Fünf-Gipfel-Überschreitung und der höchste Karwendelgipfel
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Halb fünf morgens bei 3°C auf dem Bäralpl aufgewacht. Dunkelblauer Himmel. Es wird ein schöner Tag. Nach einer halben Stunde schlummern schau ich entspannt einmal in die Runde. Da läuft eine Gemse einsam über die Geröllfelder unterhalb der Tiefkarspitze. Dort irgendwo weit hinter den felsigen Kämmen und Gipfeln steigt die Sonne schon bald auf. Wird das Wetter aushalten und werden wir den technischen Anforderungen gewachsen sein? Wird unsere Kraft ausreichen? Haben wir genug zu trinken? Nur diese Fragen sind im Kopf. Es ist eben genau das schöne in den Bergen, dass man allen Alltag zurücklassen kann! Die wenigen Reize, die auf unsere Wahrnehmungssysteme wirken, sind dafür besonders intensiv.
Wir essen einen Müsliriegel und Apfel zum Frühstück und machen uns auf zum Karwendelhaus. Es hat uns bei jeder Pause geholfen, wenn wir uns Zeitziele setzten, natürlich ohne dabei in Stress zu geraten, wenn wir diese nicht ganz einhielten.
Auf dem Bäralplsattel musste ich einen Moment überwältigt von der Schönheit des Morgens innehalten. Der höchste Teil der Hinterautal-Vomper-Kette beschienen von der Morgensonne, darunter Frühnebel im Karwendeltal. Nun geht es etwas hinab und recht weit hinziehend dem Ende des Gjaidsteigs durch Latschengassen entgegen (T3). Nach einer guten Stunde treffen wir auf den Fahrweg zum Karwendelhaus, übersehen den Pfad, der direkt hinaufführt und müssen deshalb eine weite Spitzkehre mitnehmen und gelangen so nach knapp 90 Minuten seit dem Bäralpl zu der großen Alpenvereinshütte. In der Frühstückspause dringt die Sonne manchmal durch den Nebel, so dass wir unsere nassen Schlafsäcke etwas trocknen lassen können. Viele Mountainbiker sind heute Morgen hier oben.
Wir frühstücken ausgiebig, holen uns Wetterinfos, plaudern mit einigen anderen Wanderern und beginnen unseren Aufstieg über den Adlerweg (225), der gleich am Anfang sehr steil, aber gut mit Drahtseilen gesichert empor leitet (T3). Noch längst kein Grund, die Klettersteigsets auszupacken! Am Hochalmkreuz 2192m vorbei, führt der Steig ins Schlauchkar hinein, in dem man ab etwa 2100m die ersten Altschneefelder antrifft. Es war ja schon nach 10 Uhr und so wunderten wir uns nicht, dass uns bereits viele Berggänger entgegen kamen. Einige ziemlich steile Felspassagen mussten überwunden werden, die Wegfindung war trotz Markierungen nicht immer einfach und es passiert schnell, dass man die Markierung verliert und sich in anspruchsvollem IIer Gelände wiederfindet. Also als Wanderer besser genau den richtigen Spuren folgen! Im oberen Schlauchkar (bei diesen Verhältnissen T4) ab etwa 2300m ging es nur noch durch Schnee. Ein letzter Wanderer, der uns entgegenkam, hatte etwas ähnliches wie Snowblades zum abfahren dran und löste oben bei der Traverse von der Scharte herunter eine nicht unerhebliche Sulzlawine aus, die nur wenige Meter vor uns über die Spuren im zähen Tempo hinab rutschte. Das war wohl der Neuschnee der letzten Tage. Bis das vorüber war, warteten wir mehrere Minuten. Immer anstrengender wurde der Aufstieg, immer tiefer der Schnee. Ich rutschte einmal bis zur Hüfte hinein. Immerhin wusste man hier keine Gletscherspalten unter den Füßen. Die letzten 150Hm bis zum Birkkarhüttchen spurte zum Glück der Jonas. Kurz nach 12Uhr am Biwak, begaben wir uns natürlich zuerst einmal auf die Birkkarspitze ohne Rucksäcke. Welch ein Gefühl! Man schwebt fast aufwärts.
Nach ausgiebiger Mittagsrast und –ruhe, betraten wir den Grat der über die drei Ödkarspitzen führt. Diesen Steig sollte kein Karwendelbesucher auslassen. Äußerst lohnend, gut abgesichert, nur manchmal etwas brüchig und mit kurzen Stellen I. Wir bestaunten nun das Bäralpl von da aus, wo wir heute morgen noch ergriffen und ehrfurchtsvoll hinüber blickten. Von der Westlichen Ödkarspitze 2712m verließen wir den markierten Steig und stiegen bis in die Scharte P.2539 ab, umgingen den Gratkopf nördlich und wendeten uns wieder dem Grat zu, bis wir auf der Marxenkarspitze 2636m anlangten. Hier berieten wir, ob es Sinn machen würde, den Grat zur Großen Seekarspitze noch mitzunehmen oder lieber direkt zur Breitgrieskarscharte aufzubrechen. Doch dieser schöne Berg zog uns so sehr in seinen Bann und auch ein einsamer Berggänger motivierte uns zum Abschluss der Überschreitung, dass wir diesen letzten anspruchsvollsten Teil doch noch in Angriff nahmen. Die Wolken sahen allerdings langsam nicht mehr so gut aus. In wenigen Stunden würde das Gewitter beginnen.
Die Schlüsselstelle unserer gesamten Dreitagetour befand sich auf dem nun folgenden Abschnitt. Wegloses Gelände, ein brüchiger, teils ausgesetzter Grat abwärts klettern mit vielen Einschartungen, die man selten gut umgehen kann. Ich lass mir gern widersprechen, denke jedoch, dass der Abschnitt sich in der höchsten Schwierigkeit der Wanderskala befindet. T6-. Das ganze machte sehr viel Spaß bis zur Schlüsselstelle. Dort musste man ausgesetzt über eine sehr brüchige II auf einen sehr ausgesetzten Gratabschnitt etwa 3m abklettern oder man umgeht das nordseitig sehr unangenehm und brüchig (III-IV). Wir setzten unsere Rucksäcke ab und Jonas umging die Stelle um herauszufinden, ob es so schwierig weiterging. Zum Glück nicht. Also reichte ich ihm die Rucksäcke und Isomatten von oben herab. Meine Nerven waren arg strapaziert. Dann musste ich noch über die Stelle hinweg. Das problematische daran war, dass alle Tritte und Griffe, die das nur zu einer II werden ließen, zu locker waren. Im AVF ist das eine II, Jonas sagte es sei eher eine III. Vielleicht ist wegen der erhöhten psychischen Anspannung schwieriger erschienen, als es war. Einen lockeren Griff kurz benutzend und gut auf die Füße achtend kam ich mit Jonas’ Hilfe hinab. Ich bin noch nicht so erfahren im Klettern. Der wirklich ordentlich ausgesetzte waagerechte Grat war nun ein echtes Kinderspiel.
Hinauf zur Großen Seekarspitze 2677m gab es noch einige herrliche Kletterstellen, die meisten davon waren aber auch sehr brüchig. Oben sahen wir nun dunkel aufziehende Gewitterwolken. Also nichts wie hinab zum Notbiwak in der Breitgrieskarscharte 2388m. Im Laufschritt absolvierten wir das letzte Stück. Die Kleine Seekarspitze 2613m ließen wir aus. Ich lief noch schnell ins Geröll zu einem Bächlein, um 4,5l Wasser aufzufüllen, denn wir wussten nicht ob es außer dem Schnee noch anderweitig Wasser gab. Mit den ersten Regentropfen gelangte ich zum rettenden Biwak um 19:30Uhr. Nach dem Gewitter gab es noch einen majestätischen Sonnenuntergang zu bestaunen. Noch nie zuvor habe ich in einer Blechdose geschlafen! Übrigens hatten wir hier Viviane und Lucas kennen gelernt, die im Herbst den Südamerikanischen Kontinent durchqueren wollen und hier zum Training waren. Hier gehts zu deren sehr interessanten Homepage: http://www.2000km-by-foot.de/?p=348#comment-531
Bericht des Vortags: http://www.hikr.org/tour/post36753.html
Hier weiterlesen zum Bericht vom 3. Tag: http://www.hikr.org/tour/post36839.html
Hike partners:
alpensucht

Communities: T6, Biwak- und Zelttouren
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