Vordere Loner 3048m

Den Vorderen Loner habe ich bereits zwei Mal im Sommer besucht. Ein eindrücklicher Berg mit spannenden Routen. Lohnend ist ein Besuch auch im Winter, dann über die riesige SW-Flanke, idealerweise mit Abfahrt direkt vom Gipfel. Das wird wenig gemacht und erfordert sehr sichere Verhältnisse. Trotz Steilheit bis 45° stellen die grosszügigen Hänge für sichere Skifahrer eine machbare Herausforderung dar. Schlüsselstelle markiert vielmehr der Felsriegel, welcher zu Fuss recht ausgesetzt überwunden werden muss. In Skischuhen und mit schwerem Ballast am Rücken geriet ich hier unerwartet etwas ins Schwitzen.

Auf die Engstligenalp an einem schönen Wochenende, das muss eigentlich nicht sein. Aber was macht man nicht alles für einen lange gehegten Tourentraum. Und bei der Bergstation verabschiede ich mich in die Einsamkeit und werde bis zur Rückkehr keiner Menschenseele mehr begegnen. Kurzer Anstieg zum Ärtelegrat und anschliessend Fellabfahrt in den Kessel am Fuss des riesigen Lonermassivs. Gebannt blicke ich auf die SW-Flanke, die in perfekter Linie über 750Hm direkt zum Gipfel führt. Doch für dieses Vergnügen will zuerst der Felsriegel überwunden werden. Natürlich habe ich den SAC-Tourenbeschrieb parat, doch - warum auch immer - wähle ich meine eigene Variante... Also statt von rechts ins Band reinzuqueren, klettere ich (in Steigeisen) direkt über eine Rippe hoch (II) und erreiche das Band erst kurz vor dem ersten von drei Eisenstiften. Diesem entlang, um bald den Ausstieg zu erreichen. Der spätere Abstieg braucht mir nicht aufliegen, denn natürlich habe ich das empfohlene Abseilmaterial dabei. Würde ich zur Sicherheit jedermann empfehlen, auch wenn es je nachdem ohne geht. 

Möglichst bald montiere ich wieder die Ski und deponiere das Sicherungsmaterial. Nun folgt ein äusserst kräfteraubender Aufstieg: teils spurend auf Presspulver, aber meist auf Hartschnee. Aufgrund der Steilheit geht das nur in Harscheisen und ohne Steighilfe - technisch anspruchsvoll, aber nicht wirklich ausgesetzt. So flach bin ich noch selten aufgestiegen... Das geht so von ganz unten bis fast ganz oben. Bloss die letzten zehn Minuten am Südgrat absolviere ich zu Fuss. Beim Ankunft auf dem Vordere Loner (3048m) ist die ganze Anstrengung vergessen, Stolz und Glückseligkeit macht sich breit. Das Wetter ist traumhaft, rundum grossartige Berge wie Wildstrubel, Doldenhorn, Altels und Rinderhorn. Pause, geniessen.

Doch irgendwann verfliegt die Muse angesichts der bevorstehenden Abfahrt. Denn das sieht alles prima fahrbar aus. Mit den 50° über 50Hm hat sich der SAC-Autor wohl etwas vertan, das sind eher 45° (von den allerersten Metern unter dem Kreuz mal abgesehen) und somit für einen durchschnittlichen Skifahrer wie mich noch schwingbar. Konzentriert und kontrolliert fahre ich steile Flanke ab, um so spät wie möglich wieder den Kamm zu gewinnen, wo ich auf meine Aufstiegsspur treffe. Ihr folge ich zum Materialdepot und fahre weiter bis kurz vors Band ab. Der (aus dieser Richtung) erste Eisenstift ist als solide Abseilstelle eingerichtet. Am bequemsten lässt man sich hier ab, 30m Seil reichen gerade. Ich probiere es zuerst ungesichert. Doch nach dem letzten Stift wird mir der Weiterweg übers brüchige Band doch zu heikel. In Bergschuhen wäre das problemlos, aber mit Skischuhen und den langen Dingern am Rücken fühle ich mich ungeschmeidig und fürchte, irgendwo einzuhängen. Also Seil raus und daran die knapp 15m runter. 

Unten erwartet mich feinster Sulz und viel zu schnell findet das Vergnügen auf der Ärtele-Alp ihren Abschluss. Nochmals anfellen und kurzer Gegenanstieg, bevor mich das Gewusel auf der Engstligenalp erwartet: Augen zu und durch, aber meine Gedanken hängen sowieso noch anderswo...