Vincentpyramide über den Südwestgrat


Publiziert von LeiOaEisn , 11. Juni 2024 um 21:34.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:19 Juli 2023
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Strecke:5 km
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Città di Mantova, Capanna Giovanni Gnifetti

Die Vincentpyramide scheint ein beliebter Berg zu sein. An der Rückseite kann man relativ gemütlich hinaufspazieren. Für einen alpinistisch interessanteren Anstieg bei gleichzeitig niederigerer Spaltensturzgefahr gibt es jedoch den Südwestgrat.

Wir gingen nach dem Frühstück auf dem Rifugio Mantova Richtung Gletscher oberhalb los. Beim Anziehen der Eisausrüstung fing es auch schon zu regnen an. Da bogen wir gleich links zur Capanna Gnifetti ab für einen Tee. Dorthin gibt es zwei Wege, wir wählten den von hinten über Leitern und Treppen. Nach einer Stunde waren die Gewitter ausgesessen und wir machten uns wieder auf den Weg.

Die Route beginnt auf der anderen Seite des Gletschers leicht oberhalb gegenüber der Hütte. Als erstes muss man eine dreieckige Flanke hinaufsteigen (bis gut 35°). Das ging im Trittschnee gut, ein paar Stellen waren allerdings schon ausgeapert und dementsprechend geröllig.

Dann wechselt man auf die Ostseite. Wir zogen die Steigeisen ab und waren froh, eine Pause vom starken Westwind zu haben. (Die Wetterstation am Passo dei Salati mass zu der Zeit 55|75 km/h (15|21 m/s) Durchschnittswind|Böen.) Nach weiterem Aufstieg im Block- und Schottergelände wollte meine Begleitung wegen des zu erwartenden Winds nicht mehr weiter und entschied sich, in der windgeschützten Flanke zu warten.

So ging ich allein weiter. Die Route ist nicht wirklich markiert, aber einzelne Steinmännchen, Trittspuren und Intuition geben den Weg vor. Bald kommt man auf den Grat, wo die Schlüsselstelle wartet: erst rauhe Platten, dann ein winziger Aufschwung, der links ausgesetzt umgangen wird. Dort ist auch ein Fixseil verlegt, daran ging ich mit Prusik gesichert. Die Kletterschwierigkeiten sind wohl nur im zweiten Grad, aber viele Tritte und Griffe sind unangenehm klein, gerade mit den klobigen Hochtourenschuhen und Handschuhen.

Weiter geht es einfach kraxelnd oder gehend immer der leichtesten Linie am Grat folgend. Es kommt ein fast waagerechter Firngrat, der mir noch einmal eine windgeschützte Pause mit Steigeisenanziehen erlaubte. Dahinter gibt es prinzipiell zwei Varianten: entweder am Grat oder rechts durch die Flanke und eine Schnee-Eis-Rinne.

Beim Aufstieg wählte ich zwar die Gratvariante. Um mich aber vor dem Wind zu schützen, stieg ich sehr weit rechts in die Flanke ein (ohne Steigeisen). Das war ein Fehler, denn dort sind die klettertechnischen Schwierigkeiten höher, III, und ein paar unangenehme Vereisungen. Ich kann nur empfehlen, direkt auf dem Grat zu bleiben, das sieht leichter aus (vermutlich II).

Trotzdem erreichte ich irgendwann die Ecke des Gipfelfirnfelds (Steigeisen an). Der Rest ist einfaches Stapfen zum höchsten Punkt, wo es immer noch recht windig war. Wie ich oben war, kam auch eine Gruppe von der Rückseite an.

Den Abstieg machte ich über die Südostrinne. Der Einstieg war blankes Eis, gut 40
° steil, ein paar Meter darunter aber schon weicher Schnee. Der restliche Abstieg war dank des Schnees, der sich tatsächlich bis zum Firngrat dahinzog, recht zügig. Später in der Saison, wenn der Schnee geschmolzen ist, ist das übrige Eis-Geröll-Gemisch wohl nicht schön zu gehen.

Die Schlüsselstelle erforderte nochmals höchste Konzentration. Der Rest ist dann wieder recht einfach, auch wenn der Schnee schon sehr weich war. Insgesamt eine nette Tour, die mich etwas ans Frühlingsbergsteigen in den bayerischen Alpen erinnerte, und mein erster Viertausender.


Noch ein paar Anmerkungen zum Wetter:

Als Wettervorhersage nutzten wir das Alpenvereinswetter (
https://services.alpenverein.de/DAV-Services/Bergwetter/Wallis-Tessin-Aostatal-Gran-Paradiso/) und waren ganz zufrieden damit. Oft war das Wetter sogar besser als angesagt, weil wir zufällig am richtigen Tag im richtigen Tal waren. An diesem Tag beispielsweise (soweit ich mich erinnern kann) war für den ganzen Tag Schauer- und Gewittergefahr angesagt mit dem geringstem Risiko am Vormittag sowie Böen bis 100 km/h in freien hohen Kammlagen.

Zur Beobachtung der kurzfristigen Regen- und Gewitterentwicklung nutze ich ausserdem eine der vielen verfügbaren Regenradar-Websites. Deswegen waren wir auch schon wieder draussen, als die anderen sich noch wunderten, dass die Gewitter so schnell weg waren, wie sie gekommen waren.

Mit uns auf der Hütte war allerdings auch eine Gruppe, die ganz und gar nicht zufrieden mit dem Wetterbericht war (https://aktiv.alpenverein-erding.de/4000er-woche-am-monte-rosa/). Daher möchte ich hier darauf hinweisen, dass man beim Alpenvereinswetterbericht unbedingt den geschriebenen Text lesen muss und nicht nur die bunten Bilder mit den Zahlen anschauen. Das kann nämlich irreführend sein, z. B. werden bei "Monte Rosa" (wie bei allen Punktvorhersagen) mehr oder weniger die Werte am nächsten Rasterpunkt im Wettermodell genommen und auf die Punkthöhe umgerechnet (bei "Monte Rosa" 3000 m), was insbesondere beim Wind unbrauchbar ist. Ausserdem werden Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten nur im Text ausreichend kommuniziert.

Quelle der erwähnten Windgeschwindigkeiten: http://www.monterosa-ski.digiteco.com/default.asp?idstaz=5


Übersichtsbericht: Bielleser Höhenweg extended
Vortag: Übers Hochlicht zum Rifugio Mantova
Folgetag: Balmenhorn und Schwarzhorn

Tourengänger: LeiOaEisn


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