VAL BAVONA : Val Calnegia - Käsekeller und Schmugglerpfad
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Das Val Calnegia ist bekannt wegen seines Flusses, der seitlich von Foroglio als photogener Wasserfall rund hundert Meter ins Val Bavona hinunter prescht. In der Zwischensaison ist es menschenleer. Fast unheimlich. Nur das leise Bimmeln der Geissenschellen unterbricht die Stille. Doch selbst diese Kerlchen lassen sich nicht blicken! Ich soll Remo und Bianca den Standort ihrer gut gehegten Vierbeiner melden, haben sie mir – die einzigen zwei Personen in Foroglio – zur Aufgabe gestellt. Und gleichzeitig mich vom Vorhaben, Auèn zu besuchen, wegen Eises dringend abgeraten. Ob ich der sei, welchen sie vorgestern mit der REGA geholt hätten? Der Entscheid fiel mir leicht.
Wie viele Male bin ich schon ins Val Calnegia aufgestiegen? Doch jedes Mal ein beglückendes, immer wieder neu entdecktes Erlebnis. Heute mag die Sonne den Talboden nicht mehr erreichen. Kalt. Sehr kalt. Unter Null. Die Steine sind von einer kaum sichtbaren Eisschicht überzogen und dürfen nur vorsichtig betreten werden. Ich erreiche Puntìd mit seiner Bogenbrücke, welche ich schon so viele Male abgelichtet habe, dass ich mich schämen würde, sie wieder zu fotographieren. Bin ja kein Monet mit der Kathedrale am Morgen, Mittag, Abend. Immer das gleiche Sujet. Ein Maler kann und soll sich das leisten. Die Nuance herauszuarbeiten ist die Kunst. Aber fotographieren…
Nach der Brücke nach rechts und rein ins Vergnügen. Im Wald flussaufwärts. Plötzlich kein Rauschen mehr. Der Fluss führt so wenig Wasser, dass er über zwei Kilometer unterirdisch verläuft. Trotzdem passiere ich die vereiste Brücke nach Gerra hinüber. Praktischer als ins Flussbett hinab zu steigen und wieder hinauf. Die verschneiten Berge türmen sich wie Hüter seitlich des Tales auf. Mit Schnee wirken sie noch viel imposanter. Orsaliettagraben, Orsaliagraben Rebiagraben dazwischen. Im Talabschluss die Alpe Formazöö und dessen Bocchetta, welche ich diesen Sommer besucht habe. Es ist schön, alte Bekannte wieder zu sehen.
Gerra empfängt mit einer sehr fein empfundenen Muttergottes mit Kind am kolossalen Eingangsklotz in Pastelltönen aufgemalt. Gleich um die Ecke die „Ortstafel“: „Gerra“ in den gleichen Felsen eingemeisselt. Mein heutiges Ziel gilt dem Käsekeller „La Crasta“, welcher bis jetzt wegen Restschnee nicht besucht werden konnte. Bei der letzten Hütte des Weilers verschwindet ein Weg hangwärts zwischen den Zyklopensteinen. Ich finde sofort den phänomenalen Ort: Sechzig Zentimeter breit und fünf Meter in die Tiefe sind bequem hohe Steintritte zu einem Abgang aufgeschichtet. Unten einen Innenhof von fünf Meter Länge und einem Meter Breite. Die zwei Keller sind seitlich unter die Steinkolosse gegraben. Der linke ist ohne Türe und kann frei besichtigt werden. Der rechte, etwas weiter vorne, ist verschlossen. Der Abgang ist so eng, dass die Käselaibe wahrscheinlich geschultert vertikal hinunter und wieder hinauf getragen werden mussten. Doch der Keller hält konstant kühle Temperatur und Feuchtigkeit. Für die Käsereifung ideal. Und das ist, was zählte. Nicht die Mühsal. Heute ist es im Keller wärmer wie draussen! Letztes Mal war es umgekehrt. Dann begreift man die Älpler, welche den Grappa hier unten ganz speziell gern hatten.
Zum Glück leide ich nicht unter Platzangst. Doch verlasse ich gerne dieses Verliess. Nun steure ich dem zweiten Highlight zu: Ich will, wenn ich schon einmal Zeit dazu habe, die Via Ferrata rechts des Ri della Rebia von der Nähe betrachten. Um diese zu erreichen, kehre ich zur Brücke zurück und zweige nach links Richtung Puntìd ab. Nach zweihundert Metern überschreite ich das ausgetrocknete Flussbett zurück (mit dem unterirdischen Flusslauf) und steige gegen den Wasserfall hinauf, um an einem geeigneten Ort diesen Fluss zu überqueren, dann auf dem andern Ufer, eine begraste Rippe möglichst die Felsen rechts umgehend, in den trockenen Graben entlang der rechts begrenzenden Felswand hinauf zu kraxeln.
Über mir erscheinen, schlecht sichtbar, die Eisenbügel: Die Via Ferrata. Bis dahin müssen doch noch Tritte sein! Ich hebe einen bewachsenen Humusplätz und siehe da: 5 eingemeisselte Tacche! Von Hand putze ich die restliche Erde weg, dann steige ich vorsichtig (kein Natel-Empfang und allein: nein - nicht schon wieder….) über diese etwa zwei Meter hohe Felsrippe empor (T5) und stehe auf einem Podest direkt bei der Ferrata. Ein Vorgängertyp ist noch rechts mit Stahldraht und Eisenstiften im Riss zu sehen. Spontan kommt mir
Alpin_Rise, der Boulder-Freak, in den Sinn. Der nähme sicher den Riss rechts und nicht die Bügel. Wär ja bubig.

Hier eine Grobübersetzung der Beschreibung von Cattaneo, Storie e sentieri di Val Bavona:
Während dem letzten Weltkrieg haben sie (Via Ferrata) einige Arbeiter in Auftrag von Davide Primavesi von Lugano repariert, welcher Pächter der Wälder vom Val Bavona war, um sie sicherer zu machen und den Aufstieg für die Waldarbeiter zu erleichtern, welche da oben arbeiteten. (Steinmetz Erminio Zanini und andere Cavergnesi arbeiteten dort, gesichert mit Seilen und Klettergurten der Feuerwehr)
In diesen Jahren benutzten sie auch die Schmuggler mit dem Zweck, der Grenzwacht auszuweichen, welche nur die Hauptwege kontrollierten. Sie mussten abgelegene „Strassen“ wählen und riskierten damit ihr Leben für einen miserablen Lohn. Die Hütten von Auèn waren der Treffpunkt zum Warenaustausch: Reis, Zucker, Tabak und Schokolade. Neben andern eigenartigen Artikeln kam auch Kondensmilch von Nestlé, bei uns rationiert und teuer: sie wurde vorgängig als Auslandhilfe nach Italien entsendet. So verdiente Nestlé, die Schmuggler und wir!
Meine Neugierde ist gestillt. Ich trete den Heimweg an. Es beginnt zu Regnen.
Wann sehen wir uns wieder?
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