Tschingellochtighorn und Loner


Publiziert von Bergamotte , 23. Juli 2022 um 13:51.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:22 Juli 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1750 m
Abstieg: 2300 m
Strecke:17km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Engstligenalp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Adelboden, Unter dem Birg
Kartennummer:1247 / 1267

Die Überschreitung des Loner-Massivs war früher gerade bei Einheimischen beliebt. Mittlerweile ist sie ausser Mode gekommen, denn am Hindere Loner trifft man auf erhebliche Schwierigkeiten und die (brüchige) Gesteinsqualität entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Der Vordere und der Mittlere Loner lassen sich jedoch ganz lohnend besuchen, was ich heute gemacht habe.

Ein grosses Fragezeichen hatte ich beim Tschingellochtighorn, das ich vorab im Alpinwanderstil begehen wollte. Eigentlich ist das eine eingerichtete Kletterroute und erfahrene Hikrs berichten von einer scharfen III in der ersten Seillänge. Zuversicht gab mir der Bericht von ma90in94, mit dem ich Bergethos und (mutmasslich) Können teile. Schlussendlich hat es dann ganz knapp gereicht.


Anreise per Bus ab Bern und hoch mit der ersten Seilbahn um 8:30 zur Engstligenalp (1962m). Aussichtsreich folge ich dem Wanderweg über den Ärtelegrat, das nenne ich mal einen effizienten Zustieg. Ich passiere die SW-Flanke des Tschingellochtighorns fast bis zum Ostfuss, um anschliessend - wenig unterhalb der Felswand - im Geröllgelände (T5) - aufwärts in NW-Richtung zu queren. Anzupeilen gilt es die Nordseite des Gipfelturms. Man lasse sich nicht durch ein Fixseil in die südseitige Scharte locken. Vom Wandfuss lässt sich die ganze Route, bestehend aus drei Abschnitten / Seillängen, schön einsehen. Erstmal leer schlucken, ganz schön steil. Schlüsselstelle ist das untere, fast senkrechte Wändchen (III). Mitten in einer Wand würde ich so was NIE frei klettern, aber hier wäre bei einem Sturz nicht gleich Lichterlöschen. Und die Griffe und Tritte sind gut. So gelange ich auf einen kleinen Absatz.

Ein enger Riss bildet den zweiten Abschnitt. Obschon vermeintlich leichter, breche ich zwei Mal ab. Dann, ich habe eigentlich schon aufgegeben, die erlösende Idee: Rucksackdepot. Somit geht's plötzlich wie von selbst, weil ich nun problemlos im Riss verbleiben kann (II+). Oben verlässt man ihn - etwas ausgesetzt - nach links. Der dritte Abschnitt verdient den Namen Seillänge nicht, sorry, das ist einfach eine T5/I. Und dann stehe ich auch schon auf dem Tschingellochtighorn (2735m), zufrieden und auch etwas stolz. Denn natürlich macht die Ungewissheit die Erreichung eines Ziels umso befriedigender.

Der oberste Abschnitt ist für einen erfahrenen Alpinwanderer auch im Abstieg geschenkt. Auch der Riss lässt sich angenehm abklettern. Das Wändchen hingegen übersteigt rückwärts meine Fähigkeiten. So hänge ich am Muniring mein Seil ein und benutze es als Halteseil. Dafür würden 20-25m Reepschnur reichen. Angesichts der unbekannten Schwierigkeiten hatte ich jedoch die gesamte Ausrüstung dabei - deshalb auch der grosse Rucksack, welcher nicht durch den Riss passte...

Hinweis: Die Kletterroute wäre eigentlich ausgerüstet und verfügt insbesondere über drei Stände bzw. Muniringe. Achtung: Zurzeit fehlen die Plättli der Bohrhaken und der unterste Muniring sitzt locker. Das wusste ich zuvor, weil im SAC-Tourenportal vorbildlich nachgeführt.

Rückkehr zum Wanderweg auf der Aufstiegsroute und kurzer Abstecher zum höchsten Punkt des Entschligegrats (2659m). Der Weiterweg vom Tschingellochtighorn zum Vorder Loner liegt geradezu auf der Hand, denn dessen Normalroute - der Südgrat - lässt sich vom Wandfuss übers Schedelsgrätli in wenigen Minuten erreichen. Beim brüchigen Felsfirst zu Beginn quert man nach rechts (Osten), einer Wegspur folgend. Wobei, die Begehung des Grats wäre durchaus möglich. Nun passiert man linkerhand vier Rinnen, über welche man den Grat wieder gewinnen kann. Gemäss Führer benutzt man die dritte (er meint ziemlich sicher die vierte), aber auch die zweite und dritte können gut begangen werden (das weiss ich, weil ich's probiert habe). Dann weiter über schönes Kraxelgelände, wo mir aus dem Nichts plötzlich ein weiterer Solist entgegenkommt. Das nenn ich mal eine Überraschung an einem solchen Berg. Man halte sich nun am besten an die Steinmänner um zur Stelle mit den alten Abseilstangen zu gelangen (die Schlüsselstelle, Führer: T6-). Selber missachte ich meine Ratschläge gerne mal und wähle eine deutlich direktere Variante (T6/II+): etwas heikel, weil abwärtsgeschichtetes Gestein, aber der Fels ist super griffig und - Achtung Werbung - meine La Sportiva Aequiibrium ST ebenso. Derart erreiche ich den eigentlichen Südgrat und folge ihm im Gehgelände bis zum Vordere Loner (3049m).

Die Pause schiebe ich auf, denn der Übergang zum MIttlere Loner (3002m) lockt. Das ist äusserst lohnend und übersteigt die T5 nirgends. Im Gegenabstieg zum Sattel P. 2846 tanze ich richtiggehend über den Grat. Im Wiederaufstieg werden vereinzelt die Hände benötigt. Wie ich den Gipfel erreiche und sich der Blick über den Nordgrat zum Hindere Loner öffnet, kommt mir diese Pendenz hoch. Kaum bestiegen und die Alpinwanderskala deutlich sprengend lässt mich dieser Berg trotzdem nicht los. Was spricht gegen eine Reko, wenn ich schon mal hier bin? Nichts! Also weiter dem Grat entlang. Bis zu einer markanten Kuppe (nicht-kotiert) geht das ohne grössere Schwulitäten (T6-). Man hat hier bereits über die Hälfte der Strecke geschafft. Aber hier geht es erst richtig los: stark zerrissener, brüchiger Grat mit meterhohen Türmen, keine ersichtlichen Umgehungen in den Flanken. Ich steige noch ein wenig weiter (T6+) und kehre dann mit einer letzten Reko-Foto um. Wobei, hierhin zurückkehren werde ich in diesem Leben kaum mehr.

Der Abstecher vom und zurück zum Mittler Loner (3002m) hat weiter Energie und Zeit gekostet und eine grössere Pause dringend nötig. Vergnügt blättere ich durchs winzige Gipfelbüchlein von 1975 und erkenne gar den Eintrag eines Bekannten aus dem Jahr 1977! Die Überschreitung von Norden war in den 70er und 80er bei der lokalen Sektion Wildstrubel recht in Mode - das hat sich mittlerweile gelegt. Ein Blick auf die Uhr und den Busfahrplan, Zeit zum Aufbruch. Noch war ich unwissend bzw. naiv, was den Rückweg anbelangt. Zurück in den Sattel P. 2846 und Steinmännern / Spuren folgend in die Flanke rein. Bald schon verliere beides, aber die Route - Schlenker nach Norden - habe ich im Kopf und kleinräumig gibt es viele Linien (T6-). Dort wo ich das Felsgelände verlasse, beginnt der mühselige Teil: Geröll, und zwar von der harten Sorte. Sprich man kann es nicht abrutschen, dafür ausrutschen und sich grossflächig die Haut aufreissen. Dazwischen gilt es einige Gletscherschliffstufen abzukraxeln. Insgesamt eine nerven- und zeitraubende Angelegenheit, bis ich endlich die Witi Chume erreicht habe. Im Frühsommer mit Schnee und Steigeisen dürfte es recht angenehm sein, ansonsten muss ich hier nicht wiederkommen...

Für den Talabstieg gibt es nun zwei Möglichkeiten: via Lohnerhütte und Bonderalp nach Adelboden (z.B. Oey oder Margelibrügg) oder zurück zur Talstation der LSB Engstligenalp (meine Variante). Beides zieht sich und beinhaltet Gegenanstiege. Die Querung der beiden Kessel ist jedoch äusserst eindrücklich. Dabei begegne ich dem ehemaligen Tourenchef des SAC Wildstrubel, welcher mit Ausbesserungsarbeiten am wbw-Wanderweg beschäftigt ist. Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre allerhand Spannendes. Zum Beispiel rutscht der Weg jeden Winter ab und muss im Frühling jeweils wieder instand gestellt werden. Oder die Geschichte mit der derzeitigen Sperrung des Bergwegs "Hinter Engstligen" wegen (vorgeschobenen) Unwetterschäden. Das ist übrigens auch mein weiterer Abstieg zurück zur Talstation.

 
Zeiten (kum)
1:25  Tschinellochtighorn
1:45  Entschligegrat
3:00  Vorder Loner
3:30 / 4:05  Mittler Loner
6:05  Unter dem Birg (Talstation)

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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