Biberkopf-Südostgrat aus dem Stillachtal


Publiziert von quacamozza , 14. September 2023 um 11:10. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 4 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1940 m
Strecke:26 km radeln, 10 km zu Fuß
Kartennummer:BY 2 und BY 4

Es ist zuweilen ganz schön beängstigend, wie schnell Tourenberichte veralten. Ein Thema, das leider nur selten und damit unzureichend angesprochen wird, weil es den meisten Autoren egal zu sein scheint oder schlicht nicht im Bewusstsein verankert ist. Während man als kommerzieller Buchautor in aller Regel dazu verpflichtet ist, zumindest die folgende Auflage auf dem aktuellen Stand zu halten bzw. sie wieder auf diesen zu bringen, macht im Netz jeder mit seinen Berichten, was er will, also nach der Publikation im Allgemeinen nichts mehr.
Wichtiger ist es, schlicht wahrgenommen zu werden. Was allerdings den Nutzen der Tourenberichte für Nachgeher betrifft, gilt: Es ist ratsam, vor allem ältere Berichte angesichts der sich immer schneller verändernden Rahmenbedingungen wie Gletscherrückgang, Personalmangel auf den Hütten/Alpen, Bergstürze, Überflutungen, Wegverlegungen und dergleichen mit Vorsicht zu genießen, mehrere Informationsquellen zu nutzen und den gesunden Menschenverstand einzuschalten.

Ein Beispiel zu diesem Komplex kommt heute aus meinem Freundeskreis: Es geht um den ehemaligen "Normalweg" auf die Hochfrottspitze, der durch den Rückgang des Schwarzmilzferners so anspruchsvoll geworden ist, dass man diese Tour im Grunde nur noch im Winter und bis maximal zum Vorsommer so (einfach) wie früher gehen kann. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders. Dass die Route (immer noch) einfach sei, hält sich dagegen bis in die Gegenwart hartnäckig. Aber wer ist schon geil darauf ist, über senkrechte, glattgeschliffene, meterhohe Felsen zu turnen oder sich einer unvertretbar hohen Steinschlaggefahr auszusetzen?

So muss ich nicht nur über die vor der Pandemie geltenden Schnäppchen-Parkgebühren im Allgäu, sondern etwa auch über die Einleitung meines eigenen, acht Jahre alten Tourenberichtes zum Biberkopf *Biberkopf-Runde schmunzeln. Da steht doch tatsächlich was von einer "überaus langen Rad- und Wanderstrecke" oder von einem "wesentlich kürzeren Zustieg aus dem Lechtal".
Ja, mittlerweile nehmen selbst die meisten Profis das E-Bike, um zügig und in ausgeruhtem Zustand eine Bergtour aus den Oberstdorfer Tälern zu starten und mehr Zeit am Berg zur Verfügung zu haben. Kurzum: Auch wir fahren für den Biberkopf umwelt-, nerven- und Geldbeutel schonend heutzutage nicht mehr stundenlang ins bzw. aus dem Lechtal. Fun fact: Der Beginn unserer Wanderung liegt mit einer Meereshöhe von 1570m sogar höher als der jenseitige Ausgangsort Lechleiten.

Dafür nehmen wir nach der Schwarzen Hütte den steilen, aber asphaltierten Alpweg hinauf zur Biberkörb-Alpe. Danach könnte man die Velos in der Nähe des Verbotsschildes am Viehgatter deponieren. Das machen wir aber nicht, denn der nun nicht mehr asphaltierte, sehr steile und holprige, aber immerhin noch fahrbare Weg rechts hoch zur Mittleren Biberalpe ist vom Fahrverbot ausgenommen. Also im Power-Modus noch gut 100 Hm bis zur markanten Linkskehre hochgeradelt, zugegeben trotz High-End-"Motorisierung" hin und wieder mühsam. Vorsicht, wenn sich auf diesem Abschnitt Rinder aufhalten, oder wenn's noch schlammiger sein sollte als das bei unserer Tour der Fall war. Ab der Kehre geht's so oder so per pedes weiter.

Vom Salzbicheljoch muss man bis auf ca. 1650 m, also bis kurz vor Lechleiten, absteigen. Vorher auf den östlich verlaufenden Wanderweg zum Biberkopf zu queren, macht wenig Sinn, denn oberhalb ist das Gelände steil, schrofig und in jedem Fall zeitaufwändiger zu begehen als weiter unten, abgesehen davon, dass der Wanderweg bereits unterhalb von 1700 m im Wald verschwindet und somit von der gegenüberliegenden Seite nicht mehr sichtbar ist.

Den aussichtsreichen Hundskopf mit eindrucksvollem Blick aufs Tagesziel und in die Vorarlberger Berge nehmen wir auch dieses Mal per kurzem Abstecher im Steilgras (bis T 4) mit. Kurz darauf halten wir uns mit der blau-weißen Markierung Richtung Mäuerleshütte rechts, um den Südgrat zu umgehen.

Nach den ersten leichten Kraxelpassagen am Gratbeginn geht's knapp rechts unter dem Grat weiter, bis das Gelände stotzig wird. Hier nach links über das Wandl (II+, für mich immer noch die Schlüsselstelle des Grates), dann in ausgesetzter Kraxelei (hin und wieder Steinmännchen) möglichst nah an der Gratkante. Einmal wird ein Aufschwung auch links umgangen. Oben dann die Wahl zwischen der Rinne mit Klemmblock (brüchig, aber leicht) oder der Wand rechts (viel schöner und nur wenig schwieriger).

Da wir heute die letzten Gipfelstürmer auf dem Biberkopf sind, können wir in Ruhe das einmalige Gipfelpanorama genießen und müssen beim Abstieg keine Rücksicht auf helmlose oder trittunsichere Kantonisten nehmen. Der Biberkopfgipfel ist schon eine besonders schöne Aussichtsloge. Sofort ist mir das tolle Kalender-Sonnenuntergangsfoto vom Stefan im Kopf. 
 
An der tiefsten Stelle des alpinen Steigs zwischen Biberkopf und Hochrappenkopf (ca. 2180m) zweigt links eine gut sichtbare Spur ab, die uns zunächst durch die Geröllwüste, unten dann durch saftiges Gras zielsicher zur Oberen Biberalpe leitet, von der wir im Anschluss westlich die Kuppe des Falken umgehen, um bald wieder im näheren Umkreis unserer Bikes anzukommen. 

Tipp zum Schluss: an heißen Tagen rechtzeitig starten, da man erst nach einiger Zeit Vorgeplänkel auf die Südseite des Berges wechselt und sich dann eine ganze Weile dort aufhält. 




Tourengänger: frmat, quacamozza


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Kommentare (9)


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Kauk0r hat gesagt:
Gesendet am 14. September 2023 um 22:28
Hallo Ulf,

an deiner Einleitung ist natürlich etwas dran. Zumindest ist es theoretisch einfacher in einem online publiziertem Tourenbericht etwas anzupassen als in einem gedruckten Werk. Theoretisch nur deshalb weil die Voraussetzung ja wäre, dass man die Tour regelmäßig wiederholt. Oder zumindest Zugang zu einschlägigen Informationen hat, die man gut verarbeiten kann, bspw. einen anderen Tourenbericht, auf den man verlinken kann.

Logischerweise wurden aber bereits in der Vergangenheit die Auflagen von Büchern nicht jährlich neu aufgelegt. Insofern musste man ja schon immer vor Ort die Informationen verifizieren. Auch ist natürlich heute eine andere Dynamik in den Veränderungen, aber auch in den Shitstorms, falls mal tatsächlich eine Information nicht mehr stimmt und es zu Zwischenfällen dadurch kommt.

Beste Grüße!
Kauk

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. September 2023 um 14:31
Hallo Kauk,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. Das ist alles absolut richtig.

Du sprichst die Crux an: Wenn jemand, so wie ich, in einem bestimmten Gebiet über Jahre hinweg regelmäßig unterwegs ist bzw. Touren wiederholt, dann fallen Veränderungen 1. schneller auf und 2. können dann entsprechend aktualisiert werden.
Ob das dann auch gemacht wird, ist aber noch mal eine andere Frage.
Auch wenn niemand erwarten kann, dass Tourenberichte aktualisiert werden: Ich finde es schon gut, darüber mal nachzudenken. Während es früher einfach nur wenige, veraltete Literatur gab, wird heutzutage im Netz viel eingestellt, was irgendwann und in immer kürzeren Abständen zum Datenmüll verkommt.

Fazit: Eigenverantwortung und eine besonnene Tourenplanung bleiben trotz immer mehr (guter und weniger guter) Informationsquellen essenziell.

Viele Grüße und einen schönen Herbst
Ulf

georgb hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2023 um 13:40
Ein Hikr-Bericht ist eben ein persönliches Zeitdokument und keine Führerliteratur, aber selbst Lehrpersonen haben das schon verwechselt!?

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. September 2023 um 14:51
Das ist grundsätzlich richtig, wobei man sagen muss, dass einige Tourenberichte schon laut wörtlicher Aussage von Autoren darauf ausgelegt sind, gezielt Informationen für Nachgeher bereitzustellen. Trotzdem das Fazit: siehe oben.

georgb hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2023 um 19:27
>dass einige Tourenberichte schon laut wörtlicher Aussage von Autoren darauf ausgelegt sind, gezielt Informationen für Nachgeher bereitzustellen

gerade deshalb ist es ja so leicht zu verwechseln

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2023 um 18:32
Seawas Ulf, du sprichst ein interessantes Thema an. Ich habe es für mich so geregelt, dass der Tourenbericht dem Stand des Publikationsdatums entspricht. Der ist für jeden Leser eindeutig erkennbar. Sowohl bei Büchern als auch im Internet ist aus meiner Sicht der Leser in der Bringschuld, mit etwaigen Änderungen der sicherlich sorgfältig recherchierten Gegebenheiten zu rechnen beziehungsweise sich zusätzlich zu informieren. Beste Grüße und viele schöne Touren!

PS.: Die von dir publizierte Tour habe ich auch schon lange auf dem Schirm. Dürfte auch gut mit Bus und Bahn gehen.

Vielhygler hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2023 um 12:22
Ich sehe die Berichte wie der Stefan: als persönliche Dokumentation eines einzelnen erlebten Tourentages mit Wetterstimmungen und allem drum und dran..
Wenn man Berichte immer wieder auf den neuesten Stand bringen wollte, wären es viele einzelne Bilder die ständig - synchron zur Jahreszeit und dem Wetter des jeweiligen Berichts - aktualisiert werden müssten.
Beispiel: da steht dann in einem Bericht z.B., daß ich im Hochsommer am xy.xy.2016 einen Stadel (Foto) erreicht habe und mich dort, zusammen mit einigen Schafen (Foto), bei einem Gewitter (Foto) unterstellen konnte....doch 2018 steht der Stadel gar nicht mehr, weil er im Winter 17/18 vom Schnee zerdrückt wurde. Habe ich ihn dann 2016 auch nicht erreicht? Text ändern? Hochsommergewitter abwarten, neues Stadelbild machen und einmontieren? Und was ist mit den Schafen;-)))

VG und schöne Touren noch!
Andreas


quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2023 um 21:18
Hallo Andreas,

sehr schön mit den Schafen ;-)

Ich warte ja schon seit einiger Zeit darauf, dass hier mal ein Bär oder Wolf neben einem Stadel gepostet wird. KI ist ja momentan nicht mehr wegzudenken...

Grüße zurück und weiterhin erlebnisreiche Touren
Ulf

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2023 um 21:10
Servus Stefan,

vielen Dank für Deinen Input. Ja, an der Bringschuld des/der Konsumenten hat sich im Laufe der Jahre nichts geändert, auch wenn das nicht jede/r wahrhaben will.

Zum Thema öV: Morgen Sonntag wären es von Kempten nach Lechleiten 3 Std mit Bahn und Bus, Mininum, auf Störungen wird schon hingewiesen.
Seit diesem Jahr gibt es den "Allgäuer Bergbus" von der
DAV-Sektion Kempten, mit dem auch z.B. Mitglieder anderer Sektionen mitfahren können und der u.a. alle paar Wochen von Kempten nach Lechleiten fährt, fahrplanmäßig nur gut 2 Std. Man hätte dann ca. 9 Std. brutto für diese Tour zur Verfügung. Es ist eventuell bei reiner öV-Anreise eine Überlegung wert, weil man per Bus auf der Nordseite ja nur bis zur Alpe Eschbach kommt. Ansonsten halt radeln.

Ich selber wollte diese Woche ursprünglich auch mit öV ins Allgäu, aber durch die Streckensperrung ab Illertissen wäre es per ICE über München-Pasing ins Allgäu gegangen, und das war mir bei mindestens 6 Std Anfahrt too much.

Grüße zurück und einen schönen Herbst
Ulf


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