Schali mit Schi...


Publiziert von lorenzo , 12. Mai 2024 um 22:09.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:11 Mai 2024
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 13:15
Aufstieg: 2645 m
Abstieg: 2825 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Zermatt
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Täsch
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Alphubel, Zermatt, Hotel Helvetia, Zermatt
Kartennummer:LK 2515 Zermatt-Gornergrat, Swisstopo Skirouten; H. Biner, Hochtouren im Wallis, SAC 1994, www.gipfelbuch.ch

Kenner halten den Schaligrat am Weisshorn wohl zu Recht für eine der schönsten Hochgebirgskletterrouten der Alpen. Hinsichtlich Schalihorn, über das der heute übliche Zustieg zum Ausgangspunkt Schalijochbiwak führt, gehen aber die Meinungen auseinander. So schätzte Erhard Loretan anlässlich der Gesamtüberschreitung der Couronne Impériale im Winter 1986 dessen Überschreitung als "Spaziergang für seine Grossmutter" ein, was dann sogar sein Seilpartner André Georges, auch kein Kind von Traurigkeit, etwas untertrieben fand. Und ein Führer aus Guttannen erklärte mir einmal, er habe das Schalihorn insgesamt genau dreimal überschritten, nämlich ein erstes, einziges und letztes Mal...Dagegen eignet sich der Schalihorn S- oder Hauptgipfel laut Führerautor Hermann Biner auch als Ausweichtour bei unsicherem Wetter, was ich, nachdem ich Markus Stähelins inspirierenden Ski'n'Fly-Bericht gelesen hatte, für mich zu einem grosszügigen Skitourenziel bei sicheren Wetter- und Lawinenverhältnissen uminterpretierte. Da der Abbruch des Hohlichtgletschers auf der Karte aber doch recht strub aussieht, entschied ich mich für einen Aufstieg von Zermatt über die Rothornhütte und das Ober Äschhorn und plante, zu diesem zurückzukehren und über das Furggji ins Schali abzufahren.

Als die MGB zwischen ab Stalden wegen einer Betriebsstörung mehrmals anhielt, kamen eine junge und eine ältere Walliserin aus "Saniglas" und Täsch ins "Brichten", und sie tauschten sich in ihrem wunderbar melodiösen Dialekt - Musik in meinen Ohren - mitunter über das Studium in der "Üsserschwiiz", das Leben alleine als Witwe, und den bisher kapriolenreichen "Üstag"  aus. Als wir Randa passierten, stand die Sonne tief über dem Weisshornjoch, und ich konnte einen Blick auf die makellose NE-Wand erhaschen, deren Befahrung durch Christophe Jacquerod für mich immer noch der Goldstandard einer gelungenen Skitour darstellt, auch wenn dessen Erfüllung für schwache Nerven und schwindende Kräfte in der Matter Vispa 
immer weiter davonschwimmt...Bevor die ältere der beiden Walliserinnen in Täsch ausstieg, durfte auch ich noch einige Worte mit dieser unglaublich herzensguten Frau wechseln. Solche Ausfälle der MGB gebe es immer wieder, v.a. an Wochenenden, aber "wiär nämuns wiäs chunnd." Auf meine Bemerkung, dass es auch bei ihnen im Wallis dem Schnee an den Kragen gegangen sei, meinte sie bloss: "Jawoll, öüi bin iisch het's zletscht Tagu bis wiit embrüf grägnuts" und wünschte mir alles Gute. In Zermatt angekommen, wo die Zwischensaison vorbei war, und sich Gäste aus aller Welt tummelten, bezog ich ein Zimmer im Hotel Alphubel, kaufte mir im Coop etwas zum Frühstück, ass in der Walliser Kanne, und legte mich frühzeitig schlafen.

Als ich um viertel vor zwei loslief, schlossen die letzten Lokale, und die Angestellten machten vor dem Aufräumen draussen noch eine Rauchpause. Steil und zuerst noch etwas harzig mühte ich mich zum Edelweiss hoch, in der Schlucht, wo unten in der dunklen Tiefe der Triftbach rauschte, fand ich dann trotz sperrigen Lawinenkegelns aber langsam meinen Rhythmus, und schon bald leuchtete im Licht der Stirnlampe der Schriftzug "Hotel du Trift" auf, das wie das Edelweiss (und auch die neue Rothornütte, die diesen Sommer eröffnet wird) noch geschlossen war. Endlich konnte ich in die Ski und auf hartem aber griffigem Firn weitersteigen, wobei ich mich z.T. an Abfahrtsspuren (die vom Unter Äschjoch kamen, wie ich später feststellte) orientieren konnte. Ca. um fünf Uhr war es genug hell, um die Stirnlampe auszuschalten, und rund herum räkelten sich erste Zacken der Kaiserkrone in der Dämmerung. Auf Höhe Rothornhütte machte ich eine erste Pause (weitere folgten auf dem Ober Äschhorn, dem Hohlichtpass und auf Schalenäbi), bevor mich der sanft geneigte Rothorngletscher zum Unter Äschjoch trug. Von hier gewahrte ich erstmals mein Tagesziel, das Schalihorn, und zu meiner Beruhigung günstige Verhältnisse auf dem gut eingeschneiten Hohlichtgletscher. Der E-Grat zum Ober Äschhorn war zwar leicht, wegen noch nicht trittfestem Schnee aber recht anstrengend. Nachdem ich den Bergschrund vorsichtig passiert hatte, fuhr ich in bremsendem Bruchharsch unter dem Zinalrothorn hindurch bis unter die Pointe Nord de Moming, ab, wo bei einem kürzlichen Eisabbruch das Gröbste zum Glück schon hinunter gekommen war.

In angenehmer Steigung und wiederholt von Helis der Air Zermatt besucht, die (wie mir später ein Täscher erklärte, Rundflüge für Touristen durchführen) gelangte ich über die Gletscherrippe und weiter nach N zum Hohlichtpass, der die Sicht  ins Val d'Anniviers und weiter 
nach W öffnete. Zuerst noch bequem mit Ski, dann in durchbrechendem Harsch angestrengt und ziemlich langsam wieder zu Fuss, gelangte ich über den SSW-Rücken zum SW-Grat, wo mir "Pulver, schlecht" nochmal kurz eins drauf haute. Das Ambiente war aber so grandios und der Gipfel so nah, dass ich mich durch nichts mehr verdriessen liess. Nach neuneinhalb Stunden endlich oben angekommen, konnte ich nur noch rundherum staunen, v.a. aber war ich froh, nicht noch mit meiner Grossmutter zum N-Gipfel weiterspazieren zu müssen...Vom Skidepot ging es in mittlerweile schönem Sulz, dem der morgendliche Bruchharsch Platz gemacht hatte, zurück zum Hohlichtgletscher, und, nach einer Planänderung angesichts der günstigen Verhältnisse auch S des wild zerklüfteten Abbruchs, direkt dort hinunter, und in zunehmend faulem, aber gerade noch fahrbarem Schnee weiter über das coupierte Triftji und entlang der S-Moräne zum Schalibach. Hier konnte ich noch ein Stück weit mit Ski dem Weg folgen, den ich dann aber unter dem Schnee verlor und erst nach einem ruppigen Verhauer weiter unten, wo es aper war, wieder fand. Auf federndem Waldboden schunkelte ich dann mit meiner Mogelpackung, die inzwischen doppelt so schwer zu sein schien wie sie tatsächlich war, durch erfrischenden Lärchenduft über das Schalenäbi hinunter zum Parkplatz Schali, wo sich besagter freundlicher Täscher nach den Verhältnissen erkundigte, und mir dafür einen tollen Tourentipp, nämlich das SE-Couloir von den Wisse Schijen, das zu uns hinunter winkte, mit auf den Weg gab. Ein erholsamer Spaziergang führte mich entlang der munter kruspelnden Matter Vispa zum Bahnhof Täsch, wo ich mich erst gestern von der guten Walliserin verabschiedet hatte, und nun auf die Mutter Gottes wartete...

Schalihorn

Aufstieg von Zermatt: vom Dorf (1616m) auf dem weiss-rot (wr) markierten Triftweg über das Alterhöud bzw. Restaurant Edelweiss (1961m) und die Schlucht des Triftbachs zum Berggasthaus Trift (2337m), T3. Weiter auf der blau eingezeichneten Skiroute über Vieliboden und die NE-Moräne des Triftgletschers (bis 30 Grad) zur Rothornhütte (3197m). Nach N zum Rothorngletscher, und auf diesem (wenige Spalten) nach NE zum Unter Äschjoch 3550m. Zu Fuss über den E-Grat (Stellen I-II, Firn) auf das Ober Äschhorn (3668m). Abstieg an geeigneter Stelle zwischen NW und SW (Bergschrund) zum oberen Hohlichtgletscher und Abfahrt W ausholfend in einem weiten Rechtsbogen (kaum Spalten) bis ca. 3380m unter der Pointe Nord de Moming (3863m, Vorsicht wegen Eisschlag). Nach NE auf die SSE-Rippe des Hohlichtgletschers und auf dieser und dessen N-Ausläufer (bis 30 Grad) zum Hohlichtpass (37340m). Auf dem SSW-Rücken mit Ski bis zur Schulter 3797, dann Portage (30-35 Grad) bis zum Beginn der Felsen bei ca. 3920m, Skidepot. Weiter kombiniert (40-45 Grad) zu Fuss zum SW-Grat und über diesen (Stellen I-II) zum Gipfel des Schalihorns (3974m), ZS (Skitourenskala), WS (Hochtourenskala), 8-10h.

Abfahrt nach Täsch: vom Gipfel des Schalihorns (3974m) zurück zum Skidepot auf ca. 3920m. Abfahrt entlang der Aufstiegsroute (30-35 Grad) zurück zum Plateau des Hohlichtgletschers, das nach S gequert wird. Dann auf der blau eingezeichneten Route nach E zwischen Gletscherabbruch und Äschhörner NNE-Flanke (so z.T. riesige Spalten ausweichend) hinunter zum Triftji (bis 35 Grad) und zwischen diesem und der S-Moräne zu P. 2141 beim Schalibach, WS, ZS. Nun so weit wie möglich mit Ski, dann zu Fuss auf dem eingezeichneten Weg zu P. 2098 und wr  durch Lärchenwald über Schalenäbi und zuletzt gelb zum Parkplatz Schali (1428m). Weiter gelb auf dem Uferweg entlang der Matter Vispa, über die Brücke und auf der Kantonsstrasse zum Bahnhof Täsch (1439m), T3, 2-3h.

Verhältnisse: bei leichter Restbise sonnig mit wenig Quellwolken, morgens kühl, mittags warm. Oberhalb ca. 2000m 20-200cm Schnee, morgens hart und Harsch, mittags Harsch, Sulz und faul. Abfahrtsspuren vom Unter Äschjoch (dort auch Lande- und Startspuren von Gletscherflugzeug) und im Triftji und Schali. Am Ober Äschhorn E-Grat und am Schalihorn SSW-Rücken durchbrechender Harsch und lockerer Pulver. Rothorn- und Hohlichtgletscher gut eingeschneit, auf dem Plateau und bis zum Hochlichtpass und am Rand S vom Abbruch kaum oder gut erkenn- und umgehbare Spalten. Zahlreiche alte Locker- und Nassschneelawinenkegel. Portage bis Trift (in der Schlucht einige Lawinenreste), kurz unter der Rothornhütte und ab Schalenäbi bei ca. 2000m.

Material: übliche Skihochtourenausrüstung.

Fahrplan: 1.45 Zermatt, 3.45 Trift, 6.15 Rothornhütte, 8 Uhr Ober Äschhorn, 11.15 Schalihorn, 12.45 Schalibach, 15 Uhr Täsch.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

ChristianR hat gesagt:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 08:27
Tolle Leistung!

Der MGB-Zug ist in der Tat eine Raum-Zeit-Tür, die es Ihnen ermöglicht, in die 70er und 80er Jahre zurückzukehren, um Pink Floyd oder AC-DC zu hören, bevor Sie mit dem Aufstieg beginnen.

Das Problem ist, dass die Rückreise einen in die Gegenwart zurückführt.

(Von Google aus dem Französischen übersetzt, Ergebnis nicht garantiert.)

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 11:03
Ja, auch beim Warten z.B. in der MGB kann man ausbrechen, Neues und Unerwartetes erleben und Erfüllung finden, bis einen die Weiterfahrt zurück in die eigene Realität holt...

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 14:08
Gratuliere Lorenzo zu dem schöne Gipfel (ich kennen nume vom Summer und han en uf beidi Siite gmacht (well mer damals am Schaligrat wäge Schlechtwätter händ müesse umdreihe). Definitiv kein Spatziergang für d'Grossmuetter :-) Super au Din Bricht - wie gwohnt unterhaltsam, informativ und sehr spannend. Wiiterhin unfallfreie und tolli Toure!

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Mai 2024 um 21:37
Danke Bombo! Ich habe gerade nochmals Deine eindrücklichen Berichte und Fotos angeschaut. Was für eine Enttäuschung und Leistung, nach solchen Anstrengungen kurz unter dem Gipfel abdrehen und bei derartigem Wetter fast die ganze Route wieder abklettern zu müssen, um dann am nächsten Tag noch das ebenfalls anspruchsvolle Schalihorn im umgekehrter Richtung zu überschreiten. Das braucht Nerven...und den Durchhaltewillen und die Ausdauer gestandener Alpinisten!

nprace hat gesagt:
Gesendet am 17. Mai 2024 um 05:57
Oh... so eine schöne und kreative Tour. Bravo.

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Mai 2024 um 18:08
Vielen Dank, das freut mich! Die Tour ist wirklich empfehlenswert, wenn man sich nicht scheut, hin und wieder die Ski zu tragen...


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