Verstanclahorn 3298m
|
||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Als ich vor Jahren für mein großes Projekt "alle 3000er der Ostalpen mit mindestens 400m Schartenhöhe" recherchierte, fiel mir bereits das Verstanclahorn als einer der anspruchsvollsten Gipfel der Region auf. Eine Ermittlung der Schartenhöhe ergab 380m und ich war damals froh, dass der Berg es somit nicht auf die Liste geschafft hatte. Seitdem ist viel passiert und da ich inzwischen mit Seilpartner Raphael regelmäßig recht anspruchsvolle Touren mache, konnte man nun ja einmal einen Versuch wagen. Raphael war auf Anfrage natürlich sofort mit von der Partie.
1. Tag: Zustieg ins Vernelatal
Da Raphael einen Tag mehr frei hatte als ich und schon tags zuvor für einen Versuch am Piz Linard angereist war, wollten wir uns am Berghaus Vereina treffen. Mit 20kg Gepäck und sommerlichen Temperaturen fuhr ich mit dem Rad die 10km und gut 600hm hinauf zum Berghaus. Unterwegs wurde ich von einigen locker schwatzenden "Sportlern" auf E-Bikes überholt, die teils amüsiert und teils mit Respekt meinen Gepäckberg begutachteten. Am Berghaus Vereina angekommen, benötigte ich erstmal eine halbe Stunde Verschnaufpause, und so ging es erst um 19 Uhr weiter, immerhin mit weniger Gepäck, da ich Raphael das schwere Seil abtreten konnte.
Wir folgten dem Wanderweg das total überflutete Vernelatal hinauf. Die Wassermassen bremsten uns etwas, da teilweise breite Bäche zu überqueren waren und unter Wasser stehende Wegpassagen links über die Böschung umgangen werden mussten. Der Boden im Talgrund war so nass, dass sich dort kein geeigneter Zeltplatz finden ließ. Wir trafen dann einen Einheimischen, der uns empfahl, oben am Chessisee zu zelten. Wir erreichten das Plateau um etwa 21 Uhr und in der Tat fand sich dort ein akzeptabler, wenn auch etwas windexponierter Platz für unser Zelt. Nach dem Aufbau machten wir uns nur noch kurz etwas zu essen und legten uns dann schnell schlafen.
2. Tag: Gipfel und Abstieg
Um 4 Uhr ging es los, erst noch im Halbdunklen über nassen Boden und ab etwa 2400m über eine geschlossene Schneedecke Richtung Bürgensee. Der See war noch größtenteils schneebedeckt und wir umliefen das Areal mit etwas Abstand auf der östlichen Seite. Hinter dem See ging es dann in nordöstlicher Richtung den Schneehang hinauf bis zu einer offensichtlichen Lücke zwischen den Felsen. Oben wieder über etwas flacheres Gelände leicht nach Norden ausholend, immer unter den Wänden des Chapütschin querend, betraten wir schließlich den Vernelagletscher. Über diesen ging es nun wieder in östlicher Richtung auf die Rinne zu, welche zum Vernelasattel hinaufzieht.
Die steile Rinne ist schon eine Respekt einflößende Erscheinung, man benötigt unbedingt gute Verhältnisse! Zwei Pickel bzw. Eisgeräte sind ratsam. Unten muss zuerst der Bergschrund überwunden werden, was in unserem Fall bei noch viel Schnee unproblematisch war. Darüber sind es dann ca. 200hm bis zum Grat, zuerst etwa 45 Grad steil. Dann gabelt sich die Rinne, der rechte Ast führt direkt Richtung Vernelasattel, der linke in eine Lücke weiter nördlich, an welche der Südgrat des Verstanclahorns ansetzt. Wir bogen also in den linken Ast ein, der recht schmal wird und mit etwa 50 Grad Steilheit schon sehr sicheres Steigen fordert. Oben wird die Flanke wieder breiter und das Gelände legt sich langsam gegen 45 Grad zurück, bevor man schließlich die Lücke erreicht.
Zuerst geht es kurz über einfaches Gelände hinauf in Richtung des ersten Grataufschwungs, welcher relativ frontal angepackt wird. Am Fuß einer Platte angekommen, sieht man linkerhand einen markanten Riss, über welchen man einen großen Felsvorsprung von seiner linken Seite erklettern kann. Hier oben befindet sich ein Abseilstand (mit 50m Seil kommt man bis ganz unten). Diesen Teil kletterten wir seilfrei (etwa III-). Dann folgt wieder kurz einfaches Gelände bis zum Fuß des nächsten Aufschwungs, wo man rechts hinauf und ums Eck klettert. Dort begutachteten wir die folgende, sehr ausgesetzte Passage an der rechten Gratseite und nahmen das Seil heraus.
Man peilt eine kleine Gratscharte an, in welcher sich ein weiterer Abseilstand befindet. Bis dort hinauf hat es einige Risse, in welchen sich Klemmgeräte platzieren lassen (Größen 0.5 bis 1.0). Die Stelle ist steil, aber nicht übermäßig schwierig (ca. III). Von der Scharte wechselt man kurz in die linke Gratseite. Nochmal sehr ausgesetzt geht es dort hinauf (etwa II+) auf den Grat, auch hier sind genügend Möglichkeiten für Klemmgeräte. Das folgende, sehr schmale Gratstück sieht spektakulär aus, ist aber verhältnismäßig einfach. Mit guten Griffen und Tritten an der rechten Seite kommt man schnell in die nächste Scharte hinab. (Hier endet das "Wintercouloir" aus der Südwestflanke.)
Der Aufschwung hinter der Scharte war schneebedeckt, was wir glücklicherweise von unten schon gesehen hatten. Daher hatten wir unsere Eisausrüstung nicht am Beginn des Grates deponiert. Wir entschieden uns, das löchrige Schneefeld gesichert zu begehen. Schräg nach links stiegen wir zwischen zwei Löchern nacheinander hinauf. Ein Blick in die Löcher offenbarte ziemlich glatte Platten unter dem Schnee. Eventuell wäre hier sogar die klettertechnische Schlüsselstelle, die wir über den Schnee einfach überlaufen konnten. Oben deponierten wir die Eisausrüstung und stiegen in der linken Flanke über Gehgelände hinauf, kurz vor dem Gipfel muss man noch einmal etwas kraxeln und dann war es um kurz nach 9 Uhr geschafft.
Auf dem Gipfel erwartete uns ein unangenehmer Wind, so dass wir nur schnell Fotos machten und uns für die Gipfelrast wieder zurück in die Südwestflanke verzogen. Anschließend kletterten wir gesichert wieder zurück zum oberen Abseilstand. Hier seilte ich als Erster bis auf Höhe des Ecks ab, um welches wir hinauf gekommen waren. Vorsichtig manövrierte ich mich auf einer Höhe dort hinüber und seilte hinter dem Eck nochmal ein paar Meter ab. Dann knotete ich die Seilenden an mir fest, so hatte Raphael noch etwas mehr Sicherheit bei seiner Abseilaktion. Der untere Abseiler war dann Standard und wir erreichten den Sattel gegen 10:45.
Nun hieß es, nochmal mit voller Konzentration rückwärts die Rinne abzusteigen. Die Tritte waren in der Zwischenzeit etwas aufgeweicht und mussten nochmal nachgetreten werden. Spätestens ab der Hälfte schmerzten meine Schultern und meine Armmuskulatur gab immer energischer Widerworte von sich. Die Pausen wurden dadurch immer häufiger und länger und ich war froh, als ich mich endlich umdrehen und vorwärts bis zu meinem Stockdepot abrutschen konnte. Unten sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass die ganze Aktion, die Rinne abzusteigen, über 1,5 Std gedauert hatte.
Von nun an ging es aber erstmal schnell. Wir rutschten die Schneefelder ab bis zum Bürgensee und querten wieder zum Zeltplatz, welchen wir um 13:30 erreichten. Nun mussten wir nur noch unser Zeug zusammenpacken und das Vernelatal rauslaufen. Gegen 16:15 waren wir wieder beim Berghaus Vereina, wo wir nochmal kurz Pause machten. Dann verabschiedete ich mich von Raphael und konnte, so gemütlich es mit schwerem Gepäck eben ging, den restlichen Weg auf dem Fahrrad rollen lassen. Ziemlich platt war ich dann um 17:15 wieder am Parkplatz in Monbiel.
Eine Bemerkung zur Schwierigkeitsangabe:
In der Literatur ist die Route mit S bewertet. Alpin_Rise und Delta stufen dies in ihrem Bericht hier als zu hoch ein und vergeben (unter der Voraussetzung optimaler Bedingungen) ein ZS. Grundsätzlich stimme ich dem Schwierigkeitsgrad für den Kletterteil oben am Südgrat zu, hier befindet man sich in schönem Klettergelände bis III mit genügend Sicherungs- und Abseilmöglichkeiten. Schlüsselstelle der Tour war für uns aber eindeutig die Rinne mit dem langen, sehr steilen Mittelteil, in dem man faktisch kaum sichern kann. Wir waren dort trotz ziemlich guter Bedingungen schon recht hart gefordert. Nach unserem Empfinden ging das knapp über den ZS-Bereich hinaus, daher die Gesamtbewertung S-.
1. Tag: Zustieg ins Vernelatal
Da Raphael einen Tag mehr frei hatte als ich und schon tags zuvor für einen Versuch am Piz Linard angereist war, wollten wir uns am Berghaus Vereina treffen. Mit 20kg Gepäck und sommerlichen Temperaturen fuhr ich mit dem Rad die 10km und gut 600hm hinauf zum Berghaus. Unterwegs wurde ich von einigen locker schwatzenden "Sportlern" auf E-Bikes überholt, die teils amüsiert und teils mit Respekt meinen Gepäckberg begutachteten. Am Berghaus Vereina angekommen, benötigte ich erstmal eine halbe Stunde Verschnaufpause, und so ging es erst um 19 Uhr weiter, immerhin mit weniger Gepäck, da ich Raphael das schwere Seil abtreten konnte.
Wir folgten dem Wanderweg das total überflutete Vernelatal hinauf. Die Wassermassen bremsten uns etwas, da teilweise breite Bäche zu überqueren waren und unter Wasser stehende Wegpassagen links über die Böschung umgangen werden mussten. Der Boden im Talgrund war so nass, dass sich dort kein geeigneter Zeltplatz finden ließ. Wir trafen dann einen Einheimischen, der uns empfahl, oben am Chessisee zu zelten. Wir erreichten das Plateau um etwa 21 Uhr und in der Tat fand sich dort ein akzeptabler, wenn auch etwas windexponierter Platz für unser Zelt. Nach dem Aufbau machten wir uns nur noch kurz etwas zu essen und legten uns dann schnell schlafen.
2. Tag: Gipfel und Abstieg
Um 4 Uhr ging es los, erst noch im Halbdunklen über nassen Boden und ab etwa 2400m über eine geschlossene Schneedecke Richtung Bürgensee. Der See war noch größtenteils schneebedeckt und wir umliefen das Areal mit etwas Abstand auf der östlichen Seite. Hinter dem See ging es dann in nordöstlicher Richtung den Schneehang hinauf bis zu einer offensichtlichen Lücke zwischen den Felsen. Oben wieder über etwas flacheres Gelände leicht nach Norden ausholend, immer unter den Wänden des Chapütschin querend, betraten wir schließlich den Vernelagletscher. Über diesen ging es nun wieder in östlicher Richtung auf die Rinne zu, welche zum Vernelasattel hinaufzieht.
Die steile Rinne ist schon eine Respekt einflößende Erscheinung, man benötigt unbedingt gute Verhältnisse! Zwei Pickel bzw. Eisgeräte sind ratsam. Unten muss zuerst der Bergschrund überwunden werden, was in unserem Fall bei noch viel Schnee unproblematisch war. Darüber sind es dann ca. 200hm bis zum Grat, zuerst etwa 45 Grad steil. Dann gabelt sich die Rinne, der rechte Ast führt direkt Richtung Vernelasattel, der linke in eine Lücke weiter nördlich, an welche der Südgrat des Verstanclahorns ansetzt. Wir bogen also in den linken Ast ein, der recht schmal wird und mit etwa 50 Grad Steilheit schon sehr sicheres Steigen fordert. Oben wird die Flanke wieder breiter und das Gelände legt sich langsam gegen 45 Grad zurück, bevor man schließlich die Lücke erreicht.
Zuerst geht es kurz über einfaches Gelände hinauf in Richtung des ersten Grataufschwungs, welcher relativ frontal angepackt wird. Am Fuß einer Platte angekommen, sieht man linkerhand einen markanten Riss, über welchen man einen großen Felsvorsprung von seiner linken Seite erklettern kann. Hier oben befindet sich ein Abseilstand (mit 50m Seil kommt man bis ganz unten). Diesen Teil kletterten wir seilfrei (etwa III-). Dann folgt wieder kurz einfaches Gelände bis zum Fuß des nächsten Aufschwungs, wo man rechts hinauf und ums Eck klettert. Dort begutachteten wir die folgende, sehr ausgesetzte Passage an der rechten Gratseite und nahmen das Seil heraus.
Man peilt eine kleine Gratscharte an, in welcher sich ein weiterer Abseilstand befindet. Bis dort hinauf hat es einige Risse, in welchen sich Klemmgeräte platzieren lassen (Größen 0.5 bis 1.0). Die Stelle ist steil, aber nicht übermäßig schwierig (ca. III). Von der Scharte wechselt man kurz in die linke Gratseite. Nochmal sehr ausgesetzt geht es dort hinauf (etwa II+) auf den Grat, auch hier sind genügend Möglichkeiten für Klemmgeräte. Das folgende, sehr schmale Gratstück sieht spektakulär aus, ist aber verhältnismäßig einfach. Mit guten Griffen und Tritten an der rechten Seite kommt man schnell in die nächste Scharte hinab. (Hier endet das "Wintercouloir" aus der Südwestflanke.)
Der Aufschwung hinter der Scharte war schneebedeckt, was wir glücklicherweise von unten schon gesehen hatten. Daher hatten wir unsere Eisausrüstung nicht am Beginn des Grates deponiert. Wir entschieden uns, das löchrige Schneefeld gesichert zu begehen. Schräg nach links stiegen wir zwischen zwei Löchern nacheinander hinauf. Ein Blick in die Löcher offenbarte ziemlich glatte Platten unter dem Schnee. Eventuell wäre hier sogar die klettertechnische Schlüsselstelle, die wir über den Schnee einfach überlaufen konnten. Oben deponierten wir die Eisausrüstung und stiegen in der linken Flanke über Gehgelände hinauf, kurz vor dem Gipfel muss man noch einmal etwas kraxeln und dann war es um kurz nach 9 Uhr geschafft.
Auf dem Gipfel erwartete uns ein unangenehmer Wind, so dass wir nur schnell Fotos machten und uns für die Gipfelrast wieder zurück in die Südwestflanke verzogen. Anschließend kletterten wir gesichert wieder zurück zum oberen Abseilstand. Hier seilte ich als Erster bis auf Höhe des Ecks ab, um welches wir hinauf gekommen waren. Vorsichtig manövrierte ich mich auf einer Höhe dort hinüber und seilte hinter dem Eck nochmal ein paar Meter ab. Dann knotete ich die Seilenden an mir fest, so hatte Raphael noch etwas mehr Sicherheit bei seiner Abseilaktion. Der untere Abseiler war dann Standard und wir erreichten den Sattel gegen 10:45.
Nun hieß es, nochmal mit voller Konzentration rückwärts die Rinne abzusteigen. Die Tritte waren in der Zwischenzeit etwas aufgeweicht und mussten nochmal nachgetreten werden. Spätestens ab der Hälfte schmerzten meine Schultern und meine Armmuskulatur gab immer energischer Widerworte von sich. Die Pausen wurden dadurch immer häufiger und länger und ich war froh, als ich mich endlich umdrehen und vorwärts bis zu meinem Stockdepot abrutschen konnte. Unten sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass die ganze Aktion, die Rinne abzusteigen, über 1,5 Std gedauert hatte.
Von nun an ging es aber erstmal schnell. Wir rutschten die Schneefelder ab bis zum Bürgensee und querten wieder zum Zeltplatz, welchen wir um 13:30 erreichten. Nun mussten wir nur noch unser Zeug zusammenpacken und das Vernelatal rauslaufen. Gegen 16:15 waren wir wieder beim Berghaus Vereina, wo wir nochmal kurz Pause machten. Dann verabschiedete ich mich von Raphael und konnte, so gemütlich es mit schwerem Gepäck eben ging, den restlichen Weg auf dem Fahrrad rollen lassen. Ziemlich platt war ich dann um 17:15 wieder am Parkplatz in Monbiel.
Eine Bemerkung zur Schwierigkeitsangabe:
In der Literatur ist die Route mit S bewertet. Alpin_Rise und Delta stufen dies in ihrem Bericht hier als zu hoch ein und vergeben (unter der Voraussetzung optimaler Bedingungen) ein ZS. Grundsätzlich stimme ich dem Schwierigkeitsgrad für den Kletterteil oben am Südgrat zu, hier befindet man sich in schönem Klettergelände bis III mit genügend Sicherungs- und Abseilmöglichkeiten. Schlüsselstelle der Tour war für uns aber eindeutig die Rinne mit dem langen, sehr steilen Mittelteil, in dem man faktisch kaum sichern kann. Wir waren dort trotz ziemlich guter Bedingungen schon recht hart gefordert. Nach unserem Empfinden ging das knapp über den ZS-Bereich hinaus, daher die Gesamtbewertung S-.
Tourengänger:
Cubemaster,
Raphy


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare (7)