Im wilden Egelshorngrabe


Publiziert von Tobi , 23. Februar 2011 um 22:04.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:15 Februar 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Bramboden, Glashütte

Nach längerer Bachwanderungs-Abstinenz wollte ich wieder einmal ein Tobel im wilden Napfgebiet erkunden. Als Initiant der entsprechenden Community fühle ich mich zu solchen Expeditionen hin und wieder schon fast verpflichtet. Geplant war eine einsame und spannende Rundtour durch den Goldbach auf die Änzelegi und wieder zurück durch den Egelshorngraben. Doch es kam dann etwas anders als geplant.

Für mein Auto finde ich bei einem alten Schuppen kurz vor der Haltestelle cff logo Bramboden, Glashütte ein geeignetes Plätzchen. Die Vorfreude auf das folgende Abenteuer ist gross. Voller Zuversicht und ohne gross zu Zögern steche ich gleich hinunter zum Seeblibach. Hier bietet sich mir ein überraschendes Bild: die Nagelfluhwände des Bachbetts sind mit einer dicken Eisschicht überzogen. Dieser Anblick lässt in mir die Hoffnung auf einen erfolgreichen Tag sofort etwas schwinden. Doch auch ohne Eis muss ich nach wenigen Metern Forfait geben und wieder hoch kraxeln. So stehe ich nach einer Viertelstunde wieder auf der Strasse, etwa hundert Meter von meinem Auto entfernt. Etwas deprimiert folge ich nun der bequemen Route auf der Fahrstrasse, welche von der Haltestelle Glashütte wieder hinunter zum Bach und diesem entlang führt.
 
Bei Pt 773 will ich es nun aber wissen und zweige in den Goldbach ab. Optimistisch überwinde ich die beiden ersten Hindernisse in Form eines Gewirrs von Holzstämmen. Doch schon nach etwa fünfzig Meter folgt der nächste Dämpfer: Der Bach zwängt sich durch eine steile Schlucht. Das Wasser zu tief um durchzuwaten, die Felsen zu weit auseinander und zu steil um sich im Spreizschritt durchzukämpfen. Eine Umgehung dieses Hindernisses erscheint mir auch zu wenig erfolgsversprechend, zu steil sind die Flanken links und rechts. Kampflos gebe ich mich geschlagen. Aber der Goldbach hat mich nicht zum letzten Mal gesehen, ich komme wieder.

Was soll‘s, der Egelshorngrabe wartet ja auch noch auf mich. So folge ich weiter dem Seeblibach, der auch einige kleinere Herausforderungen zu bieten hat. Gerade richtig zum Aufwärmen für das folgende Abenteuer. Dieses beginnt bei Pt 836, hier zweige ich in den Egelshorngrabe ein. Und die Karte verspricht nicht zu viel, die Topologie ist äusserst interessant. Enge Schluchten und felsige Stufen wechseln sich ab mit breiten und flachen Abschnitten. So bleibt immer Zeit um etwas zu verschnaufen und sich für die nächsten Herausforderungen zu sammeln. Und diese sind wirklich happig und erfordern einige Kreativität: Felsige Schluchten müssen in abschüssigem Gelände umgangen werden, ein V-Einschnitt will mit der Spreizschritt-Technik gemeistert werden und oft bieten verklemmte und rutschige Holzstämme die einzige Möglichkeit, Steilstufen zu überwinden. Belohnt für diese Mühen wird man mit einer einmaligen Stimmung: An den Seitenwänden des Tobels hängen riesige Eiszapfen und kleben gigantische Eiskaskaden. Ein schöner aber auch gefährlicher Anblick, der nicht zu lange genossen werden sollte. Zumindest nicht direkt darunter. Die riesigen Eisblöcke in der Schlucht warnen unmissverständlich von der Gefahr. Allerdings ist das meiste Eis schon heruntergekracht und die Temperaturen sind heute nicht zu hoch.
 
Ganze 800m kämpfe ich mich in dem abweisenden Egelshorngrabe vorwärts. Auf etwa 900m muss ich dann doch das Handtuch werfen. Ich stehe in einem Nagelfluh-Kessel, dessen Wände sind überhängend. Nun geht es für mich definitiv nicht mehr weiter. Doch aufgrund der Topologie kann leicht aus dem Graben ausgestiegen werden. Ich folge einem bewaldeten Band zwischen zwei Nagelfluhfelsen wieder zurück nach Südosten. Das Gelände ist mässig steil und Bäume und Wurzeln bieten genügend Griffe (T4 - T5). Auf der kleinen Lichtung östlich des Hofes Under Engelshorn habe ich wieder „sicheren Boden“ unter den Füssen.
 
Ich folge dem Pfad auf der 1000er-Höhenlinie und erreiche so den zerfallenen Stall Tomlisbode (987m). Hier steige ich wieder ab zum Bach und folge diesem weiter Richtung Quelle. Die Herausforderungen sind nun eher botanischer Natur. Dieses Totholz-Mikado kann ich zwar noch überwinden, doch schon bei der ersten Felsstufe ist wieder Schluss. Ich gebe mich geschlagen und breche die weitere Begehung ab.

Nun versuche ich einen Ausstieg nach Norden hoch zur Änzischwand zu finden. Ein Sporn vor der Einmündung der beiden Bäche von der Änzischwand herunter scheint mir dafür geeignet zu sein. Eine Wildspur leitet mich durch die Flanke. Anfänglich bewegt sich die Schwierigkeit im steilen Gelände um T4, geht dann aber fliessend ins T6 über. Ebenso nahtlos geht das Steilgras gegen oben immer mehr in Nagelfluh über. Ich muss mir eingestehen, dass ich doch kein Paarhufer bin und klettere behutsam wieder zurück zum Fluss. Etwas weiter östlich entdecke ich eine etwas deutlichere Spur, welche sich durch den abschüssigen Wald hochschlängelt. Es entsteht gar der Eindruck, dass dieser Pfad noch unterhalten wird. Jedenfalls scheinen störende Äste abgeschnitten oder gebrochen worden zu sein. Wenig später wird dies zur Gewissheit: Eine Eisenleiter hilft über eine heikle Passage hinweg. Es handelt sich tatsächlich um einen - zumindest früher - begangenen Weg. Gegen oben verliert sich dieser allerdings immer mehr im Gestrüpp, doch der Waldrand ist bald erreicht. Über die Weide erreiche ich die Änzischwand (1118m).

Nach einer kleinen Stärkung folge ich der Forststrasse zur Oberlusegg, zweige aber kurz vorher ab und steige direkt zur Unterlusegg (1059m) hinunter. Von dort weiter auf der Strasse zum Geissbode (997m) wo ich auf den Wanderweg treffe. Dieser führt mich wieder hinunter zum Seeblibach, wobei ich diesmal auf dem markierten Weg bleibe und übers Drachslis (829m) wieder zurück zum Auto wandere.


Fazit: Der Goldbach verschloss sich heute leider einer Begehung, aber so leicht gebe ich nicht auf. Dafür durfte ich umso wildere Momente und Eindrücke im Egelhorngraben erleben, auch wenn mir eine Begehung des gesamten Grabens nicht gelungen ist. Jedenfalls wurde mein Appetit nach Nagelfluh und Durst nach Napfwasser wieder gestillt. Vor der nächsten solch artigen Unternehmung werde ich vorher noch einen Blick auf die Siegfriedkarte werfen. Dort wäre nämlich der Pfad zur Änzischwand eingezeichnet gewesen.

Tourengänger: Tobi
Communities: Bachwandern


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Kommentare (3)


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ABoehlen hat gesagt: Eindrücklich!
Gesendet am 24. Februar 2011 um 13:21
Gratulation zu dieser Supertour in diesem wilden Gelände!
Um die vielen Pfade zu sehen, die es einst in dieser Gegend gab, muss man nicht unbedingt auf die Siegfriedkarte zurückgreifen, dazu eignen sich auch ältere Ausgaben des Kartenblattes 1169, die man mit etwas Glück in Antiquariaten und auf Flohmärkten findet. Jene Verbindung hinauf nach Änzischwand ist z.B. auf der Ausgabe 1993 noch enthalten. Noch ältere Ausgaben zeigen zudem eine Vielzahl weiterer Wege. Da gäbe es also noch allerhand zu erkunden!

Gruess
Adrian

Tobi hat gesagt: RE:Eindrücklich!
Gesendet am 25. Februar 2011 um 13:00
Vielen Dank für Deine Gratulation und den Tipp.
Für alte Karten muss ich nur bei meinem Vater vorbeischauen, der hat eine ganze Kiste davon. Hoffentlich denke ich vor dem nächste Napf-Abenteuer daran.

Gruss Tobi

Felix hat gesagt: wirklich eine wilde Sache ...
Gesendet am 24. Februar 2011 um 15:49
hast du hier unternommen!
Und Recht habt ihr beide, Tobi und Adrian, mit dem Beizug älterer LK - da findet man noch Hinweise ...

lg Felix


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