I bi ne Ämmitaler....


Publiziert von laponia41 , 15. November 2010 um 11:07.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Emmental
Tour Datum:13 November 2010
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 250 m
Strecke:23 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Burgdorf
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Langnau

Ein Emmentaler bin ich durch und durch. Im Emmental geboren und aufgewachsen, Mitglied der SAC Sektion Emmental, grosser Liebhaber von echtem Emmentalerkäse, Heimweh nach Emmentaler Gräben, Krächen und Eggen. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, wenn ich jährlich mehrmals zwecks Einkauf von Burgdorf der Emme entlang nach Langnau pilgere. Bewusst verwende ich in diesem Bericht typische Emmentaler Ausdrücke, die ich untenstehend in einem Glossar erkläre.

Heute will ich wieder einmal dem Schloss Burgdorf einen Besuch abstatten. Deshalb steige ich vom Bahnhof Burgdorf hinauf in die Altstadt und weiter auf die Burgflühe. Sie ist nach wie vor imposant, diese Zähringerburg, das Wahrzeichen des unteren Emmentals. Burdlef weckt in mir viele Jugenderinnerungen, lädele im legendären Kaufhaus Strauss, die Teilnahme an der Solätte.

Sind die armen Sünder da hinauf oder hinabgestiegen? Ich wähle den Abstieg und bin nach wenigen Minuten bei der Waldeggbrücke. Beim Anblick der Emme fühle ich mich ganz als Ämmegiel und kann mich voll den nostalgischen Gedanken hingeben. Bald rauscht die erste Trumschweli, bald zweigt der erste Kanal ab. Die Ebenen des Emmentals sind durchzogen von einem Kanalnetz, das in der Frühzeit der Industrialisierung unzählige Wasserräder antrieb und die Fabriken mit dem nötigen Wasser versorgte. Weil diese "Emmentaler-Suonen" ökologisch sehr wertvoll sind, werden sie immer noch unterhalten.

Nach der Heimiswilbrücke wandere ich im Schächli auf den schmalen Wägli, die dicht dem Ufer entlang führen. Ich kann dabei beobachten, wie in den letzten Jahren das Bett der Emme verbreitert wurde und neue Wasserläufe hinaus ins Schächli führen. Der Natur wird zurückgegeben, was ihr vor Jahrzehnten genommen wurde. Geblieben ist für den Hochwasserschutz der Täntsch, der das Kulturland und die Wohngebiete vor Überschwemmungen schützt.
Im Schächli wachsen übrigens in rauhen Mengen die Nielen. Die hohlen Ästchen dieses Strauches waren für uns Giele Zigarettenersatz. Ich konnte mich mit diesem fürchterlich Kraut nicht anfreunden. Meine Vorliebe galt den Ämmeschiggen!

Kurz vor Hasle-Rüegsau bewundere ich die alte Holzbrücke. In meiner Jugend habe ich sie am historischen Standort erlebt. Einer meiner Lehrer war der Initiant für den Abbruch und Wiederaufbau 500 Meter flussabwärts.Schöne Holzbrücken gibt es eben auch im Emmental. Da hätte wohl auch Seeger seine Freude daran!

Rüegsauschachen. Mir wird wieder bewusst, dass ich nur ein Schächeler war und immer noch bin. Die Schachendörfer (Trubschachen, Rüderswilschachen, Rüegsauschachen) wurden in früheren Jahrhunderten immer wieder von Überschwemmungen heimgesucht. Die Bewohner dieser Dörfer waren arm und im Elend dem Trunk ergeben. Statt dass die Härdöpfu als Röschti auf den Tisch kamen, wurde daraus Härdöpfler oder Charschtzinggesirup gebrannt. So zu lesen bei Gotthelf in der Erzählung "Wie fünf Mädchen jämmerlich im Branntwein umkommen". Die Schächeler waren willkommene und billige Arbeitskräfte in den vielen Fabriken, die in den Schachendörfern gebaut wurden.

Nach der Überquerung des Hängelistäg geht es weiter Richtung Lützelflüh. Dieses Dorf nannten wir Ämmegiele despektierlich Lüsuflö. Und schon kommt die nächste schöne Holzbrücke, am alten Standort, aber in Gesellschaft einer neuen Betonbrücke und der Eisenbahnbrücke.

Bei der Gohlhausbrücke ist etwa Halbzeit. Nun muss ich mich beeilen, um rechtzeitig vor Ladenschluss nach Langnau zu kommen. Deshalb die nächsten Stationen mit mehr Tempo im Bericht:
- Wannenflue. Kleinkraftwerk und Felsenhäuser
- Rüderswilsteg: Wechsel auf die andere Flussseite
- Kurz vor Zollbrück: sorgfältig restaurierte historische Fabrikgebäude
- Neumühle: Brücke und Mühle mit Wasserrad
- Obermatt: Verzweigung der Bahnlinien Langnau - Burgdorf und Langnau - Bern
- Obermatt: Zusammenfluss von Emme und Ilfis
- Ankunft in Langnau. Dorf an der Ilfis - nicht an der Emme!

Glossar

Ämme Emme
Ämmeschigg Harte Caramelplättchen mit Schokolade überzogen
Berthoud, Burdlef, Burtuf Burgdorf
Charschtzinggesirup Kartoffelschnaps
Giele Knaben, Burschen
Hängelistäg Hängesteg
Härdöpfler Kartoffelschnaps
Härdöpfu Kartoffeln
lädele einkaufen
Lüsuflö Läuse und Flöhe
Niele Waldrebe
Schächeler Einwohner eines Schachendorfes
Schächli Auenwald an der Emme
Solätte Solennität, Jugendfest
Täntsch Damm
Trumschweli Künstliche Stromschnelle
Wägli Pfad

Tourengänger: laponia41
Communities: Flusswanderungen


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Kommentare (5)


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saebu hat gesagt: ooooooooh
Gesendet am 15. November 2010 um 15:23
bi däm schöne Bricht, schlat ds'Härz vomene Ämmitauermeitschi grad höcher; es heimelet mer.

liebe Gruess Säbu

Felix hat gesagt: herrlich, erfrischend!
Gesendet am 15. November 2010 um 18:14
Schön, kunstvoll gemacht, Peter - merçi!

lg Felix

budget5 hat gesagt: Spannend
Gesendet am 15. November 2010 um 19:21
Das Berndeutsch mit dem anschliessenden Glossar erinnert mich irgendwie an das Buch "Sofareisen" von Stiller Has Sänger Endo Anaconda...nur ist der nicht wirklich sportlich ;-)

Seeger hat gesagt: Gedeckte Holzbrücken
Gesendet am 16. November 2010 um 08:45
Grüezi Peter
Du hast richtig getippt. Schön, dass Du genau in dieser Zeit an mich denkst, wo mir ein absoluter Coup gelungen ist: Die 7 Brücken im Neckertal in einem Tag:
http://www.hikr.org/tour/post30156.html
Dein Bericht ist einsame Spitze. Nicht nur das Berndeutsch - aber es hüeft.
Liebe Grüsse aus dem verschneiten Appenzellerland
Andreas

Raphael hat gesagt: Gruess vom Ämmitau-Fan...
Gesendet am 19. Juni 2011 um 17:53
Einen lieben Gruß an den Original-Emmentaler von einem, den es immer wieder in diese wundervolle Region zieht. Ich war nun fast zwei Jahre nicht mehr dort und ich kriege schon fast ein wenig Heimweh, wenn ich mir Deinen Tourenbericht durchlese, Also... im Herbst komme ich wieder und wenn das Wetter mitspielt, wandere ich auf die Krone des Emmentals...

Gruß aus dem Oberbergischen Land, Raphael


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