Überschreitung Südwestgrat-Speer-Nordwestkante-Mattstock


Publiziert von ossi , 13. Oktober 2011 um 06:51.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 4 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Speer-Mattstock   Zürcher Hausberge   Speerkette 
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Weesen-Unterchäseren-Speer Südwestgrat-Speer-Mättler Höhi-Mattstock NW-Kante-Mattstock-Amden
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Autobus Weesen-Amden bis Weesen Post.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Autobus Amden City
Kartennummer:1:25000 Walensee

Die Mattstock Nordwestkante: Seit Jahren schon lese ich die Routenbeschreibung auf der Bettkante sitzend und stelle mir vor, wie sich diese „ungebräuchliche Route über steile, feuchte Hänge (zit. aus dem SAC-Führer 1999) in Natura wohl anfühlen würde. Weder NW-Flanke noch NW-Kante machen –betrachtet man den Mattstock vom Speer aus- einen sonderlich einladenden Eindruck: Tausende Legföhren zieren die Flanken, dazwischen Grasbänder, überwachsene Schutthalden an der Basis: Klingt irgendwie nach Alpinwandern.
 
Speer über Südsporn-Südwestgrat (T4+ oder ev. T5-): Erstaunlicherweise fand ich bisher keine einzige Beschreibung einer Begehung der eleganten Kante, die von Unterchäseren hochzieht bis zum Verbindungsgrat Grappenhorn-Speer. Die Linie ist völlig logisch und sieht nicht mal besonders anspruchsvoll aus.
Tatsächlich: Abgesehen von ein paar Wildspuren findet man keine Trittspuren, obwohl man von Unterchäseren bis zum oben erwähnten Verbindungsgrat immer der Kante folgen kann: Meistens bewegt man sich in der T4-Zone, ganz kurze Passagen können vielleicht mit T5- bezeichnet werden. Neben unzähligen Ameisenhaufen bietet der Aufstieg über diese Kante –nennen wir sie Speer Südsporn- schöne Aussichten ins Mittelland und hinüber zum Mattstock.
Anschliessend folgt man auf durchgehender Wegspur dem Südwestgrat zum Speer. Die Strecke möchte ich durchgehend als T4 bezeichnen, einzelne plattige Passagen auf botanikfreier Nagelfluh verdienen ganz knapp die Bewertung T5-: Insgesamt eine ausserordentlich reizvolle Unternehmung.
 
Mattstock Nordwestkante (T6, II): Eigentlich NW-Flanke, die Kante kommt man höchstens mit der Bohrmaschine hoch. Start auf der Mättler Höhi zwischen Speer und Mattstock. Man steuert die Kante an, die von Pkt. 1803 steil auf die Mättler Höhi abfällt und umgeht diese nach Süden ausweichend. Man gelangt südlich der Kante in eine breite Runse, die den Aufstieg zu Pkt. 1803 erlaubt: Die Runse ist sehr steil. Ich wähle für meinen Aufstieg zuerst eine Rinne und steige dann in der Mitte der Runse in der am stärksten von Legföhren bewachsenen Zone auf: Die freundlichen Föhrenäste bieten zwar zuverlässigen Halt, das felsige Grasgelände ist aber ausserordentlich steil (gut 60° an den steilsten Stellen).
 
Bei Punkt 1803 angelangt, folgt man unmittelbar unter dem Felsband einem deutlichen Gamswechsel nach Südwesten: Zuerst wird ein wenig ausgeprägter Sporn gequert, dann ein deutlich Ausgeprägter. Genau auf dem dritten Sporn (auch deutlich ausgeprägt) hält man an und überwindet das Felsband über eine etwas brüchige kurze Felsstufe. Bald schon hat man die ersten soliden Legföhrenäste in den Krallen und turnt nunmehr einigermassen absturzsicher, aber ausserordentlich mühsam über Abermillionen von Ästen und Tannennadeln durch den Legföhrenurwald, bis man auf flacheres, offeneres Gelände gelangt.
 
Der Weg über dieses offenere Gelände lässt einige Aufstiegsvarianten zu. Ich steuere die grosse Nase an und gewinne den Mattstock Südwestgrat, indem ich eine felsige Rinne gleich rechts (südlich) der grossen Nase zum Aufstieg benutze (II+). Vermutlich kommt man aber auch ohne grosse Kletterei auf den Grat.
 
Die Routenbeschreibung aus dem SAC-Führer (1999) passt nicht genau zur entsprechenden Abbildung im gleichen Buch. Und obwohl die grobe Linie stimmt, so wollen weder Beschreibung, noch Abbildung genau mit der Realität übereinstimmen: Ich hielt mich im Gelände an oben beschriebene Linie, die mir dem Augenschein nach am Logischsten und auch am Einfachsten schien. Jedenfalls hat es so geklappt, auch wenn man diese Tour sicher nicht als Einstiegstour ins T6-Wandern betrachten soll und gehörig Spass zu haben braucht am Durchqueren widerspenstiger Legföhrensträucher.
 
Fazit: Wer bald an einem Schönheitscontest teilnimmt, sollte vor der Begehung besser Arme und Beine bedecken; schöner wird man auf der Tour sicher nicht.

Tourengänger: ossi
Communities: T6


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Kommentare (3)


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Kik hat gesagt: Zur Ehrenrettung der Mattstock NW-Kante
Gesendet am 14. Oktober 2011 um 20:08
Bei der Erstbegehung im Juni 1972 wurden nur geschlagene Haken gesetzt, aber hie und da mal hielt man sich ihnen. Ich reproduziere hier die Beschreibung der Erstbegeher (Godi Dübendorfer, Sepp Pfeifer), wie ich sie damals als Kopie erhalten habe (nur den Teil über Pt. 1803m).
Beim Anbringen des Wandbüchleins war ich dabei und kann bestätigen, dass der Fels oben gut ist, und die 5 Seillängen schöne Kletterei.

"Einstieg 3m rechts der Kante, 4 m über dem Fuss der Felsen (H). Anfangs etwas rechts haltend zu senkrechtem Riss, über Absatz, unter äusserst brüchiger Stelle nach links an die Kante zu zwitem Absatz (35 m 4 H, V). Stand (2 H). 2 m links mit HHilfe über kleinen Überhang, unter folgendem Überhang Querung nach links um die Kante (rechts oben Irrhaken) in senkrechte Verschneidung, über abschliessenden Überhang (Klemmblock), längs fussbreitem Riss auf Grasband, auf diesem Querung nach rechts um die Kante (35 m, 4 H und 1 Hk, 5 a1). Ausgesetzter, aber schöner Stand (H). Querung 5 m nach rechts, durch schönen Kamin auf riesigen abgespaltenen Block an der Kante, über Überhang, durch steile Verschneidung auf geräumigen Schuttplatz (30 m, 5 H, 4 und kurz a2). Stand 5 m rechts der Kante (H, Wandbüchlein). Über blockige Rampe rechts hoch, über kurzes kompaktes Wändchen, links haltend in leichtes Gelände (30 m, 3 H, 1-4). Stand unter grossem überhängendem Block (H). Querung nach links an die Kante, über den kompakten Fels direkt zum Gipfel der V-Platte (25 m, 3).

Beste Grüsse Kik

ossi hat gesagt: RE:Zur Ehrenrettung der Mattstock NW-Kante
Gesendet am 14. Oktober 2011 um 21:06
Vielen Dank!! Das finde ich unglaublich interessant. Wegen der technischen Kletterstellen (a1 und a2) bin ich mir grade nicht so sicher, ob ich das auch versuchen soll. Sicher aber werde ich das mal im Hinterkopf platzieren.

Wirklich sehr spannend
Gruss
ossi

Kik hat gesagt: RE:Zur Ehrenrettung der Mattstock NW-Kante
Gesendet am 14. Oktober 2011 um 21:19
Vermutlich schaffen das heutige Kletternde wie Du ohne Hakengriff, damals hatten wir ja noch schwere Bergschuhe. Übrigens gingen wir auch mal das grosse grasige Couloir links der Kante hoch, das beeindruckendste war der Güsel darin, u.a. 5 (in Worten fünf) alte Schuhe, die die Arbeiter der Lawinenverbauungen am Gipfel dort hinabgeschmissen hatten - Spass beiseite, auf der Mattstock-Nordseite fanden wir sonst kaum Lohnendes, ausser vielleicht noch dem Ausgang der Höhle, die westlich von der grossen Nase etwa 1 Seillänge unter dem Grat den ganzen Grat unterquert.
Gruss Kik


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