Schijenstock - Ostanstieg


Publiziert von Bergmax , 16. September 2023 um 19:09.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:10 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2- (WS-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 10:45
Aufstieg: 1750 m
Abstieg: 1750 m
Strecke:Göscheneralp - Bergseehüttenweg - Bergseelücke - Abstieg bis ca. 2440 m - Ostflanke zur Scharte nördlich P. 2889 und weiter zum Schijenstock - gleicher Rückweg
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto via Göschenen zur Göscheneralp. Straße gut gepflegt und nicht zu schmal. Parkgebühr CHF 1 / Stunde bis max. CHF 48 für 2 Tage.
Kartennummer:map.geo.admin.ch; LKS 1231 Urseren 1:25:000

Vermutlich der einfachste Weg auf diesen Kletter-3000er...

Steht man auf dem bekannteren Bergseeschijen, so könnte das Gipfelglück getrübt sein, weil sich direkt dahinter ein wesentlich höherer, ebenfalls ansehlich geformter Gipfel erhebt. Es ist der Schijenstock (=Schinstock), ein 3000er, der je nach Quelle nicht nur ohne richtige Kletterei, sondern sogar im besseren T4-Bereich zu haben sein soll. Entsprechende Berichte sind aber äußerst rar. Ein Grund mehr für mich, es mal zu versuchen...

Den ersten Teil der Bergtour vom Göscheneralpsee (Parkplatz, 1782 m) bis zur Bergseelücke habe ich aus 2020 in angenehmer Erinnerung. Ich gehe nermelerweise keine Touren mehrmals, deshalb ist es ein bisschen ungewohnt, den eigenen Spuren zu folgen, aber letzlich habe ich meinem Bericht nichts hinzuzufügen.

Im SAC-Tourenportal wird behauptet, man könne vom Bergseeschijen "problemlos" in Richtung Schijenstock queren. Ich bin aber skeptisch, weil nach P. 2889 laut Karte eine Felswand den Durchstieg versperrt und ich auch keinen verlässlichen Bericht zu dieser Variante gefunden habe.
Also steige ich schweren Herzens etwa 160 Höhenmeter aus der Bergseelücke nach Osten ab. Anfangs gibt es zwei Varianten; weil auf der westlichen die Markierungen teils übermalt sind, benutze ich die östliche, welche durch verhältnismäßig harmloses Schutt- und Blockgelände führt (T3+). Nach der Umgehung des Felssporns, dessen Nordwand sich letztlich von P. 2889 auf einen knappen Kilometer nach Osten hin erstreckt, wird endlich der Blick in die breite Ostflanke des Schijenstocks frei. Was für eine Steinwüste!

Naja, ich hätte mir ja denken können, dass es dort so aussieht. Jedenfalls bleibe ich nach dem Felssporn noch für vielleicht einhundert Streckenmeter auf der markierten Route, bis die Blöcke ein wenig keiner werden. Dann biege ich nach links ab in die große, weite Welt der Steine.
Anfangs gewinne ich nur sehr langsam an Höhe. Das Gelände ist einfach zu flach und trotzdem muss ich mühsam von Block zu Block hüpfen. Gelegentlich kann ich liegende Felsplatten und selten sogar Rasenspuren für den Aufstieg nutzen. Ganz allmähich wird es allerdings steiler. Ich gehe immer parallel zu der Felswand, welche von P. 2889 herunterzieht, halte aber einen - nun ja - sinnvollen Abstand ein. Vor Ort erschließt sich dies sofort. Mein nächstes Ziel ist eine Rinne, welche oberhalb von 2800 Metern einen Durchstieg in den Gipfelbereich des Schijenstocks vermitteln könnte. Denn die gesamte Ostflanke wird auf gut 2800 Metern von einem plattigen Felsbereich durchzogen, der nicht nach reinem Gehgelände aussieht. Ganz so leicht macht es einem der Berg dann doch nicht.

Die größer werdende Steigung ist zunächst mal gut fürs Vorwärtskommen, dann aber auch nicht mehr, weil ich auf den kiesigen, werdigen Untergrund dauernd ins Rutschen komme. Wenigstens kann ich ab einem gewissen Punkt die Randfelsen der Rinne zum Festhalten nutzen. Auf kanpp über 2800 Metern verengt sich die Rinne und ein Klemmblock versperrt den Weg, diesen kann ich aber ziemlich einfach in der Nordseite umklettern. Ich bleibe auch gleich dort und kraxele weiter hoch bis zum Grat.

Nanu? Das ist ja wirklich ein scharfer Grat! Jetzt stehe ich zwar in der Lücke nördlich von P. 2889 (ca. 2850 m), in der wohl auch der Abstieg (ggf. Abseile) nach Westen ansetzt. Aber ich möchte hoch, nicht runter und der Grat hat nun gar nichts mehr mit T4 zu tun - eher mit II oder III-.
Also steige ich ein paar Meter zurück nach Osten und schaue mir die Flanke an. Die bildet eine Art Kessel, dessen Ausstieg nach oben hin von plattigen Felsen gebildet wird. Mal sehen - vielleicht - wenn die Felsen flach genug sind...? Nach ein paar Versuchen gelingt es. Tatsächlich gibt es einen Durchstieg, welcher den ersten Klettergrad kaum überschreitet - ich sage mal I+. Am Ausstieg baue ich einen kleinen Steinmann (was ich nur äußerst selten mache), um mich runterwärts nicht zu Tode zu suchen, denn sehr markant ist hier gar nichts.

Prinzipiell scheint nun der Weg zum Gipfel frei zu sein. Ähnlich wie ganz unten muss zunächst ein ganz schön flaches Blockfeld durchquert werden. Oberhalb von 2900 Metern gewinnt man denn wieder schneller an Höhe.
Weiter oben kommen immer mehr Felsen zwischen den Blöcken zutage. Ich halte mich relativ weit nördlich, um eine platige Felszone zu umgehen. Auf den letzten einhundert Höhenmetern muss dann fast durchgehend gekraxelt werden, aber bei idealer Routenwahl nur im I. Grad. Es gibt gelegentlich Steinmänner und schwache Spuren, die man aber leicht verfehlen kann.

Noch 80 ... 40 ... 20 Höhenmeter! Das allerletzte Stück am Grat ist zwar etwas ausgesetzt, aber herrlich, denn der spitze, felsige Gipfelbereich macht doch viel mehr her als das endlose Blockmeer weiter unten.

Naturlich gibt esauf dem Schijenstock (3161 m) ein Gipfelbuch, sogar extra gesichert in zwei ineinanderliegenden Kassetten. Leider ein gutes Beispiel dafür, dass viel nicht immer viel hilft. Das Buch ist kaum fünf Jahre alt und schon verschimmelt. Offensichtlich förtert die opulente Verpackung die Bildung von Kondenswasser und Feuchtigkeit...
Der Ausblick von Schijemnstock ist nicht übel. Ein sehr guter Platz, um einige der berühmteren Urner 3000er aus einer relativ nahen Perspektive zu bewundern. Besonders erwähnt sei der Fleckistock, sehr treffend auch Rot Stock genannt.

Beim Abstieg bremst mich zuerst ein Krampf etwas aus, aber dann geht es ganz gut voran. Die Kletterstellen unter dem Gipfelkreuz sind alle eher unproblematisch. Allerdings fällt es mir nicht gerade leicht, der günstigsten Route zu folgen. Ich weiß nicht, ob alle Steinmänner ideal stehen, jedenfalls komme ich zu weit nach Süden, wo sich eine Plattenzone befindet. Immerhin hat es keine wirklich bösen Fallen und man kommt im T5-Bereich durch. In dem flacheren Stück auf ca. 2900 m wäre es sinnvoll, nach der eigenen Aufstiegsroute zu suchen. Ich bin aber zu bequem und bleibe eher am Grat, was dazu führt, dass ich bald oberhalb der Scharte (unweit P. 2889) an einer Abseilstelle stehe. Notfalls könnte man hier am Grat ind die Scharte runterklettern (ähnlicher Eindruck wie von unten gesehen, mind. II), aber ich lasse es lieber, steige wieder etwas hoch und gehe dann am Rand des Kessels entlang, bis ich meine eigenen zwei Steinmännchen wiederfinde.

Ein bisschen Ier-Kraxelei bringt mich zurück in die Rinne östlich unterhalb der Scharte. Auf dem Weg dorthin suche ich nach einem sichtbaren Durchstieg zum Bergseeschijen - leider ohne Erfolg. Möglichkeiten gäbe es schon, aber alle uneinladend, vielleicht T5, vielleicht T6, vielleicht sinds auch komplette Sackgassen.
Jedenfalls ist mir das alles viel zu vage und so wurstele ich mich lieber wie gehabt durch die Ostflanke bis zum Alpinwanderweg auf ca. 2440 Metern Höhe. Es zieht sich wirklich ziemlich, aber viel falsch machen kann man unterhalb der Rinne nicht mehr. Einen Fehler mache ich aber doch noch, weil ich auf knapp 2700 m zu weit nach Süden gerate. Dort sind Felsen, welche aber letztlich eine Kanzel bilden, die den direkten Abstieg verwehrt. Kein großes Problem, doch nochmals ein paar Meter im Grad T5.

Den Alpinwanderweg kann man von oben kommend kaum verfehlen, da sehr gut markiert. Freilich ist es nicht wirklich ein Weg, sondern nur eine markierte Route durch Blöcke, nicht viel weniger mühsam zu gehen als der gerade begangene Bereich. Müde schlurfe ich die 160 Höhenmeter hoch zur Bergseelücke. Der Klettersteig runterwärts ist eine ganz nette Abwechslung. Obwohl ich das Klettersteigset nicht vermisse, empfinde ich diese Passage auch bei meiner vierten Begehung als recht anspruchsvoll und auch untypisch für T4. Deshalb gebe ich zusätzlich ein KS2- (oder WS-) als Klettersteigschwierigkeit an.

Nachdem dann auch die letzten und die allerletzen Blöcke überkraxelt sind, gönne ich mir nochmals eine Pause bei dem Wegkreuz unweit der Bergseehütte. Der Hüttenweg ist dann auch mit müden Beinen und im Abstieg komfortabel zu gehen.

Auf der Rückfahrt ergibt sich dann noch ganz ungewöhnliches "Glück". Obwohl viel Stau gemeldet ist, löst sich dieser stets auf, bevor ich dort bin. Denn kurz zuvor wurde der Gotthardtunnel abgesperrt (die Sache mit dem Riss in der Decke...), sodass der Nachschub an Autos einfach fehlt.

Schwierigkeiten und Gehzeiten

Göscheneralp - Abzweig vor der Bergseehütte: T2; hin 1 h 30 min, zurück 1 h 15 min
Abzweig - Bergseelücke - Beginn Ostflanke (2440 m): T4 (untypisch, kurzer Klettersteig, Sicherung möglich) hin 1 h, zurück 55 min
Ostflanke - Scharte nördlich P. 2889 - Schijenstock: T5- / I+; 2 h 50 min hin, 2 h 20 min zurück
Einzelstellen kaum über T4+, aber der Gesamteindruck passt nicht zu T4, außerdem ist die ideale Route schwierig zu finden.

Fazit - eine Route für jene, die nicht richtig klettern können und trotzdem unbedingt auf diesen imposanten Gipfel möchten - ansonsten eher Geschmackssache


Tourengänger: Bergmax
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Kommentare (5)


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Felix hat gesagt: super Tourenbeschrieb!
Gesendet am 18. September 2023 um 22:03
Routendetails und entsprechende Fotos sind von ausserordentlicher Qualität :-)

besten Dank und lg, Felix

Bergmax hat gesagt: RE:super Tourenbeschrieb!
Gesendet am 19. September 2023 um 17:14
Danke Felix.
Es freut mich immer sehr, wenn meine Berichte gelesen, geschätzt und genutzt werden.

Planst Du etwa auch eine Tour auf diesen Gipfel?

Viele Grüße aus dem Schwarzwald

Max

Felix hat gesagt: RE: super Tourenbeschrieb!
Gesendet am 25. September 2023 um 16:15
ciao Max

aktuell - mit der etwas leiden körperlichen Verfassung - ist das nichts für mich; schade ...

lg Felix

Bergmax hat gesagt: RE: super Tourenbeschrieb!
Gesendet am 28. September 2023 um 12:12
Oh, das ist schade. Mach das Beste draus und ich drücke Dir die Daumen, dass es wieder besser wird...

Viele Grüße

Max

Felix hat gesagt: RE: super Tourenbeschrieb!
Gesendet am 28. September 2023 um 12:31
Danke Max

nach dem Schulter-MRI habe ich am Montag einen Termin beim Spezialisten > eine OP droht ...

lg Felix


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