Von der Larchetkar- zur Birkkarspitze, über den Schuttwüsten der Hinterautal-Vomper-Kette
Nachdem ungünstige Umstände dieses Jahr die Umsetzung größerer Projekte leider bisher verhindert haben, war ich bereits länger auf der Suche nach einer Tour, um dem Bergjahr nochmal einen Höhepunkt zu verleihen. Die Wahl fiel auf eine Tour, die ich schon lange im Sinn hatte: die Tour von der großen Seekar- zur Birkkarspitze. Da die Tour für einen Tag eher lang ist und ich ohnehin die Idee eines Biwaks reizvoll fand, entschied ich mich dazu, die Tour noch zu verlängern und sie ab der Larchetkarspitze zu gehen.
Da ich nicht bereits um 15 Uhr im Biwak sitzen wollte und das Wetter nicht zu heiß vorhergesagt war, gönnte ich mir einen entspannten Start gegen 9 am Parkplatz. Mit dem Bike geht es zunächst ins Hinterautal bis der Weg in den Kohlergraben abzweigt.
Das Fahrrad hinter dem Hinterkarbach links im Wald abgestellt und auf die Karte schauend, fällt mir auf, dass der Weg bereits vor dem Bach abzweigen sollte. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich auch eine zugewachsene Pfadspur, die den Einstieg darstellt. Ich stehe vor einem eher steilen Hang mit einigen diffusen Pfadspuren. Nach anfänglichen Versuchen, diesen zu folgen, gebe ich dieses Vorhaben auf und bahne mir meinen eigenen Weg. Weiter oben trifft man dann auf einige mit einem "x" markierte Bäume, die einem die Richtung weisen. Vor der Überquerung des Hinterkarbachs muss man einen relativ steilen Hang queren. Eine Weg ist nicht ersichtlich, dafür aber weiter unten eine Latschengasse, die ich anpeile, weiter unten hätte es wohl auch eine günstigere Spur gegeben. Der Weiterweg gestaltet sich hinsichtlich der Wegführung unproblematisch, da er durch eine gut ausgeschnittene Latschengasse führt. Trotz der südlichen Exposition liegt der Weg noch lange im Schatten.
Weiter oben lichten sich dann schließlich die Latschen und ich habe einen ersten Blick auf meine heutigen Tagesziele. Bevor es an deren Ersteigung geht, folgt allerdings noch ein wichtiger Tagesordnungspunkt: Wasser. Ich hatte am Biwak zwar vor kurzem 2,5l deponiert, die würden mir aber nicht genügen. Auch deshalb habe ich diese Route gewählt, da man hier laut Karte recht weit oben Wasser finden sollte. Ich komme zu der in der AV Karte auf knapp unter 1800 hm eingezeichneten Quelle des Hinterkarbachs. Da hier noch viel Wasser fließt und es kürzlich ordentlich geregnet hat, entschließe ich mich, etwas weiterzugehen. Der Weg trennt sich kurz vom gemutmaßten Bachlauf und eine Viertelstunde später stehe ich vor einem ausgetrockneten Bachbett. Innerlich fluchend steige ich also wieder zur Quelle ab und fülle meine Wasservorräte. Unweit hinter meinem Umkehrpunkt auf etwa knapp unter 2000 hm stoße ich dann auf eine fröhlich plätschernde Quelle...Ich nutze diese, um zumindest meine körpereigenen Wasservorräte nochmals aufzufüllen und mache dort eine kleine Pause. Ob diese Quelle ganzjährig fließt, kann ich nicht sagen, der vegetationsreichem Umgebung nach würde ich die Chancen aber als gut einschätzen.
Relativ bald stößt man dann auf den Toni-Gaugg-Höhenweg, den ich aber nur kreuze und direkt eine kleine Senke ins Hinterkar ansteuere. Dort angelangt hat man einen guten Blick auf den Schuttkessel, den man in der Folge umrahmen wird. Ich halte mich so lange möglich auf den festeren Felsinseln, bevor ich in den unvermeidbaren Schutt in Richtung der Scharte vor der Larchetkarspitze quere. Das Gelände steilt deutlich auf und es geht auf Schutt und Erde dahin. Der letzte Weg zur Scharte ist dann richtig steil und bereitet wenig Freude (T4+) aber es ist schnell geschafft. In der Scharte angelangt, entledige ich mich des Rucksacks, setze meinen Helm auf und erobere mit der Larchetkarspitze meinen ersten Gipfel. Der Weg ist komplett mit einem Seil versichert, das mit Bohr- und Schlaghaken fixiert ist. Allerdings machen weder das Seil noch einige seiner Fixpunkte einen besonders vertrauenswürdigen Eindruck. Stellenweise hat der scharfe Fels den Mantel komplett zertrennte und das Kernmaterial liegt über Meter offen. Ich klettere daher ohne seine Zuhilfenahme, was aufgrund des in den schwierigen Stellen erfreulich festen Felses kein Problem darstellt. Die Schwierigkeit dürfte so II/II+ T5 betragen. Vorsicht ist natürlich dennoch geboten, an vielen Stellen ist der Fels karwendeltypisch brüchig und Griffe wie Tritte sollten vor ihrer Belastung geprüft werden. Dies gilt im Übrigen für die gesamte Tour. Oben angekommen genieße ich die Aussicht und das Wetter. Auf der westlich liegenden Pleisenspitze sehe ich einige Menschen, hier weit und breit niemanden. Der Weiterweg auf die große Riedlkarspitze sieht von hier gar nicht so ohne aus, laut Berichten solls dort nicht so schwer sein - mal sehen.
Runter geht´s zunächst auf demselben Weg. Wieder in der Scharte angekommen plane ich meinen Weiterweg. Klar ist, dass ich in die Scharte zwischen Larchet- und großer Riedlkarspitze muss. Berichten zufolge geht das entweder direkt am Grat oder in der Flanke unterhalb. Ein Blick auf den Ostgrat der Larchetkarspitze verleitet mich dazu eine eher direkte Linie durch den Schutt zu nehmen. Wenig später bereue ich das, kleinsplittriger Schutt auf erdiger Unterlage oder Platten, ein Aufstieg zum Grat eher ungünstig, ein Abstieg in flacheres Gelände unangenehm steil. Günstiger wäre es wohl, entweder frühstmöglich auf den Grat zu queren und diesen abzuklettern oder direkt etwas weiter unten im flacheren Bereich des Kars zu bleiben und evtl. einen kleinen Gegenanstieg zur Scharte in Kauf zu nehmen.
Unmittelbar nach der Scharte erwartet mich ein bulliger Gratturm, der mir bereits vorher aufgefallen ist. Ich bleibe zunächst am Grat, weiche dann aber etwas in die Südflanke aus. Wegspuren vermag ich kaum zu erkennen. Mit einem Ier soll der Grat wohl machbar sein, den sehe ich hier erst mal nicht. Ein Blick zum Grat lässt mich einen Durchschlupf auf der Nordseite vermuten. Ich steige auf Platten mit Schuttauflage in paar Meter hinauf, nur um in die Tiefe des Riedlkars zu blicken. Ein nordseitiges Umgehen kommt nicht in Frage, unangenehm steige ich wieder in die Südflanke hinab. Man umgeht diesen Gratturm wohl am besten mehr oder weniger noch im Kar (I, T4). So weit möchte ich nicht absteigen und quere daher etwas unangenehm knapp unter halber Höhe (II). Der Weiterweg ist in der Tat unproblematisch (I+, T5-). Auf Felsterassen mit ordentlicher Schuttauflage geht es empor zur gr Riedlkarspitze, es ist auch weniger steil, als der Anblick dies vermuten lässt. Auch hier hat man einen tollen Ausblick auf umliegenden Gipfel und den Weiterweg. Anders als am Westgrat, sind am Ostgrat deutliche Pfadspuren zu erkennen, auf denen es (für Karwendelverhältnisse) recht leicht in Richtung der Breitgrieskarspitze geht (T3). Man trifft hier relativ bald wieder auf den Toni-Gaugg-Höhenweg, dem man bis zur Breitgrieskarscharte folgt. Man kann hier auch noch die Breitgrieskarspitze mitnehmen, der Südgrat ist unschwierig. Da es aufgrund der Eskapaden im Kohlergraben bereits 18 Uhr ist und ich meine Beine vor dem morgigen Tag etwas schonen möchte, geht es direkt zum Biwak - man braucht ja auch nen Grund, nochmal herzukommen.
Das Biwak ist nicht besonders groß aber durchaus gemütlich. Ich bin heute allein und denke auch, dass hier allgemein nicht zu viel los sein wird. Es finden allerdings wohl nur drei oder vier Leute komfortabel Platz. Bei mehr Personen wird es kuschelig . Es sind vier Isomatten vorhanden, von denen zwei in gutem Zustand sind. Der Boden besteht aus hartem Metall, sodass ich mir direkt alle nehme. Trotzdem liegt es sich eher hart. Ich erwärme mein Abendessen und genieße die Abendstimmung. Mein Wasserdepot finde ich unangetastet vor. Die Sonne geht unter und ich lege mich früh schlafen, ein langer Tag liegt hinter mir und ein langer Tag erwartet mich. Eine Gams streift um das Biwak und versetzt mir nochmal einen kleinen Schreck aber dann geht es für mich ins Reich der Träume. Nachts ist es bereits ziemlich kalt, das Biwak isoliert relativ wenig und ich bin froh um meinen dicken Schlafsack.
Am nächsten Tag erwache ich um halb 7, frühstücke gemütlich und genieße die Morgenstimmung. Für den Tag gestärkt starte ich zur kleinen Seekarspitze. Es geht zunächst auf dem Toni-Gaugg-Höhenweg bis zur Scharte und dann unschwierig zum Gipfel (I, T4). Man hat hier einen guten Blick auf den Grat zur Marxenkarspitze, der den schwierigsten Teil der Tour darstellt. Ich meine auch die Schlüsselstelle ausmachen zu können, Details sind aber nicht zu erkennen. Einiges habe ich über diese Stelle gelesen. Es gibt auch in diesem Forum Bilder und Videos auf Youtube. Es soll mal ein IIer gewesen sein, jetzt aufgrund ausgebrochener Tritte ein IIIer. Es gibt sogar Berichte, die von einer 4m III+ Wand sprechen. Bei meiner Vorbereitung konnte ich mir kein richtiges Bild von der Stelle machen - zu heterogen die Beschreibungen, auch wenn die Bilder mich eigentlich weniger abgeschreckt hatten. Aber eins nach dem anderen. Es geht hinab zur Scharte zwischen den Seekarspitzen (I, T5) und über den Nordgrat unschwierig auf die große. Dort angekommen, raste ich kurz und mache mich dann an den Abstieg über den Ostgrat. Dieser ist eine gute Vorbereitung auf das, was nun kommt. Entlang des Grates geht es durchaus anspruchsvoller (II, T6), hinab in die Scharte vor dem Grat zur Marxkenarspitze.
Auch dieser sieht aus der Distanz erst mal wilder aus, als er ist. Türme lassen sich teils umgehen und die Kletterschwierigkeit bewegt sich oft im Bereich I mit einigen IIer-Stellen, es ist aber teils schon ausgesetzt und der Schutt fordert absolute Trittsicherheit (T6). Vor der Schlüsselstelle muss man erst einmal abklettern (II), dem Karwendelkenner wird sofort die Signalfalbe Gelb ins Auge stechen, vor der es hier nur so leuchtet. Da ist sie also - eine 4m III+ Wand vermag ich nicht zu erkennen, was schon mal beruhigt. Über einen schmaleren Gratabschnitt geht es ein paar Meter zu Schlüsselstelle. Diese ist im unteren Bereich plattig, wobei man hier aber gut stehen kann. Ich nehme die Schlüsselstelle genau in Augenschein, ausgesetzt ist es schon und allein bin ich auch unterwegs. Passieren sollte hier nichts. Natürlich ist es brüchig aber für Karwendelverhältnisse nicht besonders schlimm. Ich setze den rechten Fuß relativ weit oben, ziehe mich an zwei kleinen, als solide befundenen Griffen mit einem kräftigen Zug hoch und...das wars. Etwas überrascht stehe ich oben und freue mich, dass die Schlüsselstelle nun hinter mir liegt. III+ finde ich zwar zu hart aber ein IIIer ist´s wohl schon. Wer Karwendelfels gewohnt ist, wird keine böse Überraschung erleben. Zugute kam mir sicher auch meine Körpergröße von 1,85, die einem natürlich mehr Optionen eröffnet. Der IIIte Grad im suboptimalen Fels (das wäre doch mal ein Name für einen Kletterführer) sollte sicher beherrscht werden, mehr brauchts aber nicht. Wer an der Larchetkarspitze und dem Ostgrat der gr Seekarspitze keine Probleme hatte, muss nicht mehr viel drauflegen. Man kann die Stelle auch (laut anderen Berichten, an dieser Stelle danke für den ausführlichen Bericht) südseitig umgehen, das Gelände sieht aber alles andere als einladend aus (mind. II, T6). Mir war Klettern lieber.
Der Weiterweg zur Marxenkarspitze ist nun leichter, es gibt einiges an Gehgelände aber auch noch ein paar schärfere IIer Stellen und immer wieder Gelände bis T6, oft aber leichter. Wenn man dann an der Marxenkarspitze angelangt ist, liegen die Schwierigkeiten der Tour hinter einem. Auf nun sichtbaren Pfadsupren zunächst auf einen nördlichen Sattel und in dann auf den Sattel zur westlichen Ödkarspitze. Auf dem Weg zu dieser kann man auch am Grat (bis II, T5-) bleiben und muss nicht links zum Normalweg absteigen. Hier treffe ich zum ersten Mal wieder auf Menschen, im Vergleich zum Großteil dieser Tour ist hier Hochbetrieb. Ab der westlichen Ödkarspitze ist der Weg markiert und "schwierigere" Stellen sind mit Stahlseilen gesichert (bis I+, T4 wegen Sicherung). Das Gepäck und der zurückgelegte Weg fordern langsam aber sicher ihren Tribut. Die Gegenanstiege auf die Ödkarspitzen ziehen sich etwas, die atemberaubende Landschaft lädt aber auch zu mittlerweile wohlverdienten kleineren Pausen ein.
Kurz vor dem Schlauchkarsattel steige ich aus Versehen schon ein Stück ins westliche Birkkar ab, man muss hier weiter oben bleiben. Also zurück und zur Birkkarhütte (Biwak). Von dort gehts noch etwa 100 hm über einen versicherten Steig (B?) zum Gipfel der Birkkarspitze. Ich gönne mir eine längere Pause und lasse den Blick schweifen. Man hat nochmal einen schönen Überblick über die gesamte Tour und weite Teile des Karwendels. Ein einsamer Bergsteiger befindet sich gerade im Abstieg von der KaWaKa, die könnte man auch noch dranhängen wenn man hart drauf ist, ich heute aber sicher nicht mehr. Der böiger Wind vertreibt mich nach einiger Zeit wieder vom Gipfel.
Runter gehts durch das westliche Birkkar, oben recht steil und stellenweise versichert (I+, T4), weiter unten viel Schutt (T4). Die müden Beine bescheren mir zwei unangenehme blaue Flecken am Gesäß, nachdem ich zu spät erkenne, dass die Auflage nicht zum Abfahren genügt. Das gute Wetter wird hier zum Fluch, Schatten sucht man bis fast ganz unten vergebens. Auch wenn der Weg landschaftlich durchaus schön ist. An einem sonnigen Tag ist von einem Aufstieg über diese Route dringend abzuraten. Nach schier endlosen steilen Serpentinen bin ich endlich wieder unten im Hinterautal.
Der Weg zum Kohlergraben ist nochmal ein ziemlicher Hatscher, wobei die Landschaft wirklich außerordentlich schön ist. Sehnsüchtig schaue ich den vielen Bikern nach, die mich überholen. Man hat das Gefühl, seit dem Aufkommen der E-Bikes ist das hier ein echter Hotspot geworden. So hat das der gute H. v. Barth wohl nicht gemeint, als er schrieb, er hoffe, die Zahl der Besucher und Kenner des Karwendels durch seine Berichte zu mehren. Am Bike angekommen, stelle ich fest, dass es noch ein Hindernis zwischen mir und der Heimfahrt gibt: Ein junger Stier steht vor meinem Bike, schaut mich an und beginnt unvermittelt an meinem Sattel zu schlecken. Ich versuche ihm vorsichtig zu verstehen zu geben, dass ich das Fahrrad jetzt leider brauche, was ihm gar nicht gefällt und ihn veranlasst, seine Hornansätze schwingend, auf mich loszugehen. Mit einem Satz bringe ich mich hinter einem Baum in Sicherheit, zum Glück zieht er von dannen und ich kann den Rückweg zum Parkplatz antreten, wo ich gegen 17 Uhr ankomme.
Fazit:
Eine absolute Traumtour für Liebhaber. Wen Schutt und Bruch nicht abschrecken, wer die endlose Mondlandschaft nicht monoton findet, wer abseits markierter Wege das Abenteuer sucht, ja für den ist es garantiert ein echtes Filetstück im Karwendel. Die Landschaft ist atemberaubend, die Einsamkeit erholsam und der Weg abwechslungsreich wie fordernd.
Die Verlängerung um Larchet- und gr Riedlkarspitze ist m.E. durchaus lohnend. Theoretisch könnte man auch von der Pleisenspitze starten und bis zur Kaltwasserkarspitze gehen.
Was die Anforderungen angeht, bewegt sich zwar ein großer Teil des Grates im Bereich I/II, T4/5. Sicheres Gehen an ausgesetzten Graten und im T6 Gelände, sowie freies Klettern bis zum III Grat sind aber stellenweise obligatorisch.
Eine persönliche Anmerkung, da es mein erster Tourenbericht ist:
Ich schätze das Hikr Forum gerade aufgrund der ausgefalleneren Touren, die hier publiziert werden. Ich möchte die Gelegenheit daher nutzen, mich allgemein für die vielen guten Berichte zu bedanken, die mich bereits zu vielen Touren inspiriert und auch auf dieser begleitet haben.
Bei dieser Gelegenheit auch ein kleiner Aufruf meinerseits: Leider ist die Zahl der Karwendelenthusiasten in meinem Bekanntenkreis eher klein, sollte jemand an Tourenpartnern für derartige Unternehmungen interessiert sein, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen noch schöne Herbsttouren!
Da ich nicht bereits um 15 Uhr im Biwak sitzen wollte und das Wetter nicht zu heiß vorhergesagt war, gönnte ich mir einen entspannten Start gegen 9 am Parkplatz. Mit dem Bike geht es zunächst ins Hinterautal bis der Weg in den Kohlergraben abzweigt.
Das Fahrrad hinter dem Hinterkarbach links im Wald abgestellt und auf die Karte schauend, fällt mir auf, dass der Weg bereits vor dem Bach abzweigen sollte. Bei genauerem Hinsehen entdecke ich auch eine zugewachsene Pfadspur, die den Einstieg darstellt. Ich stehe vor einem eher steilen Hang mit einigen diffusen Pfadspuren. Nach anfänglichen Versuchen, diesen zu folgen, gebe ich dieses Vorhaben auf und bahne mir meinen eigenen Weg. Weiter oben trifft man dann auf einige mit einem "x" markierte Bäume, die einem die Richtung weisen. Vor der Überquerung des Hinterkarbachs muss man einen relativ steilen Hang queren. Eine Weg ist nicht ersichtlich, dafür aber weiter unten eine Latschengasse, die ich anpeile, weiter unten hätte es wohl auch eine günstigere Spur gegeben. Der Weiterweg gestaltet sich hinsichtlich der Wegführung unproblematisch, da er durch eine gut ausgeschnittene Latschengasse führt. Trotz der südlichen Exposition liegt der Weg noch lange im Schatten.
Weiter oben lichten sich dann schließlich die Latschen und ich habe einen ersten Blick auf meine heutigen Tagesziele. Bevor es an deren Ersteigung geht, folgt allerdings noch ein wichtiger Tagesordnungspunkt: Wasser. Ich hatte am Biwak zwar vor kurzem 2,5l deponiert, die würden mir aber nicht genügen. Auch deshalb habe ich diese Route gewählt, da man hier laut Karte recht weit oben Wasser finden sollte. Ich komme zu der in der AV Karte auf knapp unter 1800 hm eingezeichneten Quelle des Hinterkarbachs. Da hier noch viel Wasser fließt und es kürzlich ordentlich geregnet hat, entschließe ich mich, etwas weiterzugehen. Der Weg trennt sich kurz vom gemutmaßten Bachlauf und eine Viertelstunde später stehe ich vor einem ausgetrockneten Bachbett. Innerlich fluchend steige ich also wieder zur Quelle ab und fülle meine Wasservorräte. Unweit hinter meinem Umkehrpunkt auf etwa knapp unter 2000 hm stoße ich dann auf eine fröhlich plätschernde Quelle...Ich nutze diese, um zumindest meine körpereigenen Wasservorräte nochmals aufzufüllen und mache dort eine kleine Pause. Ob diese Quelle ganzjährig fließt, kann ich nicht sagen, der vegetationsreichem Umgebung nach würde ich die Chancen aber als gut einschätzen.
Relativ bald stößt man dann auf den Toni-Gaugg-Höhenweg, den ich aber nur kreuze und direkt eine kleine Senke ins Hinterkar ansteuere. Dort angelangt hat man einen guten Blick auf den Schuttkessel, den man in der Folge umrahmen wird. Ich halte mich so lange möglich auf den festeren Felsinseln, bevor ich in den unvermeidbaren Schutt in Richtung der Scharte vor der Larchetkarspitze quere. Das Gelände steilt deutlich auf und es geht auf Schutt und Erde dahin. Der letzte Weg zur Scharte ist dann richtig steil und bereitet wenig Freude (T4+) aber es ist schnell geschafft. In der Scharte angelangt, entledige ich mich des Rucksacks, setze meinen Helm auf und erobere mit der Larchetkarspitze meinen ersten Gipfel. Der Weg ist komplett mit einem Seil versichert, das mit Bohr- und Schlaghaken fixiert ist. Allerdings machen weder das Seil noch einige seiner Fixpunkte einen besonders vertrauenswürdigen Eindruck. Stellenweise hat der scharfe Fels den Mantel komplett zertrennte und das Kernmaterial liegt über Meter offen. Ich klettere daher ohne seine Zuhilfenahme, was aufgrund des in den schwierigen Stellen erfreulich festen Felses kein Problem darstellt. Die Schwierigkeit dürfte so II/II+ T5 betragen. Vorsicht ist natürlich dennoch geboten, an vielen Stellen ist der Fels karwendeltypisch brüchig und Griffe wie Tritte sollten vor ihrer Belastung geprüft werden. Dies gilt im Übrigen für die gesamte Tour. Oben angekommen genieße ich die Aussicht und das Wetter. Auf der westlich liegenden Pleisenspitze sehe ich einige Menschen, hier weit und breit niemanden. Der Weiterweg auf die große Riedlkarspitze sieht von hier gar nicht so ohne aus, laut Berichten solls dort nicht so schwer sein - mal sehen.
Runter geht´s zunächst auf demselben Weg. Wieder in der Scharte angekommen plane ich meinen Weiterweg. Klar ist, dass ich in die Scharte zwischen Larchet- und großer Riedlkarspitze muss. Berichten zufolge geht das entweder direkt am Grat oder in der Flanke unterhalb. Ein Blick auf den Ostgrat der Larchetkarspitze verleitet mich dazu eine eher direkte Linie durch den Schutt zu nehmen. Wenig später bereue ich das, kleinsplittriger Schutt auf erdiger Unterlage oder Platten, ein Aufstieg zum Grat eher ungünstig, ein Abstieg in flacheres Gelände unangenehm steil. Günstiger wäre es wohl, entweder frühstmöglich auf den Grat zu queren und diesen abzuklettern oder direkt etwas weiter unten im flacheren Bereich des Kars zu bleiben und evtl. einen kleinen Gegenanstieg zur Scharte in Kauf zu nehmen.
Unmittelbar nach der Scharte erwartet mich ein bulliger Gratturm, der mir bereits vorher aufgefallen ist. Ich bleibe zunächst am Grat, weiche dann aber etwas in die Südflanke aus. Wegspuren vermag ich kaum zu erkennen. Mit einem Ier soll der Grat wohl machbar sein, den sehe ich hier erst mal nicht. Ein Blick zum Grat lässt mich einen Durchschlupf auf der Nordseite vermuten. Ich steige auf Platten mit Schuttauflage in paar Meter hinauf, nur um in die Tiefe des Riedlkars zu blicken. Ein nordseitiges Umgehen kommt nicht in Frage, unangenehm steige ich wieder in die Südflanke hinab. Man umgeht diesen Gratturm wohl am besten mehr oder weniger noch im Kar (I, T4). So weit möchte ich nicht absteigen und quere daher etwas unangenehm knapp unter halber Höhe (II). Der Weiterweg ist in der Tat unproblematisch (I+, T5-). Auf Felsterassen mit ordentlicher Schuttauflage geht es empor zur gr Riedlkarspitze, es ist auch weniger steil, als der Anblick dies vermuten lässt. Auch hier hat man einen tollen Ausblick auf umliegenden Gipfel und den Weiterweg. Anders als am Westgrat, sind am Ostgrat deutliche Pfadspuren zu erkennen, auf denen es (für Karwendelverhältnisse) recht leicht in Richtung der Breitgrieskarspitze geht (T3). Man trifft hier relativ bald wieder auf den Toni-Gaugg-Höhenweg, dem man bis zur Breitgrieskarscharte folgt. Man kann hier auch noch die Breitgrieskarspitze mitnehmen, der Südgrat ist unschwierig. Da es aufgrund der Eskapaden im Kohlergraben bereits 18 Uhr ist und ich meine Beine vor dem morgigen Tag etwas schonen möchte, geht es direkt zum Biwak - man braucht ja auch nen Grund, nochmal herzukommen.
Das Biwak ist nicht besonders groß aber durchaus gemütlich. Ich bin heute allein und denke auch, dass hier allgemein nicht zu viel los sein wird. Es finden allerdings wohl nur drei oder vier Leute komfortabel Platz. Bei mehr Personen wird es kuschelig . Es sind vier Isomatten vorhanden, von denen zwei in gutem Zustand sind. Der Boden besteht aus hartem Metall, sodass ich mir direkt alle nehme. Trotzdem liegt es sich eher hart. Ich erwärme mein Abendessen und genieße die Abendstimmung. Mein Wasserdepot finde ich unangetastet vor. Die Sonne geht unter und ich lege mich früh schlafen, ein langer Tag liegt hinter mir und ein langer Tag erwartet mich. Eine Gams streift um das Biwak und versetzt mir nochmal einen kleinen Schreck aber dann geht es für mich ins Reich der Träume. Nachts ist es bereits ziemlich kalt, das Biwak isoliert relativ wenig und ich bin froh um meinen dicken Schlafsack.
Am nächsten Tag erwache ich um halb 7, frühstücke gemütlich und genieße die Morgenstimmung. Für den Tag gestärkt starte ich zur kleinen Seekarspitze. Es geht zunächst auf dem Toni-Gaugg-Höhenweg bis zur Scharte und dann unschwierig zum Gipfel (I, T4). Man hat hier einen guten Blick auf den Grat zur Marxenkarspitze, der den schwierigsten Teil der Tour darstellt. Ich meine auch die Schlüsselstelle ausmachen zu können, Details sind aber nicht zu erkennen. Einiges habe ich über diese Stelle gelesen. Es gibt auch in diesem Forum Bilder und Videos auf Youtube. Es soll mal ein IIer gewesen sein, jetzt aufgrund ausgebrochener Tritte ein IIIer. Es gibt sogar Berichte, die von einer 4m III+ Wand sprechen. Bei meiner Vorbereitung konnte ich mir kein richtiges Bild von der Stelle machen - zu heterogen die Beschreibungen, auch wenn die Bilder mich eigentlich weniger abgeschreckt hatten. Aber eins nach dem anderen. Es geht hinab zur Scharte zwischen den Seekarspitzen (I, T5) und über den Nordgrat unschwierig auf die große. Dort angekommen, raste ich kurz und mache mich dann an den Abstieg über den Ostgrat. Dieser ist eine gute Vorbereitung auf das, was nun kommt. Entlang des Grates geht es durchaus anspruchsvoller (II, T6), hinab in die Scharte vor dem Grat zur Marxkenarspitze.
Auch dieser sieht aus der Distanz erst mal wilder aus, als er ist. Türme lassen sich teils umgehen und die Kletterschwierigkeit bewegt sich oft im Bereich I mit einigen IIer-Stellen, es ist aber teils schon ausgesetzt und der Schutt fordert absolute Trittsicherheit (T6). Vor der Schlüsselstelle muss man erst einmal abklettern (II), dem Karwendelkenner wird sofort die Signalfalbe Gelb ins Auge stechen, vor der es hier nur so leuchtet. Da ist sie also - eine 4m III+ Wand vermag ich nicht zu erkennen, was schon mal beruhigt. Über einen schmaleren Gratabschnitt geht es ein paar Meter zu Schlüsselstelle. Diese ist im unteren Bereich plattig, wobei man hier aber gut stehen kann. Ich nehme die Schlüsselstelle genau in Augenschein, ausgesetzt ist es schon und allein bin ich auch unterwegs. Passieren sollte hier nichts. Natürlich ist es brüchig aber für Karwendelverhältnisse nicht besonders schlimm. Ich setze den rechten Fuß relativ weit oben, ziehe mich an zwei kleinen, als solide befundenen Griffen mit einem kräftigen Zug hoch und...das wars. Etwas überrascht stehe ich oben und freue mich, dass die Schlüsselstelle nun hinter mir liegt. III+ finde ich zwar zu hart aber ein IIIer ist´s wohl schon. Wer Karwendelfels gewohnt ist, wird keine böse Überraschung erleben. Zugute kam mir sicher auch meine Körpergröße von 1,85, die einem natürlich mehr Optionen eröffnet. Der IIIte Grad im suboptimalen Fels (das wäre doch mal ein Name für einen Kletterführer) sollte sicher beherrscht werden, mehr brauchts aber nicht. Wer an der Larchetkarspitze und dem Ostgrat der gr Seekarspitze keine Probleme hatte, muss nicht mehr viel drauflegen. Man kann die Stelle auch (laut anderen Berichten, an dieser Stelle danke für den ausführlichen Bericht) südseitig umgehen, das Gelände sieht aber alles andere als einladend aus (mind. II, T6). Mir war Klettern lieber.
Der Weiterweg zur Marxenkarspitze ist nun leichter, es gibt einiges an Gehgelände aber auch noch ein paar schärfere IIer Stellen und immer wieder Gelände bis T6, oft aber leichter. Wenn man dann an der Marxenkarspitze angelangt ist, liegen die Schwierigkeiten der Tour hinter einem. Auf nun sichtbaren Pfadsupren zunächst auf einen nördlichen Sattel und in dann auf den Sattel zur westlichen Ödkarspitze. Auf dem Weg zu dieser kann man auch am Grat (bis II, T5-) bleiben und muss nicht links zum Normalweg absteigen. Hier treffe ich zum ersten Mal wieder auf Menschen, im Vergleich zum Großteil dieser Tour ist hier Hochbetrieb. Ab der westlichen Ödkarspitze ist der Weg markiert und "schwierigere" Stellen sind mit Stahlseilen gesichert (bis I+, T4 wegen Sicherung). Das Gepäck und der zurückgelegte Weg fordern langsam aber sicher ihren Tribut. Die Gegenanstiege auf die Ödkarspitzen ziehen sich etwas, die atemberaubende Landschaft lädt aber auch zu mittlerweile wohlverdienten kleineren Pausen ein.
Kurz vor dem Schlauchkarsattel steige ich aus Versehen schon ein Stück ins westliche Birkkar ab, man muss hier weiter oben bleiben. Also zurück und zur Birkkarhütte (Biwak). Von dort gehts noch etwa 100 hm über einen versicherten Steig (B?) zum Gipfel der Birkkarspitze. Ich gönne mir eine längere Pause und lasse den Blick schweifen. Man hat nochmal einen schönen Überblick über die gesamte Tour und weite Teile des Karwendels. Ein einsamer Bergsteiger befindet sich gerade im Abstieg von der KaWaKa, die könnte man auch noch dranhängen wenn man hart drauf ist, ich heute aber sicher nicht mehr. Der böiger Wind vertreibt mich nach einiger Zeit wieder vom Gipfel.
Runter gehts durch das westliche Birkkar, oben recht steil und stellenweise versichert (I+, T4), weiter unten viel Schutt (T4). Die müden Beine bescheren mir zwei unangenehme blaue Flecken am Gesäß, nachdem ich zu spät erkenne, dass die Auflage nicht zum Abfahren genügt. Das gute Wetter wird hier zum Fluch, Schatten sucht man bis fast ganz unten vergebens. Auch wenn der Weg landschaftlich durchaus schön ist. An einem sonnigen Tag ist von einem Aufstieg über diese Route dringend abzuraten. Nach schier endlosen steilen Serpentinen bin ich endlich wieder unten im Hinterautal.
Der Weg zum Kohlergraben ist nochmal ein ziemlicher Hatscher, wobei die Landschaft wirklich außerordentlich schön ist. Sehnsüchtig schaue ich den vielen Bikern nach, die mich überholen. Man hat das Gefühl, seit dem Aufkommen der E-Bikes ist das hier ein echter Hotspot geworden. So hat das der gute H. v. Barth wohl nicht gemeint, als er schrieb, er hoffe, die Zahl der Besucher und Kenner des Karwendels durch seine Berichte zu mehren. Am Bike angekommen, stelle ich fest, dass es noch ein Hindernis zwischen mir und der Heimfahrt gibt: Ein junger Stier steht vor meinem Bike, schaut mich an und beginnt unvermittelt an meinem Sattel zu schlecken. Ich versuche ihm vorsichtig zu verstehen zu geben, dass ich das Fahrrad jetzt leider brauche, was ihm gar nicht gefällt und ihn veranlasst, seine Hornansätze schwingend, auf mich loszugehen. Mit einem Satz bringe ich mich hinter einem Baum in Sicherheit, zum Glück zieht er von dannen und ich kann den Rückweg zum Parkplatz antreten, wo ich gegen 17 Uhr ankomme.
Fazit:
Eine absolute Traumtour für Liebhaber. Wen Schutt und Bruch nicht abschrecken, wer die endlose Mondlandschaft nicht monoton findet, wer abseits markierter Wege das Abenteuer sucht, ja für den ist es garantiert ein echtes Filetstück im Karwendel. Die Landschaft ist atemberaubend, die Einsamkeit erholsam und der Weg abwechslungsreich wie fordernd.
Die Verlängerung um Larchet- und gr Riedlkarspitze ist m.E. durchaus lohnend. Theoretisch könnte man auch von der Pleisenspitze starten und bis zur Kaltwasserkarspitze gehen.
Was die Anforderungen angeht, bewegt sich zwar ein großer Teil des Grates im Bereich I/II, T4/5. Sicheres Gehen an ausgesetzten Graten und im T6 Gelände, sowie freies Klettern bis zum III Grat sind aber stellenweise obligatorisch.
Eine persönliche Anmerkung, da es mein erster Tourenbericht ist:
Ich schätze das Hikr Forum gerade aufgrund der ausgefalleneren Touren, die hier publiziert werden. Ich möchte die Gelegenheit daher nutzen, mich allgemein für die vielen guten Berichte zu bedanken, die mich bereits zu vielen Touren inspiriert und auch auf dieser begleitet haben.
Bei dieser Gelegenheit auch ein kleiner Aufruf meinerseits: Leider ist die Zahl der Karwendelenthusiasten in meinem Bekanntenkreis eher klein, sollte jemand an Tourenpartnern für derartige Unternehmungen interessiert sein, würde ich mich über eine Nachricht freuen.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen noch schöne Herbsttouren!
Hike partners:
TobiasG
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