Torschlusspanik auf der Hochkarspitze


Publiziert von TobiasG , 11. September 2024 um 21:40.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:11 September 2024
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 8 Tage
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:37 km, davon um die 22 mit Bike
Zufahrt zum Ausgangspunkt:kostenloser Parklpatz an der B2 vor Scharnitz
Kartennummer:AV-Karte 5/1

Dienstag, 11.09. Der Wetterbericht für Donnerstag bis Samstag verheißt nichts Gutes, Schnee bis möglicherweise 1400 m runter. Die Gedanken schweifen schon zur ersten Skitour, dabei hat der Herbst ja erst angefangen und ein paar Projekte gäb es schon noch… Aber ein Lichtblick: morgen schauts nochmal ganz passabel aus, Bergfex wie immer optimistisch, aber selbst Meteoblue hält die Lage nicht für völlig aussichtslos. Torschlusspanik setzt ein: Da muss nochmal was gehen, zwar nichts zu großes, da es ab dem frühen Nachmittag auf jeden Fall nass werden könnte aber nochmal was Gescheites.
 
Meine Wahl fällt auf die Hochkarspitze, die wir letzten Oktober wegen unangenehmer Schneeauflage abbrechen mussten. Es ist kühl genug, dass die Südseite eher angenehm als schweißtreibend sein sollte, ich kenne fast den ganzen Weg und sonderlich lang ist die Tour auch nicht. Nachdem der Wetterbericht am Morgen sogar noch mehr Sonne verspricht, geht es wie so oft zum Parkplatz an der B2 vor Scharnitz. Mit dem Bike dann weiter bis zum Abzweig zum großen Schafstallboden und dort auf dem Weg durchs untere ins obere Großkar.
 
Apropos Weg: Anfangs geht es durch den Wald und auch anschließend finden sich noch deutliche Spuren, über die man ein erstes steiles aber noch harmloses Schuttfeld erklimmt. Dann kommt ein weiteres großes Schuttfeld, das man entweder direkt hinauf steigt oder besser umgeht, indem man hier links zu einer auffälligen Latschengasse quert. Schon das letzte Mal habe ich hier mühsam nach einem Weg nach oben gesucht. Im steilen Wald gibt es einige Spuren, die sich aber immer wieder verlieren. Diesmal versuche ich erst gar nicht, einen Weg zu finden, sondern bahne mir so meinen Weg durch den steilen aber glücklicherweise recht lichten Bergwald. Eine durchaus rutschige und schweißtreibende Angelegenheit, bei der Stöcke und festes Schuhwerk von Vorteil sind.
 
Nach einiger Zeit trifft man oben wieder auf Schotter mit einer Wegspur. Dieser folgt man, um dann links an dem Schuttfeld vorbei nach oben zu kommen, bis man den großen Riegel erreicht, der unteres und oberes Großkar trennt. Man kann hier wohl auch rechts über die Schrofen hochkommen, es geht aber auch auf der linken Seite, wobei man nicht ganz bis zur Wand geht, sondern zuvor linkerhand einen steilen erdigen Pfad (Bild) nimmt. Sonst muss man vorne einen etwas unangenehmen IIer klettern (beim ersten Versuch gemacht). Über den Pfad und einiges an steilem Schutt gelangt man dann in das obere Großkar. Man sollte sich kurz einprägen, wo es nachher wieder runter geht und ggf. einen Steinmann setzen, da es recht unübersichtlich ist.
 
Das obere Großkar ist nicht so flach, wie es etwa vom Hauptkamm oder dem Wörner ausschaut. Nimmt man den beschriebenen Weg, gelangt man auf der linken Seite ins obere Großkar und muss nun nach rechts oben kommen. Über die steilen Schrofenhügel, teils mehr, teils weniger mit Geröll und Fels durchsetzt geht es dahin. Verlaufen kann man sich kaum, man achtet am besten darauf, möglichst wenige Gegenanstiege mitzunehmen. Im Frühling soll es hier eine tolle Flora geben aber auch im Herbst bezaubert das Großkar mit seiner Karstlandshaft, umgeben von den steilen Felswänden der umliegenden Berge. Umso näher man dem nächsten Schuttfeld unterhalb der Hochkarspitze kommt, desto flacher wird es. Man sollte dies genießen, da es eine der wenigen Passagen dieser Tour ist, die man als Genusswandern bezeichnen könnte…
 
Man steuert nun ein markantes Schuttfeld unterhalb eines großen Bandes etwas links unterhalb der Hochkarspitze an. Dieses gilt es zu erklimmen – geht so gut, wie es aussieht. Am besten quert man möglichst schnell rechts auf eine Felsrippe, um hier in leichter Kletterei das große Band oberhalb zu gewinnen. Masochisten können aber auch dem Schuttfeld bis oben folgen. Der Weg ist ab hier eigentlich relativ selbsterklärend und mit einigen Steinmännern markiert. Man folgt Wegspuren im Schutt und gelangt über eine erste kleine Rinne auf eine Grasrippe, der man steil bis in eine rötliche Rinne folgt (der Kenner weiß, dass dies Unheil bedeutet…). Über diese gelangt man dann auf den Südgrat, der in wenigen Metern zum Gipfel leitet. Wenn man unten alle Kletterstellen umgangen hat, muss man zumindest hier eine I+ Schlüsselstelle bewältigen. Der Fels ist eigentlich gut und macht Lust auf mehr aber der Gipfel ist direkt erreicht.
 
Das Panorama ist durchaus ansehnlich, mächtig liegt der Hauptkamm im Süden, im Norden dominiert die Soiernspitze. Man hat einen tollen Blick in das Karwendeltal, auf Raffelpsitze, Wörner, Großkar- und Schönbergspitze. Ein sehr hart erarbeitetes Panorama, wenn man bedankt, dass es vom Wörner kaum anders ausschaut, dieser aber deutlich weniger mühsam (wenn auch technisch unwesentlich schwieriger) zu ersteigen ist. Das Wetter hat gut gehalten, es ist gerade einmal 12. Ein Gipfelbuch finde ich leider nicht, obwohl ich den ganzen Gipfelsteinmann ab- und wieder aufgebaut habe.
 
Nach einer kurzen Pause geht es an den Abstieg. Die rote Rinne bereitet erneut Freude, weiter über steile Schrofen und loses Zeug zum großen Band und das Schuttfeld runter. Dieses lässt sich immerhin erfreulich gut abfahren. Dann wieder zum Übergang ins untere Großkar über die steilen Schrofen…es zieht sich. Den Abstieg zu der grasigen Aufstiegsrinne hat man sich hoffentlich gemerkt, sonst sollte man vorsichtig suchen, da er von oben schwer zu erkennen ist und man schnell in sehr ekligem Gelände landet, wenn man die falsche Rinne wählt. Mein Aufstiegstrack lässt aber wenig Zweifel und es geht nach unten. Zu allem Überfluss bricht unter mir eine Graßnabe weg und ich rutsche unsanft einige Meter im Dreck nach unten – grandios. Dann fehlen noch die beiden Schuttfelder, die ich im Abstieg direkt angehe. Mal kann man (vorsichtig) abfahren, mal besser nicht. In der Mitte ist es meist etwas besser, die Brocken sind aber leider oft zu groß, als dass es wirklich gut klappen würde. Bald gelangt man zum zweiten Schuttfeld, dass man auch in direkter Linie (natürlich steil) nach unten gehen kann, für ein Abfahren fehlt hier aber definitiv die Unterlage. Man gelangt zum Raddepot und es geht entspannt zurück zum Parkplatz.
 
Die Schwierigkeiten der Tour sind in der beschriebenen Variante mit T4+ und II (Felsrippe neben dem oberen Schuttfeld) überschaubar und die Gefahren gering. Trotz toller Landschaft, schönem Gipfelpanorama und dem gewissen Abenteuercharakter, den die Weglosigkeit mit sich bringt, fällt es mir etwas schwer, uneingeschränkt von einer lohnenden Tour zu sprechen. Man ist permanent im mühsam steilen Schrofen- oder Schuttgelände unterwegs – die guten 1500 hm fühlen sich nach mehr an. Selten hat man wirklich entspanntes Wandergelände aber auch kaum anregende Kletterei und das Schuttgewühle ist auch nur etwas für Liebhaber.
Gleichwohl möchte ich von der Hochkarspitze nicht per se abraten. Wer entsprechende Erfahrung im weglosen Gelände hat, kann hier eine schöne Tour in einsamer Natur und grandioser Kulisse unternehmen. Im Gegensatz zum Wörner dürfte man den Gipfel hier auch für sich haben. Eine gewisse Leidensfähigkeit sollte man aber schon mitbringen. Wer die Selbstgeißelung perfekt machen will, geht die Tour am besten im Hochsommer, man ist fast die ganze Zeit sonnenexponiert. Für alle anderen ist es eine Herbst- oder Frühlingstour. Wenn man guten Trittschnee ab dem Schuttfeld unterhalb des Bandes hat, könnte das die Tour stellenweise durchaus erleichtern. Falls jemand die Tour zeitnah gehen möchte, könnte er ja über eine Gipfelbuchspende nachdenken, dieses Jahr werde ich jedenfalls nicht mehr raufkommen.
 
Ich wünsche allen schöne Herbsttouren. Hoffen wir, dass der Wintereinbruch nicht zu arg wird und noch ein paar größere Sachen gehen!

Ps: Da ich angesichts des Wetters etwas unter Zeitdruck stand, habe ich nicht so viele Fotos vom Weg, ich verweise hier gern auf die anderen Beiträge, die auch mir geholfen haben. Es würde mich iÜ interessieren, ob es zur Umgehung des zweiten Schuttfelds im unteren Großkar einen wirklichen Weg gibt, den ich nicht gefunden habe?

Tourengänger: TobiasG


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