Graunock 2827m - Überschreitung Ost-West


Publiziert von Cubemaster , 8. Oktober 2023 um 15:06.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:23 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m

Das schöne Dorf Terenten im Pustertal hatte ich in den vergangenen Jahren schon häufig besucht und als Stützpunkt für Touren in der Umgebung (Zillertaler Hauptkamm, Rieserfernergruppe, Pragser Dolomiten, Sextener Dolomiten usw.) genutzt. Dieses Jahr war ich das erste Mal mit Familie dort. Dass ich jetzt nicht jeden Tag nur spazierengehen kann und auch mal alleine losziehen muss, war im Vorfeld bereits geklärt und genehmigt. Ich wollte dennoch gerne versuchen, Touren zu finden, die sich so gut wie möglich in den Familienurlaub integrieren lassen. So ergab sich die Gelegenheit, mir endlich einmal die Tiefrastener Berge direkt oberhalb von Terenten anzusehen, welche ich bis jetzt völlig ignoriert hatte.

Als interessantestes Ziel zwischen all den Wandergipfeln stach mir dort sofort der Graunock ins Auge und glücklicherweise gab es den Bericht von georgb, nach dem ich mich orientieren konnte. Der Wetterbericht versprach für unseren ersten Tag schönes Wetter, danach sollte es schlechter werden, deshalb setzte ich die Tour direkt für den ersten Tag an. Nachdem wir alle drei erstmal ordentlich verschlafen hatten, starteten wir erst um 9:40 am Parkplatz. Trotz 10kg Kind in der Kraxe und Maries Schwangerschaft waren wir überraschend zügig unterwegs und erreichten nach etwa 45 Minuten die Astnerbergalm. Dies sollte auch für den Rest meiner Familie das Ziel des Tages sein.

Nach Rucksacktausch (Marie hatte bis hierhin meinen Tagesrucksack getragen) und Aufteilen unserer Sachen machte ich mich dann allein auf den Weg. Erstmal folgte ich dem Wanderweg Richtung Tiefrastenhütte, auf etwa 2030m zweigt dann rechts der Panoramaweg ab. Nach nur wenigen Minuten verließ ich diesen schon wieder und stieg über Blöcke und teilweise durch Gestrüpp ziemlich gerade Richtung Norden hinauf. Auf etwa 2300m wandte ich mich dann etwas nach links, um eine Geländestufe zu überwinden und erreichte so das Plateau auf etwa 2500m, nordöstlich der Kempspitze.

Jetzt konnte ich den Graunock zum ersten Mal sehen, der Gipfel hing allerdings in dunklen Wolken, das Wetter wollte sich nicht so richtig an die Vorhersage halten. Nach Überquerung des Plateaus wird erstmal der Hang leicht aufsteigend Richtung Nordnordwest gequert. Um eine kleine Stufe auf 2600m zu überwinden, suchte ich mir eine kleine Rinnenstruktur aus, es gibt aber evtl. mehrere Möglichkeiten. Dann hielt ich auf die markante Rinne zu, die von der Scharte zwischen Haupt- und Südgipfel herunterzieht. Dort angelangt, verstaute ich meine Stöcke im Rucksack und kraxelte von links in die Rinne hinein.

Gras und Moos waren aufgrund fehlender Sonneneinstrahlung noch nicht vollständig abgetrocknet, was definitiv nicht optimal war. Trotzdem ging es zuerst recht einfach aufwärts. Gegen Ende der Rinne nimmt die Steilheit jedoch nochmal deutlich zu. Ein großer Block versperrt außerdem den (ohnehin viel zu engen) Rinnengrund und man muss in die plattigen Begrenzungsfelsen rechts ausweichen. Mit feuchten Schuhsohlen kämpfte ich mich die Stelle regelrecht hinauf (II, sehr kleingriffig) und stand schließlich etwa 4 Meter unterhalb der Scharte vor einer steilen Rampe aus feuchter Erde ohne jegliche Griffmöglichkeiten an den Seiten. Es gelang mir dann zwar, mich irgendwie dort hinaufzuschieben, hoffte aber währenddessen schon inständig, dort nicht wieder herunter zu müssen.

Von der Scharte aus sieht man schon das Gipfelkreuz und über steiles, aber gutgriffiges Gelände gelangte ich dann auch schnell dorthin. Es war inzwischen 13:30 und die Wolken hatten sich etwas nach oben verzogen, so dass ich immerhin Sicht auf die nähere Umgebung hatte. Während meiner Gipfelrast studierte ich also den Übergang zum Südgipfel, den Kollege georgb ja irgendwie hinbekommen hatte (direkt an der Kante kaum möglich ohne Seil, aber etwas rechts unten herum sollte es wohl im T6-Bereich gehen). Einen Versuch war das allemal wert, bevor ich versuchen würde, mich auf dem Bauch liegend rückwärts die Rinne herunter zu robben.

Erstmal stieg ich wieder bis zur Scharte ab und kraxelte dann die Rinne auf der anderen Seite etwas hinunter. Das ging recht einfach, eine kleine, nicht ausgesetzte Stufe muss abgeklettert werden (II). Auf der linken Seite tauchte dann eine etwa 5 bis 6 Meter hohe Wandstufe auf, die kletterbar aussah. Der erste Zug ist überhängend (würde ich mit III bewerten, nicht ausgesetzt), danach wird es immer einfacher, aber auch immer ausgesetzter. Im oberen Bereich wird es zwar schon flacher (theoretisch Gehgelände), aber das feuchte Moos war mir nicht geheuer. Sehr vorsichtig und langsam krabbelte ich etwas rechts haltend bis auf die Rippe hinauf.

Dann kraxelte ich (weiterhin noch auf allen Vieren) auf der Rippe aufwärts, bis sich eine Gelegenheit ergab, schräg nach rechts bis zum Grat hinaufzusteigen. Die letzten Meter direkt über den Grat kletternd, erreichte ich den Südgipfel und war erleichtert, die schwierigsten Passagen hinter mir zu haben. Nach einer kurzen Rast ging es weiter. Ein kurzes Stück noch den Südgrat entlang bis auf einen kleinen Vorgipfel und dann den Rücken in südwestlicher Richtung hinunter. Bald wechselt man in die Südflanke und folgt einigen Steinmännchen durch das teils geröllige, teils plattige Gelände hinunter. Dabei bleibt man im Wesentlichen immer in der Mulde.

Unten gelangt man erst über große Geröllfelder, dann über Wiesen weiter hinunter in Richtung Tiefrastenhütte. Ich traf dann auf den Wanderweg zur Kempspitze und folgte diesem zur Hütte. Das Wetter war immer noch nicht besonders toll und so fiel eine Pause auf der Terasse der Hüttte aus (drinnen war mir viel zu viel Trubel). Über den Wanderweg lief ich dann gemütlich bis ganz hinunter zu unserer Ferienwohnung in Terenten (Marie hatte mit 1,5 Kindern natürlich das Auto genommen), wo es jetzt mit Familienurlaub weiterging.

Fazit: Der Graunock ist ein wirklich wilder Gipfel mitten im wanderwegtechnisch gut erschlossenen Gebiet der Tiefrastenhütte. Von der Hütte aus auf den Südgipfel zu kommen (über meinen Abstiegsweg), liegt so etwa im oberen T5-Bereich. Den Hauptgipfel mit dem Kreuz von der Ostseite aus zu erreichen, schätze ich als etwas schwieriger ein, vielleicht im unteren T6-Bereich. Der Übergang vom Hauptgipfel zum Südgipfel ist ordentliches T6-Gelände. Vom Südgipfel zum Kreuz zu kommen (bzw. die beschriebene Überschreitung andersherum zu machen), wäre sogar nochmal etwas schwieriger, da in dem Fall die Schlüsselstelle (bzw. beide Schlüsselstellen) abwärts bewältigt werden müssten!

Für konditionsstarke Familienväter (oder -mütter) bietet sich das Gebiet um die Tiefrastenhütte generell gut an. Die Astnerbergalm ist ein schönes Familienziel und man kann das Auto getrost der Familie überlassen, der Abstieg nach Terenten ist nicht weit... (Es muss ja nicht unbedingt der schwierige Graunock sein, viele schöne Wandergipfel laden dort auch zu gemütlichen Touren ein.)

Tourengänger: Cubemaster


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

georgb hat gesagt:
Gesendet am 8. Oktober 2023 um 16:49
Wenn ich deinen Bericht so lese und die Fotos anschaue, tut es mir umso mehr leid, dass es nicht mit der gemeinsamen Tour geklappt hat. Das wäre ein richtiges Abenteuer gewesen ;-)

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Oktober 2023 um 08:24
Ich fand es auch sehr schade, dass es nicht gepasst hat. Wir sind aber bestimmt nicht zum letzten Mal in Südtirol gewesen, das klappt schon noch. Ich melde mich...


Kommentar hinzufügen»