Üntschenspitze (2135m) Westgrat - Himmelsleiter aus Gras (Stairway to Heaven)


Publiziert von Jackthepot , 5. August 2010 um 20:50.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 1 August 2010
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1270 m
Abstieg: 1270 m
Strecke:Schoppernau-Üntschele-Westgrat-Gipfel-Häfnerjoch-Pisialpe-Schoppernau
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Rheintalautobahn A 14 - Bregenzer Wald-Bundesstrasse B200 bis Schoppernau - in Schoppernau-Oberdorf links abbiegen -> Gschwend - Parkplatz bei Lastenlift Alpengasthof Neuhornbach.
Kartennummer:Kompass Nr. 3 Allgäuer Alpen / Kleinwalsertal

Die Üntschenspitze (auch Üntscheler genannt) ist der Traum eines Grasbergs. Ein Gipfel von eleganter Form mit bis 1000m hohen, extremen Grasflanken im Süden wie im Norden. Die Aussicht vom Gipfel auf die Hotvolee des Bregenzer Waldes, des Lechquellengebirges, der Lechtaler und Allgäuer Alpen ist überwältigend.
Der Üntscheler ist ein Wanderberg. Der normale Anstieg erfolgt im Süden von Hopfreben an der Bregenzer Wald Straße aus zum Häfner Joch oder im Norden von Schoppernau durch das Tal des Schrecksbachs über die Pisisalpe zum Häfner Joch und von dort aus zum Gipfel - hierfür braucht man jeweils 3h - 3,5h Stunden.
Ich bewunderte seit Jahren im Winter vom gegenüberliegenden Familienskigebiet Diedamskopfs aus den steil zum Gipfelgrat ziehenden Westgrat - dieser Grat musste es sein...

Der Aufstieg ist recht einfach beschrieben: ab Parkplatz bei der Lastenliftstation des Alpengasthofs Neuhornbach geht es auf einem Fahrweg ca. 300m im Wald leicht bergauf, bis ein Wegweiser nach rechts weist "Paradiesrundweg" . Nach 100m quert man auf einer Holzbrücke den Schrecksbach und erreicht kurz danach die Häusergruppe des Üntschele. Dort vor dem ersten Haus weglos gleich nach links über die Wiese leicht ansteigend auf den  Waldrand zuhalten, in den Wald hinein und auf undeutlichen Spuren solange weiter bis man alsbald eine deutliche Abbruchkante erreicht. Zuerst dieser Kante und dann weiter oben, dem sich daraus entwickelnden Westgrat folgen bis zum Gipfel.
Es gibt keine Wegweiser oder Markierungen. Im unteren Teil -einem immer steiler werdenden Hochwald- folgt man im endlosen Zickzack den wenigen, kaum sichtbaren Trittspuren.  Tip: immer in der Nähe der Gratkante bleiben, auch wenn eine verlockende, vermeintlich einfachere Pfadspur nach rechts in die grasbewachsene Tiefe des Hochwaldes führt. Die verzweigten Wurzeln der Bäume, die sich an die immer höher werdende Abbruchkante klammern sind die beste Aufstiegshilfe. Ein paar Felsen, ein paar umgefallene Bäume werden immer rechts umkurvt...aber oberhalb sofort wieder zurück zur Abbruchkante.
Nach einer ca. Stunde steilt der Hang immer mehr auf (permanente Sturz- & Abrutschgefahr!!). Ein Felsriegel versperrt die Anstiegs-Trasse und vereinigt alle Pfadspuren, er wird links umkurvt. Ein kleiner flacher Platz oberhalb lädt zur Rast ein. Jetzt hat sich ein deutlicher Grat gebildet - auf guter Spur geht's weiter steil bergan. Der Wald wird lichter. Der Weg drängt plötzlich links ab in den Hang und endet auf einer Wiese mit kniehohem Gras. Ich folge Spuren, die sich bald als Tierspuren herausstellen - zwecklos. Also wieder dem alten Grundsatz folgen 'zurück zum Grat'...und tatsächlich, dort 'menschliche' Pfadspuren....weiter geht's steil bergauf. Ein Geröllkar öffnet den Blick bis zum Talgrund der Bregenzer Ache nach Westen. Ein dichter, mangrovenartig wirkender Buchenhain wird mittig durchquert, bis schließlich alle Bäume/Büsche zurückweichen und den erstmalig den Blick auf die extrem steile, grasbewachsene Nordflanke und das Gipfelkreuz freigeben. Steiler, immer steiler werdend ... man muß den Kopf schon weit in den Nacken legen ... baut sich sich der nun fast baumlose Grat zur ersten Kuppe des Gipfelgrates auf . Der Westgrat stellt dem Bergsteiger an seiner Schneide nun immer wieder Felsgruppen entgegen, die aber leicht -mal rechts, mal links herum- aber zunehmend luftig überkraxelt werden. Oftmals ist ein kräftiger Griff in dichte Grasbüschel der einzige Halt, den man hat. Erst als die erste Kuppe des Gipfelgrates erreicht ist, wird der Anstieg angenehmer, breiter, flacher. Auf den letzten 150mH Gratschneide stellt die Üntschenspitze -fast schon motivationslos- 2 Felssperren mit tw. losem Blöcken in den Weg, die einfachst überkraxelt werden können; die Luft anhalten darf man noch kurz auf einer 10m langen, knapp 50cm breiten  Schneide (rechts und links eine grasige Rutschbahn bis in den jeweils 1000m tiefer gelegen Talgrund)... und schon bald ist das Gipfelkreuz ist erreicht.

Der Ausblick in alle Himmelsrichtungen ist fantastisch. Besonders beeindruckend, die wuchtige Gestalt des Widdersteins im Osten, die eng gestaffelten, abwechslungsreich aufgebauten Gipfelgestalten des Lechquellengebirges und Bregenzer Walds im Süden und Südwesten. Den grünen Talgrund von Au/Schoppernau begrenzt jäh der schräge Felsklotz der Kanisfluh und in der Ferne ist das silbrige Band des Bodensees zu erkennen.
Bemerkenswert auch, dass man ständig von 'zig unterschiedlichen, hektisch umherfliegenden, lästigen  Fliegen umgeben ist, was wohl auch auf den grasigen Aufbau des großzügigen Gipfels zurückzuführen ist  ;-((.

Der Abstieg:
Zuerst auf guten Pfad ostwärts hinab zum Häfner Joch (1979m). Die Entscheidung auf den nahen Gipfel der Güntlespitze zu verzichten (ca. 20min) fiel in Anbetracht der zunehmenden, unerträglichen Schwüle die über die Grasflanken heraufzog und des dafür zusätzlichen Zeitbedarfs von ca. 1h ziemlich leicht.
Über saure Wiesen auf mäßig gutem Pfad zunächst hinab zur urigen Häfenalpe. Dann auf noch übleren Pfaden, teilweise matschig von Kühen zertrampelt, teilweise mit viel losem Geröll versehenem, tief ausgeschwemmten Pfaden weiter hinab. An der Westflanke, des von vielen rauschenden Bachläufen durchzogenen Hochstarzel (1974m) und Starzeljochs (1867m) in weitem Bogen flacher talwärts bis zur Pisialpe. Von dort auf bequemer Forststrasse noch gut 1h bis ins Tal zum Ausgangspunkt.

Fazit Westgrat:
Wer nicht absolut einsam im Wald den Weg suchen will; wer nicht die meiste Zeit des Aufstiegs im Wald auf den Halt einer winzigen Fläche der Sohlenkante/Fußspitze in tw. sehr steilem Gelände vertrauen will; wer nicht undeutlichen Spuren im hohen, rutschigen, steilen Gras folgen will (weil das der Weg ist); wer sich nicht vertrauensvoll an einem Grasbüschel hochzieht -als letzte verbleibende Steighilfe-  mit dem Risiko, dass Grashüpfer ins Gesichtspringen oder hektische Spinnen über den Arm laufen ("mitten drin statt nur dabei") oder im schlimmsten Falle eine längere Rutschpartie in der West- bzw. Nordflanke droht....der hat am Westgrat der Üntschenspitze nichts zu suchen.
Wer allerdings genau das oben angeführte sucht (mit Ausnahme der Rutschpartie), der wird erkennen, dass weglos nicht ziellos bedeutet und der wird zu seiner eigenen Überraschung erleben, daß unsichtbar unter den langen Grashalmen doch irgendwie immer Absätze/Stufen/Tritte befinden, wie auf einer Leiter...dass der Bergschuh eben doch immer ausreichend Halt findet und somit sich das manchmal etwas angespannte Nervenkostüm beruhigen kann.
Allen jenen:  viel Spaß auf der Himmelsleiter aus Gras - dem grasigen "Stairway to Heaven."

Bei Feuchtigkeit und im Abstieg GEFÄHRLICH!!



Tourengänger: Jackthepot
Communities: Allgäu


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Kommentare (1)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 15. Oktober 2011 um 22:42
Hallo Harald,

mit dieser Tourenbeschreibung sollten wir den Zustieg im unteren Teil auch finden. Abwärts hätte ich heute doch Bedenken gehabt.

Gruß
Hanspeter


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