Altenalptürm, Östl. und Mittlerer Turm - anders als geplant (The answer, my friend, is blowing...)


Publiziert von marmotta , 11. Juni 2010 um 01:06. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:10 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Wasserauen - Seealpsee - Altenalp - Filderbettersattel - Altenalptürm, Ostgipfel - Filderbettersattel - Altenalptürm, Mittelgipfel - Lötzlisalpsattel - Öhrlisattel - Öhrli (nur Berglurch) - Hängeten, Westgipfel - Hinter Öhrligrueb - Nasenlöcher - Dreihütten - Chammhaldenhütte - Schwägalp
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wasserauen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Schwägalp
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

Eine weitere Folge aus der Reihe "Wilde und selten bestiegene Alpsteingipfel"

Die Überschreitung der Altenalptürme war -lange vor Beginn des Sportkletter-Hypes- eine klassische alpine Unternehmung im Alpstein, die recht häufig gemacht wurde und entsprechend beliebt war. Schon als kleiner Bub war ich fasziniert von den Erzählungen und Fotos meines Vaters, der diese schöne Kletterfahrt des öfteren mit seinen Bergkameraden unternommen hatte. Besonders beeindruckt hatten mich schon dazumals die Fotos, wie mein Vater über den sog. "Reitergrat" kletterte bzw. ritt. Seitdem träumte ich davon, diese Tour irgendwann einmal selbst zu unternehmen und in das uralte Gipfelbuch zu schauen, wo ich vielleicht in den 70ern noch den Namen meines Vaters und seiner Kameraden entdecken würde. Neu geweckt wurde mein Verlangen dann mit Veröffentlichung dieses Berichts mit den mehr als anmächeligen Bildern von Alpin_Rise und ossi bei ihrer Reitstunde...

Die Vorzeichen waren denkbar ungünstig: Zum einen war für heute der bislang heisseste Tag des Jahres gemeldet, zum anderen sollte der älteste Appenzeller im Alpstein sein Unwesen treiben - rund um den Säntis tobte ein Föhnsturm mit Böen bis zu 90 km/h, so dass sowohl sämtliche Bergbahnen (Hoher Kasten, Säntis, Ebenalp) als auch das Appenzellerbähnli ab Weissbad ihren Betrieb eingestellt hatten. Letzeres hat mich auf der Anreise dann doch einigermassen verwundert, aber vielleicht hat es da ja auch mal einen Unfall gegeben und man ging auf Nummer Sicher.

Berglurch und ich wollten es dennoch probieren und uns die Situation vor Ort anschauen, wenngleich unser Unterfangen, ausgerechnet an diesem Tag eine der exponiertesten Gratklettereien im Alpstein durchzuführen, angesichts der Verhältnisse eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Es fing gleich "gut" an: Als ich um 7.07 Uhr planmässig in den Interregio-Zug Richtung Zürich-Biel via Weinfelden stieg, wo ich in den Zug nach Gossau umsteigen wollte, war von Berglurch weit und breit nichts zu sehen. Der sass nämlich in der S-Bahn nach Romanshorn, um via Voralpenexpress nach Herisau und ins Appenzellerbähnli zu gelangen, wo wir uns dann schlussendlich doch noch trafen. Ab Weissbad war dann wegen der oben erwähnten föhnbedingten Betriebseinstellung ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Und hier hatten wir das 2. Mal an diesem Morgen Glück, dass wir überhaupt die Tour gemeinsam starten konnten. Der Bus nach Wasserauen fuhr sofort los - jedoch ohne Berglurch, der durch eine Horde Kinder, die offenbar auf Schulreise waren, aufgehalten worden war. Dank meiner sofortigen Intervention beim Buschauffeur konnte der Kletterpartner dann doch noch an Bord genommen werden. Hoffentlich waren die kleinen Missgeschicke kein schlechtes Omen für unsere Tour!

Vom Bahnhof Wasserauen marschierten wir bei bewölktem Himmel und bereits auffrischendem (Föhn-)Wind zügig hinauf zum Seealpsee - ein Top Spot im Alpstein und vielleicht das am häufigsten für Ansichtskarten u.ä. fotografierte Sujet. Von dort auf gutem, aber recht stotzigem Alpweg zur Altenalp und -teilweise über die Alpwiesen abkürzend zum Säntisweg unterhalb der Altenalptürm. Nach ca. 1,5 h hatten wir den Filderbettersattel und damit den Einstieg zum Östlichen Altenalpturm erreicht - bereits hier blies uns der Föhnsturm fast den Hang hinunter.

Östlicher Altenalpturm, ca. 1995 m (T6, I)

Die Aufstiegsroute ist im Bericht von ossi bestens beschrieben. Angesichts des rund um die Altenalptürme tobenden Föhnsturms hielten wir es mittlerweile für aussichtslos, über den sehr exponierten "Reitergrat" zum Mittelgipfel zu gelangen. So liessen wir unsere Kletterausrüstung gleich am Filderbettersattel und stiegen "just for fun" mal zum Ostgipfel hoch, um uns den Reitergrat zumindest einmal aus der Nähe anzusehen. 

Vom Sattel zwischen dem unbedeutenden Vorgipfel und dem Östlichen Altenalpturm erfolgt der Aufstieg in einer steilen Schrofenrinne mit sehr brüchigem und unzuverlässigem Fels. Nachdem ich so ziemlich jeden zweiten Griff in der Hand hatte, grauste mir bereits vor dem Abstieg, den wir ja ursprünglich gar nicht eingeplant hatten. Das Gelände ist sehr abschüssig und es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass ein Fehlgriff oder -tritt fatale Folgen hätte. Desweiteren ist das Tragen eines Helms dringend anzuraten. Wir gerieten im Abstieg in einen gewaltigen Steinschlag, wo wir beide mehr Glück als Verstand hatten, dass uns die teils riesigen Brocken nicht erschlugen. Ein Treffer auf Berglurchs Hand und meinen Rücken durch jeweils  knapp faustgrosse Steine waren zwar schmerzhaft, blieben aber für den weiteren Verlauf der Tour ohne Folgen. 

Beim Ausstieg an der Scharte, von der ein -stellenweise ziemlich exponiertes- Grätchen zum Gipfel des Östlichen Turms führt, mussten wir uns wieder besonders gut festhalten, um nicht geradewegs über die Kante zur 400 m tiefer gelegenen Altenalp gefegt zu werden. Berglurch hatte hier genug vom Wind, ich tastete mich noch vorsichtig auf einem Bändchen südlich des Gipfelgrats zum höchsten Punkt hinauf, der lediglich von einer Andeutung von Steinmann geziert wird (4 grössere Steine liegen dort oben, wer Zeit -und weniger Wind- hat, darf hier gerne mal einen Steinmann bauen...)

Der Abstieg auf der Südseite entlang des Gipfelgrats war aufgrund des abfallenden Geländes dann deutlich unangenehmer, der Tiefblick nach rechts trug auch nicht unbedingt zur Stärkung der Nerven bei. 

Im oberen Bereich des Abstiegs von der Scharte ist das Gelände recht gut gestuft (Bänder), so dass der Abstieg hier -wie auch ganz unten ab dem Vorgipfel- unproblematisch ist (T4-T5). Die steile und brüchige Schrofenrinne im mittleren Teil hingegen verlangte unseren Nerven einiges ab, zumal der Föhnsturm immer wieder erbarmungslos auch hier hineinpfiff und die Gefahr bestand, beim Absteigen bzw. Abklettern das Gleichgewicht zu verlieren. In einem Teil der Rinne haben wir mit einer Reepschnur gesichert (Haken vorhanden), die aber natürlich nicht bis ganz runter gereicht hat.

Mittlerer Altenalpturm, 2031 m (T6, II)

Nach geglücktem Abstieg zum Filderbettersattel trat dann Plan B in Kraft - ich wollte ja noch immer auf den Mittelgipfel und über diesen auf den Westgipfel mit dem Gipfelbuch. Wenn´s schon nicht über den "Reitergrat" geht, dann eben direkt von Süden auf der hier von Delta beschriebenen Route. Einzige echte Kletterstelle stellt eine ca. 4 m hohe Wandstufe dar, die im II. Grad überwunden werden kann. Der weitere Aufstieg erfolgt über eine steile, aber gut gestufte Grasrinne bis hinauf zum Gipfelsteinmann des Mittleren Altenalpturms (P. 2033), dem höchsten der drei Türme. Der Übergang von hier zum Westlichen Turm (2019 m) ist nicht eigentlich schwierig (ca. T5, I), aber -vor allem zu Beginn- sehr exponiert. Es sah schon sehr verlockend aus , wäre aber angesichts der hier oben tobenden Föhnwinde kaum zu verantworten gewesen. Diesmal verspürte auch ich keinerlei Lust auf einen erneuten Balanceakt - im übrigen sollte man das Glück auch nicht zu sehr herausfordern, unsere Schutzengel hatten wir schliesslich schon beim Abstieg vom Östlichen Turm (Steinschlag) arg strapaziert...

So traten wir den Abstieg zum Säntisweg auf der Aufstiegsroute an und hoben uns den Westlichen Turm für die Gesamtüberschreitung (über den Reitergrat) auf. Solange muss das Gipfelbuch noch warten.

Da wir nicht die gleiche Route nach Wasserauen zurückgehen wollten, setzten wir unsere Reise in Richtung Lötzlisalpsattel - Öhrlisattel fort, von wo Berglurch noch schnell aufs Öhrli (2193 m) sprintete, bevor wir anschliessend gemeinsam durch den Nordkamin auf den Westlichen Gipfelzacken der Hängeten (ca. 2190 m) kletterten. Die anregende Kletterei durch den teils glattwandigen Kamin (T5, II) konnten wir im Lee des Föhnwinds endlich einmal in Ruhe und ohne Gebläse geniessen - fast eine Wohltat an diesem Tag!

Beim Abstieg von der Hinter Öhrligrueb über den blau-weiss markierten "Nasenlöcher-Weg" riss die Wolkendecke dann doch noch auf und es wurde drückend heiss, so dass wir froh waren, als wir kurz nach 17.00 Uhr die Schwägalp erreicht hatten, wo wir uns eine Erfrischung gönnten, um dann mit dem (an Werktagen) letzten Postauto um 17.22 Uhr nach Urnäsch zur Appenzellerbahn hinunterzufahren.

Trotz der Unbillen des Föhnwetters war´s wieder einmal ein schöner Tag im Alpstein. Danke Berglurch für die Begleitung (und das Tragen des Seils und diverser Eisenwaren, die leider völlig umsonst waren)! 

  


Tourengänger: Berglurch, marmotta
Communities: T6, ÖV Touren


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