Falken Finale


Publiziert von TobiasG , 10. November 2024 um 15:05.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 7 November 2024
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mautstelle an der Eng, wenn Mautstraße offen, P4
Kartennummer:AV-Karte 5/2

Als ich am 22.09. auf der Raffelspitze stand und den tief verschneiten Hauptkamm sah, hatte ich die Saison schon fast abgeschrieben und überlegt, was man noch an kleinen Wanderungen machen könnte. Die eigentlich geplanten Falken erschienen unerreichbar. Die Verhältnisse haben sich aber günstig entwickelt und so kam es, dass ich nach zwei Touren doch noch auf allen Gipfeln des östlichen Asts der Falkengruppe stand. Die Falkenkarumrahmung hatte ich gedanklich aufs nächste Jahr verschoben. Bei der Suche nach einer weiteren gemeinsamen Tour mit Stefan (Herr_hase) kam das Thema dennoch immer wieder auf, und da nur wenige Unklarheiten bezüglich einzelner Wegstrecken blieben, konnte ich der Versuchung (glücklicherweise) nicht widerstehen.
 
Am 7.11. sollte es dann so weit sein. Ist der November die optimale Zeit für diese Tour? Nein, längere Tage sind hier definitiv besser, aber man muss nehmen, was man bekommt. Da die Mautstraße in die Eng mittlerweile gesperrt ist, starten wir um 6:30 Uhr am Parkplatz an der Mautstelle mit den Rädern in Richtung Falkenkar. Nachdem wir beide keine großen Fans steiler Fahrwege sind, geht es ab dem Abzweig in Richtung Johannestal/Falkenhütte zu Fuß weiter. Der Weg ins Falkenkar bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Erläuterung. Erstaunlich: Selbst der Wasserfall ist nur noch ein Rinnsal und weiter oben gibt es gar kein Wasser mehr.
 
Wir wollten die Runde mit dem Kleinen Falk beginnen, der Zustieg erfolgte daher durch das Falkenkar und die Ostflanke des Kleinen Falken. Diesen Weg hat Stefan bereits beschrieben. In meinen Augen ist dieser Zustieg eine durchaus lohnende Ergänzung, da man sich hier bereits „warmklettern“ kann. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Gefahr eines Verhauers hier nicht gering ist und das stellenweise bröslig ausgesetzte Gelände bereits erste psychische Reserven beanspruchen kann, die später noch von Nöten sind. Gerade die Rinnen bieten aber tolle Kletterei in meist bestem Fels. Da ich den Normalweg auf den Kleinen Falk nicht kenne, kann ich hier keinen Zeitvergleich anstellen, vermute aber, dass er etwas schneller gehen könnte, gerade wenn man mit der Wegfindung in der Ostflanke nicht vertraut ist. Außerdem kommt man bei unserem Weg schon ein Stück weiter südlich, am Grat zum Risser Falk heraus und muss daher zurück zum Kleinen Falk. Wir sind bloß bis zum Steinmanngipfel gegangen, was aber auch schon etwas Zeit beanspruchte.
 
Nun folgt das größte uns noch unbekannte Stück, der Übergang vom Kleinen zum Risser Falk. Die Wegfindung ist hier eigentlich relativ simpel, da man im Wesentlichen am Grat bleibt. Es gibt auch einige Wegspuren und Steinmänner, die aber eher bestätigend sind, als weisende Funktion zu haben. Ein Gespür für derartiges Gelände sollte man aber haben, um den jeweils leichtesten Weg zu finden. Die Kletterschwierigkeiten bewegen sich überwiegend im II. Schwierigkeitsgrad mit einigen Ausreißern nach oben, die mit II+ oder nach neueren Bewertungsmaßstäben wohl mit III-/III zu bewerten sind. Der Fels ist fast immer relativ kompakt, das Gelände stellenweise aber sehr ausgesetzt, gerade ins Falkenkar pfeift es manchmal sauber runter. Hervorzuheben ist der Abstieg vom letzten Gratturm, der von Ali mit einem schönen Topo dargestellt wurde. Man klettert hier über mehrere Vorsprünge ab, die zwar hervorragende Griffe bieten, aber zwischendurch quasi keine Tritte. Immer wieder muss also ein Fuß auf Reibung gesetzt werden, um mit dem anderen den nächsten Tritt zu erreichen, bevor man schließlich über die Ostflanke in die Scharte vor dem Gipfelaufbau des Risser Falken gelangt. Zumindest psychisch dürfte dies eine der Schlüsselstellen der Tour darstellen, da dieses Manöver quasi in Falllinie einer Rinne, die direkt und gefühlt nahezu senkrecht ins Falkenkar führt, zu absolvieren ist. Oben ist ein Abseilstand aus (noch) guten Seilen eingerichtet, so dass das schwerste Stück oder der ganze Gratturm auch abgeseilt werden kann.
 
Nach diesem Abschnitt geht es weiter am Grat auf den Risser Falk. Man kann hier später auch in die sanftere Ostflanke ausweichen oder noch ein paar schärfere Stellen am Grat klettern. Am Risser Falk hat man dann ein tolles Panorama, das bei den perfekten Verhältnissen wirklich beeindruckend war. Im Süden der Hauptkamm, im Norden das Vorkarwendel und dahinter ein Meer aus Hochnebel. Alles richtig gemacht, heut unterwegs zu sein!
 
Nach einer kleinen Pause geht es aber auch schon weiter. Der Abstieg vom Risser Falk erfolgt zunächst auf dem Normalweg Richtung Grüne-Rinn-Scharte. Es gibt hier einige Steinmänner, wobei man auch ein Auge für das Gelände haben sollte. Der Abstieg ist meist recht leicht (I, T5-), es gibt aber auch ein paar IIer Stellen. Wer den ersten Gratabschnitt bewältigt hat, sollte hier keine Probleme bekommen. Anstatt in Richtung der Grünen-Rinn-Scharte abzusteigen, geht man weiter am Grat in Richtung des P 2317. Dafür muss man zunächst zwei Grattürme überwinden, was eher westseitig erfolgt. Gerade der zweite sieht, am Gipfel des ersten stehend, noch ziemlich übel aus, erweist sich dann aber als unproblematisch. Danach verläuft der Weg recht bald nicht mehr am Grat weiter, sondern einige Meter unterhalb in der Südwestflanke. Wir sind hier zu lang am Grat geblieben, bis wir auf einen Abseilstand stießen (selten ein gutes Zeichen…). Ich bin über eine plattige Rinne (III, T5+) ziemlich unangenehm abgeklettert, Stefan ist zurück und konnte die Stelle über steiles Wiesengelände in ein paar Minuten umgehen. Danach geht es unschwierig weiter zum P 2317.
 
Der Abstieg von diesem sieht von oben recht übel aus, ist aber deutlich leichter zu klettern. Die Stelle oben liegt irgendwo bei II+ oder vielleicht einem unteren IIIer, unten wird es dann zwar klettertechnisch leichter, das Gelände ist aber recht bröselig/schuttig (T5+). Man gelangt dennoch schnell in die Einschartung vor dem Westgrat des Laliderer Falken, die im Übrigen auch (mühsam) aus dem Blausteigkar erreicht werden kann. Dieser stellt dann nochmal ein klettertechnisches Highlight dar.
 
Der Westgrat kann grob in vier Abschnitte gegliedert werden. Zunächst hat man die Wahl direkt am Grat zu klettern oder in der Südflanke einem Grasband zu folgen. Der Grat ist hier sehr schön zu klettern, da der Fels fast durchgehend fest ist und sich die Schwierigkeiten im oberen II./ unteren III. Schwierigkeitsgrad bewegen. Der Grat fällt in die Südflanke meist plattig ab und ist stellenweise recht trittarm. Es empfiehlt sich daher Schuhe zu tragen, mit denen man auch gerne mal auf Reibung klettert, es müssen aber keine Kletterschuhe sein. Da mir derartiges Gelände wenig Probleme bereitet, würde ich die Schwierigkeiten hier nicht zu hoch ansetzen. Wem dieses Balancieren auf kleinen Leisten etc. aber weniger zusagt, der sollte über die Umgehung nachdenken. Man kommt dann zu einer kurzen Gehpassage, worauf die erste obligatorische scharfe Gratpassage folgt, der zweite Abschnitt. Die Schwierigkeiten gehen hier nicht über den oberen II. Schwierigkeitsgrad hinaus, sofern man vor dem folgenden Gratkopf ein, nach links abwärts führendes, Band (Steinmann) nicht übersieht. Nach Ersteigen des Kopfs kann man im dritten Abschnitt wieder in die Südflanke auf ein Schuttband ausweichen oder direkt am Grat klettern. Klettertechnisch kann man diese Stelle wohl als (optionale) Schlüsselstelle betrachten. Der Grat steilt hier nochmal gut auf und wird deutlich zerrissener, brüchiger und ausgesetzter. Für diesen Abschnitt sollte ein IIIer in diesem Gelände unbedingt beherrscht werden, da es sonst echt unangenehm werden kann. Ab dem hierauf folgenden Gratkopf bis zur Scharte vor dem Gipfelaufbau des Laliderer Falken, wo von Süden die Sprungrinne heraufkommt, folgt der vierte und kürzeste Abschnitt. Zunächst geht ein bisschen am Grat entlang, bis man in die Scharte nochmal etwas schärfer abklettern muss. Von hier geht es erst rechts über die Platten und dann unschwer linkshaltend zum Gipfel des Laliderer Falk.
 
Man hat hier einen tollen Ausblick auf den bereits absolvierten Grat sowie in das umliegende Karwendel. Da die Zeit leider bereits recht fortgeschritten war, haben wir nur eine kurze Gipfelpause genossen. Turm- und Totenfalk haben wir dann nicht mehr bestiegen; selbst ohne diese haben wir es zum Einbruch der Dunkelheit gerade noch in die Latschengassen des Falkenkars geschafft. Der Verbindungsgrat dieser beiden Gipfel soll nochmal recht brüchig und ausgesetzt sein und dürfte noch mit einer letzten anspruchsvollen Abkletterstelle im III. Schwierigkeitsgrad aufwarten. Der Abstieg durch die Westflanke ist technisch nicht besonders anspruchsvoll, wenn man den Weg kennt (!!!). Der Abstieg aus dem Falkenkar ist im Dunkel bei feuchten Verhältnissen kein besonderes Vergnügen, aber zu machen. Ein gern gezahlter Preis für diese großartige Tour.
 
Zusammenfassend muss ich sagen, dass es nicht nur ein Highlight dieses Jahres, sondern eine der besten Touren war, die ich bisher gemacht habe. Gerade mit dem Zustieg durch die Osflanke des Kleinen Falken ergibt sich eine sonst nur selten zu findende Anzahl an Klettermetern, da auch der Grat vom Kleinen Falk bis zum Laliderer relativ wenig Gehgelände beinhaltet. Durch die (für Karwendelverhältnisse) meist tolle Felsqualität kommt man hier wirklich voll auf seine Kosten, wenn man leichte Kletterei liebt. Es gibt allerdings auch einige Bröselpassagen, sodass entsprechende Erfahrung unbedingt erforderlich ist. Gerade in der Ostflanke sollte man wirklich Erfahrung haben, dass man sich hier nicht verhaut und seine Kapazitäten für den Rest der Tour aufspart.
Die technischen Schwierigkeiten gehen selten über einen oberen IIer hinaus, es gibt aber auch einige schärfere Stellen, die teils sehr ausgesetzt sind. Der seilfreie III. Schwierigkeitsgrad sollte daher unbedingt beherrscht werden, gerade wenn man den Westgrat des Laliderer Falken nicht großteils umgehen will. Den letzten optionalen Gratabschnitt würde ich nur empfehlen, wenn man noch Energie und Nerven hat, da es hier nochmal ziemlich zur Sache geht. Man kann stellenweise abseilen oder sichern, kommt dann aber schnell in zeitliche Schwierigkeiten. Schließlich ist die Tour auch mental durchaus fordernd, da man sich fast durchgehend konzentrieren muss und sich oft in ausgesetztem Gelände bewegt, das Fehler nicht verzeiht. Insofern vorteilhaft ist allerdings, dass es eine Reihe von Rückzugsmöglichkeiten gibt, die ein Verkürzen der Tour ermöglichen.
 
Optimaler Zeitpunkt dürfte der September oder ein früher Sommertag sein. Früher im Jahr hat man oben zwar Wasser, es besteht allerdings die Gefahr, dass Schnee in manchen Passagen liegt. Zwar handelt es sich um eine fast komplett weglose Tour, der Grat selbst ist aber meistens relativ übersichtlich. Aufpassen sollte man neben dem Zustieg v.a. beim Übergang vom Risser Falk zum P. 2317 und an einer Abzweigung über ein plattiges Band links, an der ein kurzer Gratabschnitt am Westgrat des LF umgangen wird. Der Abstieg vom LF ist dann hinsichtlich der Wegfindung auch nicht ganz trivial. Insgesamt ist es in meinen Augen ratsam, sowohl den Ab- wie Aufstieg mindestens einmal gemacht zu haben, damit man sich hier keine (schlimmen) Verhauer leistet. Es schadet auf keinen Fall, den LF vorher aus dem Falkenkar zu besteigen, da der Weg vom Gipfel kommend meinem Empfinden nach schwerer als im Aufstieg zu finden ist.
 
Alles in allem aber für jeden, der den durchaus hohen Anforderungen gewachsen ist, eine sehr zu empfehlende Tour, die ich bei Gelegenheit auch noch um die letzten beiden Gipfel ergänzen werde!

Besonderer Dank gilt Stefan, der als Kenner der Falkengruppe viele Unwägbarkeiten beseitigt und mir beste Gesellschaft auf dieser grandiosen Tour geleistet hat. Gerade der Weg durch die Ostflanke ist wirklich eine sehr gute Ergänzung, auf die ich sonst nicht gekommen wäre.

Tourengänger: Herr_Hase, TobiasG


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (3)


Kommentar hinzufügen

Herr_Hase hat gesagt: Danke Tobi!
Gesendet am 10. November 2024 um 20:19
Das (letzter Absatz) kann ich nur zurückgeben: Besonderer Dank gilt Tobi, der mir mit seiner Besonnenheit und seinen Kletterfertigkeiten an den schwierigen Stellen quasi den Weg geebnet hat und mir beste Gesellschaft auf dieser grandiosen Tour geleistet hat. An den Abstieg vom P2317 beispielsweise hätte ich mich ohne ihn nicht rangetraut.

Jetzt folgen mindestens 7 Monate Vorfreude auf eine Wiederholung bzw. auf die Vollendung über Turm- und Totenfalk!

Westfale hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2024 um 22:33
Coole Runde, das gibt der tolle Herbst dieses Jahr wirklich noch her! Hatten wir letzten Sonntag auch vor. Leider war dann morgens die Mautstraße von Krün kommend gesperrt, sodass wir spontan etwas anderes gemacht haben. Steht aber weit oben auf der Liste und der Bericht schafft hier eine gute Grundlage, danke!

TobiasG hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2024 um 20:14
Oh, das ist ja extrem ärgerlich! Dachte, da wäre freie Fahrt, wenn sie nicht besetzt ist. Bedingungen waren wirklich top, schade, dass es bei euch nichts geworden ist. Ich hoffe, die Ausweichtour war zumindest auch lohnend - der Herbst schreit ja wirklich danach, genutzt zu werden.
Aber ist wirklich eine tolle Runde, die ich sehr empfehlen kann. Das war nochmal ein richtiges Highlight!
BG Tobi


Kommentar hinzufügen»