Gehrenspitze Nordrampe, unterwegs auf (fast) vergessenen Wegen


Published by TobiasG , 1 November 2023, 13h19.

Region: World » Germany » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Date of the hike:25 June 2023
Hiking grading: T5+ - Challenging High-level Alpine hike
Climbing grading: II (UIAA Grading System)
Waypoints:
Geo-Tags: A 
Time: 8:30
Height gain: 1300 m 4264 ft.
Height loss: 1300 m 4264 ft.
Access to start point:Parkplatz beim Fußballplatz bei Leutasch
Maps:AV Karte 4/3, Mieminger Gebirge Ost

Die Gehrenspitze hat bei der Überschreitung der Arnspitzen letztes Jahr erstmals mein Interesse erweckt. Zusammen mit dem Öfelekopf wacht sie stolz über das Puittal, steht anders als dieser aber nach allen Richtungen quasi frei. Die Recherche ergab zunächst den wenig spektakulären Normalweg – taugt als Abstieg aber gibt’s auch was spannenderes? Der Ostgrat sah auch ganz nett aus, die Saison war noch jung, wäre was zum warm werden. Aber sieh da: Ein wiederentdeckter Weg durch die Nordwand (vielen Dank an dieser Stelle an algi, der die Tour sehr gut beschrieben hat; die Berichte von kneewoman und hefra sind ebenfalls sehr hilfreich), der mit II, T5/6 machbar sein soll, das klingt spannend. Isy ist auch dabei und für sowas garantiert zu haben.
 
Start unten am Parkplatz beim Fußballplatz bei Leutsch. Über den Steig rauf ins Puittal. Dieser war nicht in sonderlich gutem Zustand, Erosion hatte hier ihre Spuren hinterlassen, bei Nässe eher unangenehm. Oben angekommen folgt man dem Weg erst Mal weiter in Richtung Scharnitzjoch. Sogar die Pferde- und Kuhherden befanden sich an den von algi beschriebenen Stellen, wobei diese mobilen Wegweiser mit Vorsicht zu genießen sind ;)
Die Rampe selbst sieht man erst relativ spät, kann sie dann aber kaum übersehen. In der AV-Karte ist sie mit „Gang“ eingezeichnet, der Einstieg befindet sich aber noch weiter westlich. Die Dimension der Wand ist gewaltig und man wird sich beim Zustieg vermutlich mehr als ein Mal fragen, ob das wirklich geht.
 
Den Einstieg stellt eine kleinere Rampe dar, von der dann nach kurzer Zeit auf das Hauptband gequert wird. Unter dieser befand sich noch ein teilweise mit Schutt bedecktes Schneefeld, das sich vermutlich lang halten wird und etwas unangenehm zu gehen war. Um zum Einstieg zu gelangen, verlässt man nach der Latschenzone den markierten Weg überquert den Bach und erklimmt mühsam das kurze aber steile Schuttfeld am Fuße der Wand. Eine Einheimische sprach uns in der Befürchtung an, wir wollten am Bach ein Feuer machen. Unseren Plan wollte sie kaum glauben, die Wand könne man an dieser Stelle sicher nicht durchsteigen. Nach einiger Überzeugungsarbeit gibt sie sich (wenn auch zweifelnd) geschlagen und wir starten.
 
Zunächst befindet man sich auf der Nebenrampe und muss an der richtigen Stelle auf die Hauptrampe queren (II+/II-, etwas ausgesetzt). Wir sind zuerst zu hoch geklettert, was mir eine IIIer Abkletterstelle einbrachte, die mich zum Saisionbeginn ganz schön ins Schwitzen brachte. Zu allem Überfluss riss ich mir auch noch die Handinnenfläche gehörig auf, sodass diese unfreiwillige „Erst-“ auch zur „Rotpunkt“-Begehung wurde. Nach diesem kleinen Intermezzo gabs dann, auf der Hauptrampe angekommen, erst mal schöne Genusskletterei zum Runterkommen. Die Wegfindung ist insgesamt nicht besonders schwer, da auf der einen Seite meist eine recht steile Wand, auf der anderen Seite – naja, halt nichts ist. Man folgt dem Band mit seinen Rinnen, Zacken und Aufschwüngen, die sich meist recht übersichtlich gliedern. Begehungsspuren oder Markierungen findet man hier aber nicht, man muss sich stets selbst überlegen, wo es am leichtesten durchgeht. Die Kletterei vor und nach dem Übergang überschreitet bei optimaler (!) Wegführung nicht den II.  Da man bei der Wegfindung völlig auf sich gestellt ist, sollte man den III. Grad beherrschen, um entsprechende Reserven zu haben. Einen Rückzug stelle ich mir eher unangenehm vor.
 
Die Felsqualität ist im unteren Bereich erstaunlich gut und hat mich teils an Touren im Kaiser erinnert. Die Kletterei macht hier richtig Spaß. Es ist auch meist nicht sonderlich ausgesetzt, aufpassen sollte man aber trotzdem unbedingt, da ein Abrutscher in Richtung Nordwand teils wenig Raum zum Abfangen lässt und zu einem Absturz durch die komplette Wand führen kann. Die Felsqualität nimmt mit der Höhe leider beständig ab, bis man auf die letzten 50 hm oder so in einer üblen Mischung aus Bruch/Erde/Sand „klettert“, wobei fast alles zerbröselt, was man so zu fassen versucht. Da es meine erste ernsthafte Tour dieses Jahr war, kam´s mir sicher wilder vor, als es letztlich war. Mit T5+ ist dieser Abschnitt aber auf jeden Fall nicht überbewertet.
 
Ist diese Stelle geschafft, gelangt man über eine Scharte auf den Ostgrat, dem man die letzten Meter zum Gipfel folgt. Der Gipfel steht sehr frei und gewährt daher tolle Ausblicke ins Wetterstein, Karwendel und die Mieminger. Aufgrund des leichten Normalwegs ist man hier oben vermutlich nicht allein, wie’s mir am liebsten ist, aber das darf auch mal sein.
 
Runter geht’s dann über den Westgrat (Normalweg) und außen rum über Ober-Leutasch zurück. Wer’s kürzer mag, kann auch am Scharnitzjoch wieder durchs Puittal zurück oder direkt den Ostgrat runter.
 
Zusammenfassend eine tolle Abenteuertour, die im unteren Bereich schöne Kletterei bietet. Im oberen Bereich wird es allerdings zunehmend brüchiger und auch wenn man sich nicht wirklich verlaufen kann, bedarf es eines gewissen Gespürs für derartiges Gelände, um auch die leichten Stellen ausfindig zu machen. Wer sich hiervon angesprochen fühlt, hat mit dieser Route eine spannende Option auf den schönen Gipfel. Der Schatten macht sie auch zu einer guten Hochsommertour. Wenn man, wie ich, ein bisschen später im Jahr auch noch dem Öfelekopf einen Besuch abstattet, kann man die Route auch sehr schön in ihrer ganzen Dimension bestaunen.

Hike partners: TobiasG


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