser Monstertour Tobi !

Grüsse, Marco

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. März 2012 um 11:10
Danke für die Gratulation. Der Spruch hat was. Erst wenn ich einen Ort zu Fuss erwandert habe, kann ich mir seinen Namen merken. Eine Begehnung ist eben intensiver als das Kartenstudium.

Gruss Tobi

ABoehlen hat gesagt:
Gesendet am 17. März 2012 um 22:35
Grossartige Tour, gratuliere! Das ist ja noch weiter, als von mir zu Hause nach Kandersteg. Den Bildern nach zu urteilen, muss es zudem eine überaus reizvolle Strecke sein!

LG Adrian

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. März 2012 um 11:11
Vielen Dank für die Gratulation. Insbesondere im Kanton Aargau ist die Reuss besonders reizvoll. Praktisch der ganze Flusslauf ist dort Naturschutzgebiet.

Gruss Tobi

Felix hat gesagt:
Gesendet am 19. März 2012 um 21:50
Eine ausserordentliche Flusswanderung hast du da gemacht - wo ich doch einige wenige Abschnitte (aus früheren Zeiten) kenne: Bravo, herzliche Gratulation, Tobi!

lg Felix

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. März 2012 um 13:52
Vielen herzlichen Dank für die Gratulation. Einzelne Abschnitte werde ich wohl auch nochmals nachwandern.

Gruss Tobi

Henrik hat gesagt: Wohin fliesst die Reuss?
Gesendet am 19. März 2012 um 23:15
..meist in nördlicher Richtung...

Jetzt wäre noch interessant zu wissen, ob es eine Ur-Reuss gab, die ganz woanders geflossen ist..

Gratulation zum Endloswandern

GLG

Henrik

Tobi hat gesagt: RE:Wohin fliesst die Reuss?
Gesendet am 20. März 2012 um 14:02
Wenn ich den aktuellen Verlauf mit der Dufourkarte vergleichen, fliesst die Reuss seit über 150 Jahren in etwa gleich. Nur beim Flachsee und zwischen Eggenwil und Künten sind grössere Abweichungen auszumachen. Alte Seitenarme (z.B. mit der Bezeichnungen "Stilli Rüss" bei Rottenschwil) sind aber auch auf der heutigen Karte noch zu erkennen. Diese lassen darauf schliessen, dass die Reuss früher wohl noch stärker mäandriert hat. Das wäre dann wohl ein noch längerer Marsch gewesen...

Endloswandern wäre, wenn man einfach weiterläuft: Aare, Rhein,...

Gruss Tobi

Runner hat gesagt:
Gesendet am 21. März 2012 um 22:12
super Tour - Respekt, alles am Stück!

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. März 2012 um 13:26
Vielen Dank. Könnte man auch locker joggend absolvieren... ;-)

TeamMoomin hat gesagt: Super Tour....
Gesendet am 21. März 2012 um 22:54
hast du da gemacht, muss echt ein tolles Erlebnis gewesen sein. Also falls du mal vorhaben solltest zur Quelle von Luzern aus zu gehen wäre dabei.

Grüsse

Oli

Tobi hat gesagt: RE:Super Tour....
Gesendet am 22. März 2012 um 13:32
In der Tat, ein unvergessliches Erlebnis.

Also von Luzern aus werde ich wohl eher nicht zur Quelle der Reuss laufen. Da müsste man ja zuerst durch den Vierwaldstättersee schwimmen... Die logische Fortsetzung dieses Projekts wäre dann aber sicher: "Woher kommt die Reuss?". Und diese Unternehmung würde ich dann wohl in Flüelen starten. Wird auch so noch lange genug...

Gruss Tobi

Runner hat gesagt: RE:Super Tour....
Gesendet am 22. März 2012 um 16:20
DAS klingt nach einem Running-Projekt ;-) Werde mir dies merken...

TeamMoomin hat gesagt: RE:Super Tour....
Gesendet am 24. März 2012 um 21:14
naja der Vierwaldstädtersee ist auch nicht unendlich mit einer Luftmatraze dabei wäre doch das echt mal eine andre TOur....hmm da gehen mir Gedanken durch den Kopf....mal schauen....

Tobi hat gesagt: RE:Super Tour....
Gesendet am 28. März 2012 um 20:09
Der Vierwaldstättersee regt auch andere zu verrückten Ideen an:
www.row4fun.ch

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 22. März 2012 um 07:47
bin erst durch deine laupen-tour auf dieses unternehmen aufmerksam geworden.

tolle sache. es müssen nicht immer gipfel und felswände sein ;-) ...

muss ich auch wieder mal machen so einen "marsch". nur fehlt bei mir im moment noch die richtige einstellung. aber anhand der bilder würde sich die reuss eigentlich sehr gut eignen.

ein anderes projekt, das mir im hinterkopf schwebt, wäre mal von zürich nach basel zu wandern, da ich diese strecke jahre lang mit dem zug gependelt bin. oder von luzern nach basel? oder umgekehrt?

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. März 2012 um 13:40
Jawohl, ein Tour ohne Gipfel und Felswände. Ein eugen hätte aber wohl in Windisch noch einen Gipfel erklommen. Mit dem Gedanken habe ich einige Kilometer nach dem Abmarsch auch gespielt. Ich wäre dann wohl so ziemlich der Einzige gewesen, der schon mal von Luzern aufs  Gebenstorfer Horn gewandert wäre. Aber nach 15 Stunden hatte ich solche Gedanken komischerweise nicht mehr...

Luzern - Basel, oder doch lieber umgekehrt? Eine interessante Frage, die gut überlegt werden will. Was ist psychologisch besser? Von der Heimat weg zu laufen in neues, unbekanntes Gebiet, oder von dort zu kommen und sich immer mehr dem Vertrauten anzunähern?

Gruss Tobi

kopfsalat hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. März 2012 um 22:27
> Was ist psychologisch besser? Von der Heimat weg zu laufen in neues, unbekanntes Gebiet, oder von dort zu kommen und sich immer mehr dem Vertrauten anzunähern?

meiner meinung nach ist es einfacher in der fremde zu starten und das unbekannte gebiet zu durchschreiten, solange man noch frisch ist. je müder man dann mit der zeit mag, desto näher ist man von zu hause und kann den autopiloten zuschalten und statt mit den füssen "mit dem kopf" laufen.

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 24. März 2012 um 08:06
Hi Tobi,

Na du bist ja schon wieder in Form für Monstertouren in den Alpen im Sommer, gratuliere! Ich würde wohl eher ein Gummiboot nehmen für die Reuss... da waren wir früher mit Militärbooten den von Bremgarten heruntergefahren :-)

Gruss, Andi

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. März 2012 um 20:24
Guten Abend Andi

Danke für die Gratulation. Tja, an der Form muss ich noch etwas arbeiten. Schliesslich sollen im Sommer noch ein paar Höhenmeter mehr dazu kommen. Dafür natürlich etwas weniger Distanz...
Das Gummiboot wäre eine echte Alternative zum Marschieren. Alternativ kann man einen Teil auch schwimmen: www.reussschwimmen.ch

Gruss Tobi

rihu hat gesagt: Gratulation!!
Gesendet am 19. Februar 2019 um 14:56
Salü Tobi

ich brauchte für die ganze Reuss 12 Etappen, Du machst die Hälfte auf einmal. Dabei sind bei mir die beiden Anfänge (Gotthardreuss und Furkareuss) noch nicht einmal enthalten. Aber anscheinend bist Du noch viel jünger und deshalb auch kräftiger.
Nochmals: herzliche Gratulation
Gruss, rihu


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