Vom Guggenloch ins Hammertobel


Publiziert von konschtanz , 9. April 2024 um 22:13.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 7 April 2024
Wegpunkte:
Zufahrt zum Ausgangspunkt:7:35 Start Bärenplatz Kreulingen. Mit dem Velo über Lengwil, Illighausen, Klarsreuti, Mattwil, Leimbach, Opfershofen, Bürglen, Istighofen, Mettlen, Wuppenau, Wil, Rickenbach, Bazenheid 11:17 21°C, zum Viadukt bei Lütisburg. Ankunft Guggenloch 11:30.

Wer mit dem Auto von Wil nach Bütschwil fährt, sieht kurz nach Bazenheid links Lütisburg, rechts ein hohes Viadukt, darunter ein Sackgassenschild: Guggenloch.

Wer als Wanderer von Lütisburg nach Lütisburg Station geht, kommt nach Querung der Holzbrücke und der Strasse ebenfalls an dem Schild vorbei, quert den Gonzenbach über eine Brücke, die zugleich die Strasse ist, und geht dann auf der anderen Seite des Gonzenbachs recht steil bergauf. Jetzt, wo die Laubbäume noch licht sind, sieht man da und dort zwischen den Zweigen noch einen Wasserfall hinten im Loch, der in ein schönes grünes Becken stürzt.

Wer dagegen einfach dem Schild folgt und sich von Sackgassen nicht abschrecken lässt, kommt in einen Kessel mit steilen Wänden aus Nagelfluh, die oft mit Kalktuff überzogen sind. Die Häuser am Ende des Kessels müssen ihren Platz mit dem teilen, was von oben herabstürzt. Jetzt wird der Wasserfall erst richtig sichtbar, besser - er war es, als ich das letzte Mal hier war.

Denn heute steht schon weit vorne, gleich am Viadukt, das Schild:

Guggenloch – heute privat“

 

Mhm! Das ist nun schon die dritte Neuerung, die mich heute an diesem Ort überfällt.

Zuerst am Brunnen, direkt gegenüber dem Zebrastreifen, der die Strasse quert. Das letzte Mal war er noch von bunt bemoostem Kalktuff umrahmt, der eine Zierde der Strasse war. Der Kalktuff wurde wohl als Sicherheitsrisiko wahrgenommen, er ist abgeschlagen und durch Drahtnetze ersetzt, die vor abfallendem Gestein schützen sollen.

 

Die zweite Überraschung war die Baustelle direkt am Eingang des Kessels, wo jetzt auch hohe Steilwände mit Drahtnetzen bespannt werden.

Für mich eine Frage der Ästhetik, für andere eine Frage der Sicherheit, da will ich niemandem dreinreden.

 

Aber „heute privat“ war ein herber Schlag. Denn mein Weg startet am Ende der Sackgasse. Dort, wo das Wasser ins grüne Becken fällt, ist rechts eine Felswand, an der ein Pfad entlang nach oben zur Staumauer führt, die den Gonzenbach staut, bevor er über den natürlichen Fels ins Tiefe stürzt. Und von der Staumauer, die man dann auf die andere Seite queren kann, startet mein Weg.

 

Das war wohl nichts. Aber zum Glück gibt es ja noch den Wanderweg nach Station Lütisburg. Ich gehe ein kurzes Stück dort hoch, und sobald rechts ein Weg abzweigt, folge ich ihm. So erreiche ich die Oberkante des Wasserfalls eben von der anderen Seite. Und unterwegs entdecke ich noch Aussichtspunkte, die das Guggenloch aus anderer Perspektive zeigen.

 

Das Gewohnheitstier Mensch: Wie schwer es mir doch immer wieder fällt, mich den Dingen aus einem anderen Blickwinkel zu nähern!

 

Nun folge ich dem Gonzenbach oberhalb der Staumauer auf der linken Seite gegen den Strom. Als ich einem Pfad in der Böschung folgend aufsteige, sehe ich einen Mann mit Wohnwagen, der sich im Staub der Sahara-Sonne sonnt. Das erkenne ich auch ohne Schild als privat und steige wieder ab. Sein Hund bemerkt mich trotzdem und kommt die Böschung runtergerast. Er kann nicht früh genug bremsen und schiesst an mir vorbei, aber es passiert ihm nichts. Ein munterer Geselle und umgänglich, wahrscheinlich will er spielen. Ich habe Glück gehabt. Er kommt noch ein paar mal, zu mir, dann kehrt er wieder zurück.

 

Die Steilwände sind auch hier stellenweise mit Kalktuff bedeckt, am Fusse sind Tümpel von Regenfällen und Hochwasser. Ich schaue rein: Wasserläufer, aber keine Amphibien. Mit seinen Kiesbänken und verblühten Weiden bildet der Gonzenbach hier einen schönen Auenwald. Das Milzkraut blüht, ich sehe Bärlauch und Brennnesseln. Beim nächsten Felsvorsprung von links heisst es entweder aufsteigen oder Schuhe ausziehen. Ich entscheide mich für den Aufstieg. In der Böschung verläuft ein recht komfortabler Pfad. Als ich die Kante erreiche, sehe ich dahinter die Mündung eines Seitenbachs von links, also von Süden. Der Seitenbach ist viel kleiner als der Gonzenbach und fällt über dunklen Kalktuff in den Gonzenbach. Im Aufstieg links von ihm liegt ein grosser Findling. Sieht aus wie dunkler Sandstein, aber mit knolligen Gebilden. Er erinnert mich an die Garschella-Formation in den Churfirsten.

 

Ich wechsle auf die andere Seite des Zuflusses und gehe auf dem Grat bergauf. An einer Stelle, die nicht mehr weit von der Oberkante ist, führt der Pfad über die Wurzeln eines Haselstrauchs nach rechts und dann hangparallel durch die Böschung. Weit unten der Gonzenbach. In einem Baumstumpf gedeiht etwas Durchsichtiges, Glibbriges? Nostoc-Bakterien? Fühlt sich an wie Wackelpudding.

 

Langsam steigt der Weg wieder ab. Ich gehe auf den Kiesbänken im Bachbett. Vor mir zahlreiche umgestürzte Bäume. Rechts haben die entwurzelten Bäume einen größeren Abschnitt des Felshangs freigelegt, es schimmert rötlich, wohl Mergel. Es scheint, als hätten nicht nur Wanderschuhe Mühe, auf Mergel Tritt zu fassen...

 

Nach einer Pause gehe ich am rechten Ufer weiter. Abgestürzte Nagelfluhblöcke im Hangschutt, abgeschliffene Kieselkalk-Findlinge im Bachbett. Jetzt muss ich mich entscheiden: Schuhe ausziehen oder den nächsten Vorsprung übersteigen. Ich gehe bergauf. Dann sehe ich, dass es nach vorne und nach oben steiler wird und gehe am Grat abwärts. Das war gut so, denn jetzt sehe ich senkrechte Nagelfluhwände auf meiner Seite. Mit gelenktem Abrutschen erreiche ich das Ufer, das bei höherem Wasserstand nicht mehr begehbar wäre. Weiter auf der rechten Seite. Schliesslich sehe ich, dass das linke Ufer an der Basis mit einer alten Stützmauer gesichert ist, etwas flussaufwärts dienen Steinblöcke als Uferschutz. Auf meiner Seite ist eine überhängende Nagelfluhwand in Sicht. Prallwand, unten gibt‘s nasse Füsse. Spätestens jetzt heisst es, die Seite wechseln. Ich ziehe Schuhe und Strümpfe aus. Das Wasser ist eisig, aber zum Glück flach. In der überhängenden Nagelfluhwand sehe ich eine alte Nestkugel der Wasseramsel. Am Rande der Wiese gehe ich vor zum Schotter- und Wanderweg. Ich erreiche ein Schild von hinten:

Privat – betreten verboten“

 

Das bedeutet, dass ich die Seite schon früher hätte wechseln sollen, um dieses Privatgelände nicht zu betreten. Laut Landkarte sind die Häuser mit dem Namen „Chupferhammer“ bezeichnet. Eines sieht aus wie eine alte Fabrik. Davor ein Schild:

 

Ganzes Gelände privat“

 

Ich folge nun der gelben Wanderraute bergauf, Richtung Bäbikon. Tobelgang beendet. Schade, der Gonzenbach ist hier beeindruckend. Aber es ist Sonntag, die Bewohner des Hauses sitzen im Freien. Auch sie haben ihr Recht auf Erholung. In einer Wegkurve zweigt ein Pfad ab, dem ich kurz folge. Durch das Geäst bekomme ich einen Blick auf einen wunderschönen Wasserfall im Gonzenbach, dessen Rauschen ich bis hierher höre. Auch der Wasserfall, wohl Energiequelle einer ehemaligen Fabrik, ist privat.

https://www.müselbach.ch/weblog/pivot/entry.php?id=61

 

Der Wanderweg führt an der Oberkante noch ein Stück aufwärts, nach Bäbikon. Bei den ersten Häusern biege ich nach rechts und gehe an der Strasse zurück. Ein Bauer mäht mit Motorhandmäher eine grosse Löwenzahnwiese. Als ich am Bauernhof Tobelschür vorbeikomme, hängt eine Frau gerade die Wäsche auf. Sie macht mich darauf aufmerksam, dass der Weg im Wald an einem Holzschlag im Tobel ende. Nun, das Wort Tobel ist nicht gerade das, was mich abschreckt. Sie meinte, danach gehe es höchstens durch die Wiesen weiter, was ich nicht will und die Anwohner erst recht nicht. Ich frage, ob ich nicht am Waldrand gehen kann, worauf sie trocken meint:

„Wenn Sie wänd abstürze...“

Das überzeugt mich dann. Sie beschreibt mir die Wegführung, und so gehe ich vor bis zur Strassenkreuzung Neutal, über Hänisberg, wo zwei Buben „Geschnitztes“ zu verkaufen suchen, bis zum Bahndamm. Der Weg führt direkt an der Bahn entlang bis zum Viadukt. Abstieg mit schöner Aussicht auf den Speer, heute alles in den Dunst des Sahara-Staubs getaucht.

Um 17.20 Uhr schwinge ich mich auf‘s Velo und mache mich auf den Heimweg. Bazenheid, 17.36 Uhr, 23° C. Wil. Wuppenau. Mettlen. Bürglen. Leimbach. Mattwil. Rast in Klarsreuti. Um 20:26 Uhr erreiche ich den Bärenplatz Kreuzlingen, 19°C.


Tourengänger: konschtanz


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»