Vallüla Nordwestgrat


Publiziert von quacamozza , 15. Oktober 2023 um 19:18.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Silvretta
Tour Datum: 9 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1280 m
Strecke:12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Silvretta-Hochalpenstraße zur Bielerhöhe (mautpflichtig)
Kartennummer:LK Schweiz 1:25 000 Nr. 1178 Gross Litzner

Die mit Abstand schönste Kletterei der Nordsilvretta - so vollmundig pries Walther Flaig den Nordwestgrat der Vallüla im ehrwürdigen AV-Führer an. Und auch wenn dieser Teil der Silvretta gerade mal auf sechs Seiten abgehandelt wurde: Der Grat ist wirklich besonders interessant, und er wäre von mir wahrscheinlich längst begangen worden, wenn nicht der AVF mit schwieriger Plattenkletterei, einer Bewertung mit IV und III und 5 bis 6 Stunden Kletterei gedroht hätte. Oft stellen sich die Touren ja bei Begehung als noch knackiger heraus, wenn alte Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden. Aber mittlerweile gibt es das Internet, und deshalb weiß ich: Ja, es ist eine Genusstour, die den III. Grad nicht übersteigt. Beiläufig wird unter anderem erwähnt, dass viele Begeher diese Tour seilfrei gehen (werden) oder dass sie "eine der leichtesten alpinen Kletterziele der Silvretta" sei.

Man muss allerdings gleich dazu sagen, dass es sich um eine alpine Route handelt, die kaum bis gar nicht abgesichert ist, also trotz identischer Schwierigkeit nicht mit der von mir am Tag vorher begangenen komfortabel ausgestatteten *Kleinlitzner-Überschreitung zu vergleichen und schon deshalb nicht zu unterschätzen ist. Während man dort beispielsweise nach der Abseilfahrt unten mit neuen Bohrhaken erfreut wird, muss man sich am Nordwestgrat nach dem Abseilvorgang an zweifelhaften Schuppen auf einem ausgesetzten Gratabschnitt selbstsichern oder sich sonst notdürftig behelfen. Oder man trifft, so wie ich, am Abseilstand neben allerlei altem Schlingenmaterial auf einen einfachen Schnappkarabiner (statt eines Maillon Rapide oder gar eines Karabiners mit Mehrfachsicherungsverschluss). Durch derartige sicherheitstechnische Downgrades steigen die psychischen Anforderungen einer Tour enorm an, mal abgesehen davon, dass es auf Dauer auch teuer wird, wenn man öfters mal Karabiner, Schlingen und anderes Material opfern muss.

Da mindestens eine Abseilstelle zwingend mitgenommen werden muss, können auch Alleingänger nicht auf Seil und Abseilequipment verzichten.
Die Tour verläuft beim Zustieg auf den Grat im Steilgras. Außerdem ist am Grat die erste schwere Stelle eine Schrofenpassage, und das Urgestein ist oft mit Flechten bedeckt, so dass die Tour auf keinen Fall bei Nässe oder direkt nach Regentagen angegangen werden sollte, denn dann wird es nicht nur wesentlich anspruchsvoller, sondern sogar richtig gefährlich.
Am Grat gibt es einige ausgesetzte und anspruchsvolle Stellen zum Abklettern. Insbesondere vom großen Gratturm P.2634 geht's zünftig bergab. 
Der Grat hat mit ca. 500 Klettermetern eine ordentliche Länge, und ein Rückzug ist schon nach kurzer Zeit schwieriger als die Fortsetzung, so dass stabiles Wetter und eine gute Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten nötig sind. Vom vorzeitigen Verlassen des Grates in die Flanken ist dringend abzuraten.
Also insgesamt eine durchaus fordernde Tour, für die es viel Erfahrung braucht.

Der Normalweg ist keine lockere Wanderung, sondern eine anspruchsvolle Bergtour, die neben Trittsicherheit und Schwindelfreiheit Gewandtheit im I und II-er Kraxelgelände erfordert. Die lange Schutt-/Schneerinne ist sehr steinschlägig bzw. schneebrettgefährdet. Ein Helm ist also bei ausgeaperter Rinne ebenso wenig Luxus wie es Steigeisen und Pickel bei gefrorenem Schnee sind. Wenn gar zu viel Betrieb vor einem in der Rinne herrscht, weil man nicht früh genug dran ist, ist es eventuell besser, gleich den Aufstieg abzubrechen. Dazu ist die Orientierung trotz (und entgegen des Hinweises auf den Wegweisern doch vorhandener) Markierungen nicht immer leicht. Man kommt schnell vom Idealweg ab und braucht schon deshalb alpine Reserven.



Zur Schwierigkeit:

Bieler Kopf: T 2-3
Bielerspitze: T 3
Bis zum Grat: Steilgras und Steilschrofen T 5 
Nordwestgrat: mehrere Stellen III, verteilt auf den gesamten Grat, oft II und I und Gehgelände T 5
Normalweg: Stellen I-II und Gehgelände bis T 5


Zur Ausrüstung:

In jedem Fall ein Seil, 40 Meter reichen für alle Eventualitäten, Abseilausrüstung und einige zusätzliche Schlingen und Karabiner.
Helm
ist wie immer in diesem Gelände Pflicht, vor allem beim Abstieg durch die lange Rinne.
Kletterhandschuhe verhindern im scharfkantigen Silvrettakristallin schmerzhafte Wunden. 



Von der Bielerhöhe auf bequemem Weg hinauf zum Bieler Kopf (GK und GB, schöner Aussichtspunkt) und auf weiß-blau markiertem Wanderweg Richtung Flamjöchle weitere 50 Hm aufwärts. Kurz nach dem höchsten Punkt zweigt links ein unmarkierter Pfad ab, der auf die Grathöhe P.2506 und weiter südwestlich auf die Bielerspitze (Steinmann, gute Rundumsicht) führt. Zurück zur Wegverzweigung und hinab zum Wegweiser auf dem Maißboden, eine weite Grünfläche, auf der es sich gut pausieren lässt. Auf gutem Weg hinauf ins Flamjöchle (etwas unterhalb Wegweiser; Abzweig Normalweg; hier links halten Richtung Vallülasee), dieses überqueren und auf der anderen Seite über mühsames, grobes Blockwerk bis auf ca. 2350m absteigen. Hier die markierte Route verlassen und über einen kleinen Bach an die Westflanke der Vallüla. In steilem Gras und Schrofen mühsam hinauf, dabei die Wasserplatten möglichst sinnvoll umgehen. Auf ca. 2500m führen etwas besser zu begehende Grasbänder auf den Gratabsatz P.2535. Einen Steinmann habe ich aber nicht entdeckt. Beginn des langen Grates.

Zunächst ohne großen Höhengewinn leicht über Platten am Grat entlang, einen großen Block rechts umgehend, zum ersten Turm. Dieser wird ebenfalls rechts umgangen. Dafür in der Südseite zu einer schrofigen Rinne queren und durch diese anspruchsvoll (III, oben alte Bandschlingen und ein Schlaghaken) hinauf. Weiter auf dem ausgesetzten Grat zum markanten, großen Turm P. 2634 (in Karten oft "Ganden" oder "Gander" genannt und als Gipfel gekennzeichnet), der auf der Nordseite mit mächtigen, Furcht einflößenden Platten abbricht. Diese Platten umgeht man am besten rechts an der Seite. Dort findet sich ein gangbarer Aufstieg erneut im Schrofen-Mix (II). Über den Scheitel erreicht man eine ca. 5 Meter hohe Plattenrampe. Diese abklettern (III) oder abseilen (momentan gut mit Schlingen und Maillon eingerichtet). Über große Blöcke an die Abbruchkante und über diese abseilen oder abklettern (III). Wer alles in einem Rutsch abseilen möchte, sollte schon 40 Meter Seil dabei haben und muss gut auf den Seillauf achten. Da die Stelle von oben recht unübersichtlich und mir nicht bekannt ist, habe ich vorsichtshalber zweimal abgeseilt und daher eine Viertelstunde zusätzlich investiert.

Es geht einfacher in schöner Gratwanderung weiter. Dabei gewinnt man schnell an Höhe. Teils über Gras wird der Fuß des nächsten Turmes erreicht. Etwas rechts haltend steil hinauf (II-III) und wieder in Gehgelände. Über Platten und Blöcke zu einem auffälligen Turm mit Schafkopfgesicht (siehe Foto unten, Schlaghaken). Mittels kleiner Absätze und Risse hinauf (III). Nahe des höchsten Punktes wartet die obligatorische Abseilstelle von 8 Metern mit ihren oben beschriebenen Tücken. Über den scharfen Grat in die nächste Lücke und nun einfacher über einen plattigen "Laufsteg", der die Nerven wieder beruhigt, in die Lücke vor dem letzten Gipfelaufschwung. Zunächst etwas links halten (II), dann rechts Richtung Gratkante (zurzeit steckt am Beginn der Schwierigkeiten ein Friend, Wechsel von hellem zu dunklem Gestein) und über Stufen und durch Rinnen (III-) zum horizontalen Gipfelgrat und in wenigen Schritten zum Gipfelkreuz auf der Vallüla

Der Abstieg vollzieht sich zunächst südöstlich auf von oben sichtbaren Wegspuren. Dann im Bogen auf den Südgrat und über diesen hinweg auf die Südwestseite. Noch in Gratnähe gleich wieder links halten (Achtung! auf die Markierung schauen; nicht den verlockend neuen Ringhaken geradeaus die Rinne hinab folgen) in eine Scharte. Wieder nach links in die steile Schuttrinne und durch diese komplett hinunter, je nach Verhältnissen eher links oder rechts haltend. Wenn man zurückschaut, erkennt man immer mal wieder große rote Farbmarkierungen. Unten auf den horizontal nach Westen verlaufenden Wanderweg, womit der P. 2623 des Südgrates umgangen wird, zurück zum Wegweiser etwas unterhalb des Flamjöchles.

Ich bin auch auf dem Rückweg vom Maißboden wieder über den Bieler Kopf gegangen, so dass ich über den aktuellen Zustand (Stand Oktober 2023) des direkten Weges zur Bielerhöhe keine Angaben machen kann. 


Meine Gehzeiten:
bis Bieler Kopf: 30 min
Bielerspitze: + 20-25 min
Flamjöchle: + 35-40 min
Gratbeginn P. 2535: + 55 min
Nordwestgrat: + 2 Std (brutto knapp 2 Std 30 min)
Maißboden: + 50 min
Bielerhöhe: + 50 min





Tourengänger: quacamozza


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