Hintere Schwärze 3628m - hoher 3000er im Ötztaler Hauptkamm


Publiziert von alpensucht , 4. Dezember 2010 um 01:59.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:13 Oktober 2010
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:Martin-Busch-Hütte - P.2800 - Pausenplatz Marzellferner - Hintere Schwärze und retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:nur zu Fuß von Vent
Unterkunftmöglichkeiten:Martin-Busch-Hütte

!Datum und Uhrzeit der Bilder stimmen nicht, da die Kamera falsch eingestellt war!

Nun sollte es doch noch klappen mit dem hohen 3000er im Herbst. Meine beiden wesentlich älteren Bergfreunde Heiko und Kalle hatten keine Ambition und Kondition mehr ein solches Unternehmen zu starten und entschieden sich deshalb zur Ötzi-Fundstelle am Tisenjoch zu gehen. Mich nahmen also zwei sehr nette Salzburger, die sich konditionell auf einem sehr hohen Niveau befanden, mit in Richtung Hintere Schwärze.

Wir starteten bei Morgengrauen um 6:15 Uhr in einem sehr hohen Tempo bis zum Punkt 2800m, wo sich der Weg über den Marzellkamm zum Similaun von dem zur Hinteren Schwärze trennt. Das Tempo war für meine Verhältnisse etwas zu hoch, deshalb machte ich hier eine kurze Fotopause und lief dann etwas weiter zurück gefallen hinter den beiden hinab zum Einstieg auf den Gletscher, den man bei etwa 2700m erreicht. Auf diesem Teilstück ist der Weg stark erodiert, es hat große Erdspalten teilweise direkt durch den Weg hindurch und das vom Gletscher übrig gebliebene Geröll und Schuttzeug verlangt eine sehr gute Trittsicherheit, das es teilweise sehr schmierig und steil abwärts geht. Am von Geröll bedeckten Eisrand angekommen, geht man zunächst noch einfach so über die sehr bedeutende Mittelmoräne hinweg, um kurz danach Steigeisen und Seilsicherung anzulegen. An dieser Stelle war es bereits 7:30 Uhr. Ich hatte noch einige Probleme beim anlegen der neuen Kipphebelsteigeisen, da ich diese nur einmal einige Tage vorher kurz zum Test angelegt hatte.

Doch bald ging es erst recht flach bei sehr guter Firnauflage Richtung Süden bis vor das größte offene Spaltensystem des Marzellferners, wo der Weg beginnt in Richtung Osten zu verlaufen. Hier wird der Gletscher auch schon etwas steiler. Um 9 Uhr erreichten wir eine flache und ungefährliche Stelle (3158m), wo wir eine schöne Pause einlegten. Für mich war es ja völlig neu als letzter in der Seilschaft zu gehen, so musste ich mir natürlich erstmal zeigen lassen, wie man am besten den Rest des Seils am Körper befestigt:)

Nach der Pause kam ich dann immer besser mit dem Tempo von Andi und Heidi klar. Zunächst ging es wieder Richtung Süden ziemlich genau auf die Mittlere Marzellspitze zu, wobei man den Marzellferner fast komplett überquert. Kurz bevor wir unseren Weg wieder nach Osten  ausrichten mussten, ging es über eine sehr heikle Spalte, dessen Brücken trotz der späten Jahreszeit noch sehr dünn waren. Wir fanden eine akzeptable, über die wir  mit großer Vorsicht balancierten. Sicherlich verläuft die eigentliche Route etwas westlicher um dieses Spaltensystem herum, jedoch gab es keine Trittspuren auf dem Gletscher, da wohl seit Ende September der Neuschnee kam niemand mehr auf die Hintere Schwärze gestiegen ist (wir verliesen die noch spärlich vorhandenen Spuren bereits lange vor dem Pausenplatz). Diese Schwierigkeit überwunden gelangten wir nun flott zum Einstieg in die Rampe, die auf den Gipfelgrat führt.
Zum Glück spurte hier Andi die ganze Zeit fleißig im zunehmend unangenehmen Bruchharsch!

Um auf die Rampe zu gelangen muss man kurz davor Richtung NNW abbiegen, wo man ein kurzes sehr steiles Stück zu bewältigen hat. Erst etwas länger 45° im Schnitt, dann die letzten paar Meter bis 50°. Diese Abwechslung im Eis bereitete uns im Ab- und Aufstieg gleichermaßen große Freude.
Über die mäßig steile Rampe gelangt man auf den Gipfelgrat, der bei uns zum größten Teil überfirnt war. Kleine, etwas ausgesetzte Stellen sind zu überwinden und die letzten 25Hm werden im I. Grad über teilweise vereisten Fels zum Gipfel flott bezwungen.
Die Aussicht oben konnte wohl nicht besser sein. Von der Reichenspitzgruppe im Osten bis zur Bernina im Westen war alles zu sehen. Nur im Süden war es wie so oft etwas dunstig, jedoch war auch der größte Teil der Dolomiten gut zu erkennen. 10:45 Uhr war also der Gipfel erreicht, es wehte kein Lüftchen.

Jedoch mit dem Gedanken an die dünnen Spaltenbrücken unten am Gletscher hielt es uns keine halbe Stunde oben, denn die Sonne hatte inzwischen eine Menge Wärme entwickelt. So schwitzten wir tüchtig beim absteigen zumindest bis wir in den Schatten der Marzellspitzen eintauchten. Große Freude machte mir besonders das steile Stück, wo endlich mal die Frontzackentechnik wenigstens für einige Meter zum Einsatz kam. Im flacheren Stück gabs wieder viel Bruchharsch, wodurch sich in meinen Oberschenkelstrecker bald Krämpfe andeuteten. Sobald wir wieder aus dem Schatten hinaus kamen ging es wieder besser, da durch die Sonneneinstrahlung die oberste Schicht ausreichend fest gefroren war, so dass man nicht mehr einbrach. 
Als ich kurz die Halterung meines rechten Steigeisens nachziehen wollte, passierte leider eine unerhörte Katastrophe für die Sauberkeit unserer Bergwelt: meine Plasteflasche fiel aus dem offenen Netzfach meines Rucksacks und rutschte sehr weit den Gletscher hinab, bis wir sie nicht mehr sahen!! Ich schäme mich auch wirklich dafür... :)
Den Gletscher verließen wir etwa um 14 Uhr, wo ich den eindrücklichen Rand des dunklen Eises bestaunte. Es ist einfach immer wieder erstaunlich, welche Mächtigkeit das Eis selbst nur in dieser Höhe noch hat!
Auf dem restlichen Rückweg, auf dem Andi und Heidi quasi wieder vorn weg rennen, lege ich mich darauf fest ab nun jedes Jahr im Herbst solche Touren zu machen, falls es die Schneebedingungen zulassen. Der Herbst ist eben wunderschön in den Bergen.
Die Hütte erreichte ich um ca. 15:15 Uhr. Insgesamt also 9 Stunden auf Tour gewesen.

Später recherchierte ich online über die einzige Erklärung für mich, warum Andi über eine solch starke Kondtion am Berg verfügte: Er war von Anfang Juli bis Mitte September mit Freunden auf der Grenze Salzburgs unterwegs, so dass sie das Land Salzburg komplett umrundeten...80000Hm und rund 70 Tage zu Fuß... das reichte mir vollkommen als Erklärung.

Um den Gipfel der Hinteren Schwärze anzugehen, sollte man allerdings über eine gute Kondition verfügen, auch wenn man die Martin-Busch-Hütte als Stützpunkt hat. Im Hochsommer muss unbedingt sehr zeitig aufgebrochen werden, weil der Marzellferner sehr spaltenreich ist; man kann nur im unteren Teil auf Fels ausweichen. Ansonsten ist die Hintere Schwärze ein sehr lohnendes Tourenziel, schon weil sie einer der höchsten im Ötztaler Hauptkamm ist. Und weil der Similaun in unmittelbarer Nähe mit leichterem Normalweg, aber viel größeren Bekanntheitsgrad viel häufiger besucht wird, kann man sogar (zumindest im Herbst) den Vorzug der Bergeinsamkeit genießen.

Mit diesem Tag beschlossen wir leider unsere schöne Zeit auf der Hütte, von der wir am nächsten Tag morgens nach Vent abstiegen. Da schon der Aufstieg zur Hütte von mir beschrieben wurde, lasse ich den Abstieg sinnvollerweise weg.
Nun musste Heiko also weiter auf seine erste Gletscherbegehung warten. Wir verschoben dies auf nächsten Sommer. Dabei hatten wir extra Gletscherausrüstung für ihn beim Gipfelgrat in Dresden ausgeliehen, da der Similaun ein optimaler Berg für Hochtourenanfänger ist, was man von der Hinteren Schwärze nicht sagen kann.

Tourengänger: alpensucht


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