Am Rimdidim wachsen Burger an den Bäumen. Oder: Im steinernen Herz des Odenwalds


Publiziert von Nik Brückner , 11. Januar 2023 um 11:48. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Odenwald
Tour Datum: 7 Januar 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:13 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Hofgut Rodenstein

"Im Ourewal, im Ourewal"...

Kennt Ihr die Buchreihe "Mystische Pfade"? Ja, ich weiß, manche Tour in diesen Büchern ist ziemlicher Myst. Aber nachdem wir neulich beim 2023-Kickoff mit einer Tour aus dem Odenwald-Band gute Erfahrungen gemacht hatten (ich sag nur: Zauberer), haben die Waldelfe und ich eine Woche später eine weitere unter die Vibrams genommen: eine Tour mit Burg, Felsen, Wasserfall, Sagen und wilden Weibern.

Ist allerdings ein ziemliches Gegurke nach Reichelsheim, egal von wo aus. Na, aus der Umgebung von Reichelsheim nicht. "Isobar iii"  (erscheint offiziell erst am 20. Jänner) im Player erleichtert die Anfahrt.



Und los! Vom Wanderparkplatz Rodenstein (287 m) aus geht's zunächst hinauf zum Hofgut Rodenstein (292 m, ein Restau eher für Anzugträger) und dahinter weiter hinauf zur Burg Rodenstein (322 m).

Eine Hangburg. Nicht gerade günstig. Wie der Name andeutet, wurde hier Wald gerodet, und die Burg in das kleine Tal vorgeschoben. Typisch für solche Rodungsburgen ist der Hof unterhalb der Burg (das heutige Restaurant Hofgut Rodenstein), dem die wenigen Felder und Wiesen im Tal als Nutzfläche zur Verfügung standen.

Zurück zu der Burganlage. Sie gehörte den Herren von Crumbach und Rodenstein, deren Stammsitz sich im nahegelegenen Fränkisch-Crumbach befand. Sie wurde um 1240 als Trutzburg gegen das ca. vier Kilometer entfernte Schloss Reichenberg errichtet (das man bei der Anfahrt auch passiert).

1346 verkaufte Erkenger von Rodenstein die Hälfte seines Anteils am Haus Rodenstein an Graf Wilhelm II. von Katzenelnbogen. 1433 erwarb Philipp I. von Katzenelnbogen weitere Anteile. 1436 belehnte dann Graf Johann IV. von Katzenelnbogen den Edlen Hans mit der Hälfte der Burg. Mit dem Aussterben der Katzenelnbogener im Jahr 1479 fielen deren Besitzungen schließlich an die hessischen Landgrafen.


Trotz ihrer ungünstigen Lage wurde die Burg nicht durch kriegerische Ereignisse zerstört. Eine Skizze aus dem Jahr 1634 zeigt sie noch in intaktem Zustand. Damals wurde sie von Adam von Rodenstein und seiner Familie bewohnt. Doch die starben 1635 an der Pest, und danach war die Burg nicht mehr bewohnt. Schließlich begann man damit, die Steine der Burg als Baumaterial zu verwenden. Granit aus der Gegend, als Baumaterial durchwaus wertvoll.

Zehn Jahre später hatte sich dadurch ein Rechtsstreit entwickelt, in dessen Verlauf sich der letzte Rodensteiner, Georg Friedrich, sogar an Kaiser Leopold wandte. Anschließende Versuche zur Wiederherstellung der Burg blieben allerdings erfolglos, und nach dem Aussterben der Rodensteiner 1671 wurde sie endgültig zum Steinbruch. So entstand etwa der Adelshof der Freiherren von Pretlack (das heutige Rathaus) in Fränkisch-Crumbach aus Steinen der Burg Rodenstein.


Bei der Burg Rodenstein handelt es sich also um eine typische Hangburg. Eine Ecke und drei Türme der Ringmauer wurden gegen den Berghang gerichtet. Innerhalb dieser Ringmauer befindet sich die Kernanlage, ein rechteckiger Bau. In dessen Nordecke befand sich einst der erste Palas. Ein zweiter wurde im 14. Jahrhundert hinzugefügt, so dass die Kernburg am Ende ziemlich dicht bebaut war. Einen Bergfried gab es nicht.

An der Außenseite des westlichsten Turms, "Mühlturm" genannt, ist ein zugemauertes Tor zu erkennen. Hier befand sich offenbar der ursprüngliche Zugang. Später wurde dieser von der Bergseite zur Talseite versetzt, wo sich heute die Toranlage befindet. Weitere Teile der Ringmauer und ein Zwinger im Süden der Anlage wurden im 16. Jahrhundert ergänzt.


Nach den Abbrucharbeiten, die bis ins 19. Jahrhundert andauerten, wurde die Ruine im 20. Jahrhundert gesichert und in ihren jetzigen Zustand versetzt.

In der und um die Burg herum stehen kleine Tafeln mit OR-Codes darauf. Sie gehören zum "Pfad der Sagen".

Der "Pfad der Sagen" führt zu mehreren Stationen an den Wanderwegen zwischen der Laudenauer "Freiheit" und dem Ortskern von Fränkisch-Crumbach. Dort stehen bebilderte Tafeln, an denen Rodenstein-Sagen und damit verbundene Themen per QR-Code abgerufen werden können. Der QR-Code ist mit einem Audio-Guide verbunden, von dem der Wanderer die Informationen mit dem Handy anhören kann.

Auch mit der Burg Rodenstein, ihren Bewohnern und der benachbarten Burg Schnellerts sind Sagen verknüpft. Es sind annähernd dreißig Sagen, die sich um die Burg und die Rodensteiner Ritter ranken, oder um einen Schatz in der Burgruine. Am bekanntesten dürfte die Sage vom Rodensteiner sein:


Der kampflustige Rodensteiner Ritter zog einst zu einem Turnier nach Heidelberg. Dort traf er die schöne Maria, in die er sich sofort verliebte. Auch sie war dem Rodensteiner zugeneigt, und so heirateten die beiden, und zogen auf seine Burg.

Lange Jahre lebten die beiden glücklich und in Frieden auf Burg Rodenstein. Eines Tages jedoch geriet der Rodensteiner mit einem Nachbarn in Streit. Und er glaubte, diesen nun in einem Krieg ausfechten zu müssen. Seine Frau jedoch, die zu der Zeit schwanger war, flehte ihn an, nicht in die Schlacht zu ziehen, denn sie fürchtete um sein Leben. Als sie ihn festhielt, um ihn am Gehen zu hindern, stieß er sie jedoch hart von sich. Dabei fiel sie unglücklich, schlug sich den Kopf an einem harten Stein und starb, zusammen mit ihrem ungeborenen Kind.

In der folgenden Nacht erschien sie ihrem Mann als weiße Frau im Traum und verfluchte ihn: Von nun an war er dazu verdammt, aus seinem Grab zu steigen, mit dem Wilden Heer durch die Gegend zu ziehen und die Menschen vor Kriegsausbrüchen zu warnen - aber auch um den Frieden anzukündigen.


Diese Rolle oblag in früheren Versionen der Sage dem "Schnellerts-Geist", der in einer Ruine auf dem einige Kilometer entfernten Schnellertsberg hauste. Dieser zog zu Beginn von Kriegen mit seinem Wilden Heer durchs Kainsbachtal nach Brensbach und über Fränkisch-Crumbach zur Burg Rodenstein. Bei Kriegsende ritt er mit seinem Wilden Heer dieselbe Strecke zurück. Erst später, nach dem Aussterben der Rodensteiner Familie und dem Zerfall ihrer Burg, wurde der Rodensteiner mit der Geistererscheinung in Verbindung gebracht und verschmolz schließlich mit dem Schnellerts-Geist.

Das Wilde Heer wurde angeblich 1914 zum letzten Mal gehört, manche berichten aber noch bis heute von Männergeschrei, Hufgeklapper, Büchsenknallen, Kettenrasseln und Hundegebell, die in dunklen, nebligen Nächten zu hören sein sollen....


Man kann diese Sage seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisen. Sie ist verwandt mit den Gespenstererzählungen von der Wilden Jagd, die es auch in vielen anderen Gegenden gibt. Interessant an der Odenwälder Variante ist, dass, als im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts immer mehr Leute behaupteten, das Geisterheer beobachtet zu haben, der Graf von Erbach die Aussagen dieser angeblichen Zeugen protokollieren ließ ("Reichenberger Protokolle", 1742–1748). Als diese bekannt wurden, steigerte dies den Bekanntheitsgrad der Sage in ganz Deutschland, und Dichter wie August Friedrich Ernst Langbein, Joseph Victor von Scheffel und Werner Bergengruen verfassten ihre Varianten der Sage in literarischen Werken.

Sehr interessant. Kein Wunder, dass hier ein Sagenweg eingerichtet wurde. Der kommt auf die Liste. Für uns geht's aber nun hinter der Ruine hinauf zu einem breiten Weg, über diesen hinüber und weiter bergan. Hier findet man leider ein wahres Gewirr von Wegen vor, unsere Route ist aber markiert. Es geht Richtung Rimdidim.

Der Pfad dreht zunächst nach Norden, wendet sich vor einem felsigen Tal nach Westen, überquert bald einen breiteren Waldweg, und führt in der Folge nordwestwärts weiter bergan. An einer Kreuzung endet er.

Hier führen breite Waldwege nach links und scharf links. Wir nehmen den Weg nach links, und wandern leicht ansteigend hinauf zum Weinweg. Dieser würde nach links weiter zur Neunkirchener Höhe führen, nach rechts Richtung Nonrod. Wir folgen ihm nach rechts, aber nur für gute 100 Meter. Am Ende einer Lichtung biegt er rechts ab, wir wandern aber auf einem schmalen Pfad geradeaus in den Wald hinein und dort gleich links, hinüber zum Rimdidim (498 m).

Komischer Name. Der Rimdidim ist auch weniger ein Berg als vielmehr eine von mehreren Erhebungen auf einem Höhenrücken, dessen höchster Punkt die Neunkircher Höhe (605 m) ist, die nach Nordosten zum Schreckskopf (395 m) zieht und dann sanft ausläuft. Er bildet mit seinem felsigen Kopf allerdings eine recht markante Erhebung in der Bergkette.

Komischer Name. Der Berg hieß früher Arnstein und bildete einen Grenzpunkt. Der heutige Name "Rimdidim" klingt albern, ist aber einfach nur Odenwälderisch: Nach einem Wirbelsturm 1898, der auf dem Arnstein alle Bäume entwurzelt hat, soll der frühere Darmstädter Oberbürgermeister Albrecht Ohly auf einem Spaziergang einem Förster begegnet sein, der ihm gezeigt habe, wie weit man jetzt von der Höhe aus sehen könne. In seinem Dialekt klang das wohl in etwa so: "Vun do hott mer de schönste Blick rimdidim im Ourewal".


"Ourewal". Das heißt "Odenwald". Wilde Leute hier.


Das ist heute nicht mehr so. Der Berg ist vollständig bewaldet. Aber man geht auch nicht wegen der Aussicht dort hinauf, sondern wegen der Felsen. Die Felsengruppe am Gipfel des Rimdidim war einst sogar ein geologisches Naturdenkmal. Seit 1996 ist sie das nicht mehr, schön ist sie trotzdem.

Durch eine Felslandschaft geht's nun westwärts hinunter, einen Rechtsabzweig - nun ja - rechts liegenlassend. Ebenso zahllose wie zahlreiche Granittrümmer liegen hier im Wald verstreut, sämtlich überzogen von samtigem Moos. Bald passiert man die Klinger-Hannam-Höhle (480 m).

Dabei handelt es nicht nicht um eine spektakuläre Höhle, vielmehr um einen kleinen Felsüberhang, unter dem sich einige kleinere und größere Vertiefungen befinden. Es wird aber immerhin berichtet, dass er einst Räubern als Zuflucht und Unterschlupf gedient hat.

Der Weg knickt hier nach rechts, dann geht's weiter hinunter zum Gagernstein (459 m).

Der mächtige Gagernstein wurde nach dem österreichischen Autor Friedrich Freiherr von Gagern (1882 - 1947) benannt, der sich als Verfasser von historischen Abenteuer-, Tier- und Jagdgeschichten einen Namen gemacht hat.

Von Gagern hatte unter anderem Amerika und Afrika bereist und diese Erlebnisse in seinen Werken verarbeitet. Er schrieb seinerzeit sehr populäre Romane, exotische Abenteuererzählungen in Lederstrumpfmanier, in denen er männliches Einzelgängertum und die Ursprünglichkeiten fremder Völker idealisierte, dazu Heimatromane und Gesellschaftschroniken einer untergegangenen aristokratischen Welt. Dabei brachte er ein starkes Naturempfinden zum Ausdruck.

Von Gagern prägte besonders das Genre der Jagderzählung. Er gilt heute als bedeutendster Jägerdichter des 20. Jahrhunderts. Die Jagd war für ihn nicht nur Triebbefriedigung oder Gier nach Trophäen, sondern ein umfassendes Naturerleben und -betrachten bei gleichzeitiger Abkehr von gesellschaftlichen Konventionen, was vor allem innerhalb seines späteren Schaffens zum Ausdruck kommt.


Am Gagernstein geht's nun nicht weiter hinunter zu dem breiten Weg, sondern auf einem Pfad scharf links. Man wandert zwischen weiteren Granitblöcken hindurch und bald nach rechts bergab, bis man den breiten Weg dann doch noch erreicht.

Wir folgen ihm nach links bis zu einer Rechtskurve und danach noch für etwa 100 Meter.

Dann führt die Beschreibung im Buch links ab. Die Wege in diesem Bereich sind jedoch fast verschwunden, außerdem liegen Bäume kreuz und quer, so dass wir von der Begehung dieses Abschnitts abraten.

Stattdessen folgt man besser dem breiten Weg für weitere 200 Meter und hält sich erst am nächsten Abzweig links. Bald steht man am oberen Ende eines (gar nicht mal so) kleinen Felsenmeers (395 m).

Hier erstreckt sich ein kleines Felsenmeer der Flasergranitoidzone, das sich vom Talgrund des Steinbachs aus den Westhang des Rimdidim hinaufzieht.

Auf der rechten Seite des Felsenmeers führt ein wenig begangener und deshalb nicht leicht zu erkennender Pfad hinunter ans südliche Ortsende von Steinau, wo sich auch das untere Ende des kleinen Felsenmeers befindet (365 m). Und ein Natur-Parcours (365 m) einschließlich Barfußpfad, der die kleine Exkursion lohnt - wenn nicht gerade Januar ist.

Nun über den Steinbach hinüber und drüben auf dem Talweg links hinauf. Gleich am ersten Abzweig rechts und oberhalb der Wiese im Wald weiter.

Der Blick schweift - wenn er mag - über die Wiese hinüber zum Schloss Lichtenberg. Schön da!

Am ersten Linksabzweig links, gleich wieder rechts, und gleich wieder links - so zickzackt man sich den nächsten Berg, den Steinkopf hinauf. Wenn man an dessen Gipfel die Granitfelsen sehen kann, hält man Ausschau nach einer Aufstiegsmöglichkeit. Die bietet ein schmaler, unmarkierter Pfad, der rechts hinauf zunächst zu den Felsen führt, dann unter ihnen hindurch und hinauf auf das Gipfelplateau. Wir stehen auf dem Zindenauer Schlösschen (440 m).

Das Zindenauer Schlösschen (auch "Zündenauer Schlösschen") befindet sich im Gipfelbereich des 451 Meter hohen Steinkopfs. Es ist kein Schlösschen, sondern eine weitere mächtige Gruppe von Granitfelsen. Vielleicht hat sie jemanden an ein Schlösschen erinnert, aber schon den Namen "Zindenau" konnte ich nicht verorten. Und wenn schon, dann sehen die Felsen doch wohl eher wie eine Burg aus.

Die Felsen, die zur Flasergranitoidzone gehören, wurden bereits 1932 als Naturdenkmal geführt und sind heute als geologisches Naturdenkmal geschützt. Ebenfalls geschützt sind einige markante Eichen und Rotbuchen. Eine Eiche wird auf etwa 200 Jahre geschätzt.


Der Kammweg führt zur kleinen Steinkopf-Hütte (441 m), die an einer Wegkreuzung steht. Hier geradeaus zum nächsten Querweg. An dieser Stelle verließen wir die Wegbeschreibung und wandten uns nach rechts. Der breite Waldweg führt zur Bärlingsquelle (457 m), rechts, und zum Ludwigsfelsen (464 m), links.

Das ist ein unscheinbarer, zwei, drei Meter hoher Felsen mitten im Wald, der sich nicht von den anderen Felsen hier unterscheidet und keinerlei Aussicht bietet - aber trotzdem mit einem aufwändigen und sicher nicht billigen Steg, einem Geländer sowie einer Bank bebaut wurde. Vollkommen unnötig, weil der Felsen nichts Attraktives bietet, und nichts, was die vielen anderen hier im Wald nicht auch böten. Seltsam. Und ein bisschen lustig.

Den Weiterweg muss man nun ein wenig suchen. Unterhalb des Ludwigsfelsens macht der breite Weg eine Linkskurve. Auf deren Innenseite, auf der Bergseite, verläuft unser Weiterweg, etwa 50 Meter nach dem Felsen. Im jungen Baubestand ist dieser kaum zu sehen: ein unmarkierter Pfad, der bald deutlicher wird, und sich in der Folge recht hübsch den Felshang hinaufschlängelt. Man quert dabei einen breiten Weg, muss auf der anderen Seite erneut ein wenig suchen, und folgt dem Pfad dann hinauf auf die ca. 500 Meter hohe Bergkuppe. Dort verliert er sich endgültig, das ist jetzt aber kein Problem mehr. Man hält einfach auf den Waldrand zu. Linkerhand befindet sich eine weitere Felsgruppe, geradeaus geht's hinein nach Neunkirchen (510 m).

Neunkirchen gilt als höchstgelegener Ort im Odenwald. Nur die Einwohner der Häuser auf der Tromm sehen das ein bisschen anders.

Noch bevor es richtig in den Ort hineingeht, biegt man links ab und wandert über die Wiesen nach Osten hinüber.

Vom Weg aus hat man einen herrlichen Blick nach Nordosten, Richtung Groß-Umstadt. Unterwegs überquert man das Wasser, das weiter oben im Ort aus einer heiligen Quelle fließt. Karl Bader (in dem Band "Hessische Sagen", Darmstadt 1912, nach "Sagen und Geschichten aus dem Odenwald" zusammengetragen von Walter Albach unter Mitarbeit von Albert Allgöwer) erzählt die Geschichte so:

 
"Ums Jahr 284 nach der Geburt Jesu Christi, als Diokletian römischer Kaiser war und die hiesige Gegend noch zum römischen Reiche gehörte, damals soll, so erzählt man, ein Einsiedler in hiesige Gegend gekommen sein und hier ein Ruheplätzchen gefunden haben.

Da, wo jetzt schmuck und frisch das Pfarrhaus steht, erbaute sich der Eremit eine Waldhütte, eine Klause. Daneben sprudelte eine klare Quelle aus dem Felsgestein und bot kräftigen Trunk für den einsamen Waldbewohner, der sich aus Wurzeln und Kräutern eine naturkräftige Nahrung bereitete.

Seine sonderbare Lebensweise, die bald in der näheren und weiteren Umgebung bekannt wurde, noch mehr aber die wunderbaren Heilungen, welche der Einsiedler durch dieses Quellwasser an Kranken und Leidenden verrichtete, zogen die Menschen heran und veranlaßten neue Ansiedler, sich hier niederzulassen.

Die Quelle wurde drei Meter tief mit Quadersteinen ausgelegt und wegen des Volkszulaufes mit einer Mauer und einem Gitter umgeben, damit keine Entweihung durch Frevler und Verunreinigungen durch Regenwasser stattfinden konnten. Bald erhob sich über dieser Quelle eine Kapelle, worin alsdann das Wort vom Kreuze gepredigt wurde.

Der Zudrang der Gläubigen wurde aber noch größer, als zwei arabische Ärzte, Cosmas und Damian, hierherkamen und noch merkwürdigere Heilungen mit dem Wasser vornahmen. Aus der Kapelle wurde dann durch einen Anbau eine stattliche Kirche, welche den beiden genannten Ärzten gewidmet wurde. Diese Schutzheiligen erlitten um das Jahr 288 den Märtyrertod."

 

Yep, allerdings defi nicht im Odenwald, sondern in Aigeai in Kilikien. Weit weg.

Am östlichen Ortsende Neunkirchens gelangt man auf einen breiten Weg, der steil bergab und in den Wald hinein führt. Im Wald wird der erste Rechtsabzweig ignoriert, der zweite, unten im Talgrund, genommen. Er führt ein paar Meter weiter auf einen weiteren breiten Waldweg, der in Serpentinen von der L3399 herunterkommt. Wir halten uns hier aber links, überqueren den Oberlauf des Steinbachs, und folgen dem Waldweg nun bis hinauf auf die Germannshöhe (517 m), wo wir aus dem Wald auf eine riesige Lichtung hinaustreten. Unser höchster Punkt!

Am linken Rand der Wiese verläuft der Weinweg. Wir dagegen überqueren die Wiese auf dem nun wieder markierten Wanderweg, der sich am gegenüberliegenden Waldrand nach rechts wendet und im Wald steil hinunter zu einer Wegkreuzung führt.

Wer mag, kann hier einen Abstecher nach rechts machen, zu einer weiteren, etwa 200 Meter südlich gelegenen Felsgruppe. Wir mochten.

Wieder zurück an der Wegkreuzung wandten wir uns nun nach rechts, hinunter zur nächsten Wegkreuzung. Ein paar Meter rechts davon befindet sich der Wildweibchenstein (421 m).

Der Wildweibchenstein ist eine weitere Felsformation aus Granitblöcken, die sich im Wald den steilen Hang hinunterzieht. Ihr Name leitet sich von einer Sage ab, die sich um diese Steine rankt.

Die Sage erzählt von zwei Frauen, die in einer Öffnung zwischen den Felsen als "wilde Weibchen“ hausten. Sie saßen oft vor oder auf den Steinen, kämmten sich ihr langes Haar und waren in den Dörfern in der Umgebung dafür bekannt, dass sie den Menschen in vielerlei Weise halfen. So zeigten sie ihnen Heilpflanzen, brachten geraubte Wäschestücke zurück, nahmen bösen Rabenmüttern die vernachlässigten Kinder weg und machten sogar den Bräuten zu ihren Hochzeiten Geschenke.

Wenn es im Herbst dunkel und kalt wurde, wurden sie regelmäßig von den Reitern des Wilden Heeres in Angst und Schrecken versetzt. Da kam eines Tages der Pfarrherr von Neunkirchen, Rudolf von Rodenstein, und schlug eigenhändig ein Kreuz in den größten der Felsen, um die wilden Weibchen durch dieses Zeichen vor den Heimsuchungen des Geisterheeres zu schützen. Die beiden Frauen boten ihm zum Dank ein Kraut an, welches ewige Jugend verleihe, was der Pfarrer aber aus Gottesfurcht ablehnte. Daraufhin beschenkten sie ihn mit Gold und Silber, das er an die Armen seiner Gemeinde verschenkte.

 

Ließ mich an ein anderes wildes Weibchen denken, das mich neulich vom Wildfräuleinstein aus anrief. Herzlichen Gruß!

Die wilden Weibchen sind heute Namensgeberinnen für einen Literaturpreis, der jährlich von der Gemeinde Reichelsheim im Rahmen der Märchen- und Sagentage verliehen wird. Er würdigt Persönlichkeiten, die sich in besondere Weise mit dem Thema Märchen und Sagen beschäftigt haben. Darunter sind bekannte Namen wie Otfried Preußler, Cornelia Funke, Paul Maar, Christine Nöstlinger und Heinz Rölleke.


Der Weiterweg führt hinunter und hinaus aus dem Wald, in die Freiheit (411 m).

Hier, am nördlichen Ortsende von Laudenau ("zeig mir deine Lauden!"), liegt die "Freiheit": An dieser Stelle grenzten einst die Mark Heppenheim, die Mark Michelstadt und die reichsunabhängige Mark Fränkisch-Crumbach aneinander. Dazwischen befand sich ein Stück Land, das niemandem gehörte. Es ist überliefert, dass dieses Niemandsland einst eine Freiung war, daher der Name. Straftäter durften sich hier für die Dauer von zwei oder drei Tagen aufhalten und waren so vor Ihren Verfolgern in Sicherheit. Dies beugte insbesondere Schnelljustiz, wie im Fehdewesen möglich, oder Blutrache vor.

Die Freiung war ein besonderes rechtliches Privileg kleiner Herrschaften, ebenso wie beispielsweise die Niedere Gerichtsbarkeit oder die Blutgerichtsbarkeit, und stand unter kaiserlichem Schutz. Freiungen gab es vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, sie wurden erst im Sinne der Gleichheit vor der Justiz, einer festen Prozessordnung und eines gewandelten Rechtsbewusstseins abgeschafft.


Am Wanderparkplatz folgt man der Freiheitsstraße ostwärts, oberhalb der Häuser entlang. Hat man die letzten Häuser hinter sich gelassen, geht es noch etwa 350 Meter auf dem Weg weiter, bevor er sich nach einem sanften Bergsattel abzusenken beginnt. Nach dem Sattel folgt man dem ersten Weg nach links, hinüber zum Waldrand.

Rechts unterhalb, in einem felsigen Tälchen, fließt ein kleiner Bach, ein Zufluss des Eberbachs. Dort meint unser Wanderbuch, Sensationelles entdeckt zu haben: Zwei Steinkreise, dahinter drei Menhire und eine große Steinmauer, die das Tälchen nach unten abriegelt. Ein Stück bachaufwärts soll eine Stelle mit Steinen eingefasst sein, daneben ein Obelisk in den Himmel ragen. Alles selbstverständlich "vorchristlich".

Stellt sich heraus: Wie überall in der Gegend sind dort Granitblöcke wollsackverwittert und von beiden Hängen ins Tal gerollt. Dort liegen sie nun herum, wild und zufällig verteilt. Die beiden Steinkreise erkennt, wer das möchte, wer es nicht möchte, erkennt sie nicht, stolpert eventuell über das, was die, die es möchten, als Steinkreise erkennen, und muss schmunzeln. Die drei Menhire könnten auch zwei sein, oder fünf, oder siebzehn, es geht aber auch noch mehr. Und die Einfassung mit dem Obelisken existiert schlicht nicht.

Stattdessen stößt man auf nicht eine, sondern zwei Mauern, die das Tal nach unten wie nach oben abriegeln. Dass dazwischen weitere Steine bewegt worden sind, weist viel eher darauf hin, dass hier mal jemand Tiere gehalten hat - und das kann sonstwann gewesen sein. Dafür braucht es keine Vorchristen.


Egal, trotzdem ein wildromantisches Plätzchen. Angesichts der zahllosen anderen Felsen auf dieser Runde kann man aber auch dran vorbeilaufen.

Wieder zurück am Weg, dreht sich dieser nun nach links (Westen). Am nächsten Abzweig rechts hinunter, an Kreuzungen geradeaus und über den Eberbach. Auf der anderen Seite geht's wieder bergan, der Weg macht eine enge Rechtskurve, und mündet wieder auf den "Pfad der Sagen".

Unsere Runde neigt sich hier langsam dem Ende zu. Weiter geht's nach rechts, zum letzten Highlight des Tages, dem Fallenden Bach (360 m).

Wie der Name schon sagt: ein Wasserfall. Hier fällt einer der Quellbäche des Eberbaches über fünf, sechs Meter hohe Granitfelsen. Klein, aber ein Od. Kein Wunder, schließlich sind wir im Odenwald.

Keine 500 Meter weiter ist man dann wieder an der Burg Rodenstein (322 m) angelangt. Von hier aus geht's wieder hinunter zum Hofgut Rodenstein (292 m).

Unterhalb der Burgruine befindet sich das Hofgut Rodenstein, ein älterer Fachwerkbau, der nach einem Brand 1910 neu errichtet wurde. Der Stein mit der Jahreszahl 1593 über dem Portal stammt ursprünglich aus der Burg. Im Hofgut befindet sich heute ein Gastronomiebetrieb. Hier könnte man nach der Tour einkehren, wenn den wilden Wanderer die Anzugträger, die das Restau gerade betreten, nicht abschrecken.

Die Runde endet schließlich wieder herunten am Wanderparkplatz Rodenstein (287 m).


Fazit:

Eine schöne, sehr granit- und abwechslungsreiche Runde. Rückwärts, im Schnelldurchlauf: Burg Rodenstein, Wasserfall, Sagen, keine vorchristliche Anlage, Freiheit, Wildweibchenstein, Felsen, Aussicht, Felsen, vergessener Pfad, lustiger Ludwigsfelsen, Bärlingsquelle, Zindenauer Schlösschen, Natours-Parcours, (gar nicht so) kleines Felsenmeer, Gagernstein, Klinger-Hannam-Höhle, Rimdidim, Felsen, Burg Rodenstein - das ist schon was für 13 Kilometer. Trotzdem: Eher was für den Frühling. Manche Passagen sind im braunen Winter ein bisschen.... na, braun.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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Kommentare (6)


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joe hat gesagt:
Gesendet am 11. Januar 2023 um 15:49
Als alter Heiner ist für mich noch vieles gut zu verstehen.

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Januar 2023 um 16:12
Hey Joe!

Für mich dagegen offenbar nicht! :oD Was meinst du?

Gruß,

Nik

derMainzer hat gesagt: RE: alter Heiner
Gesendet am 12. Januar 2023 um 07:55
Griaß di joe,

als alter Heiner in der Schweiz bist du aber weit weg von der Goldenen Krone.

P.S. Ich als gebürtiger Meenzer auch.

Pfiat di
derMainzer

Nik Brückner hat gesagt: RE: alter Heiner
Gesendet am 12. Januar 2023 um 09:15
Aaaaaaaaaaaaaah!!!!!! Worüber redetn Ihr? Klärt mich mal auf!

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 11. Januar 2023 um 17:42
Tolle Eindrücke und "sagen"hafte Geschichten
So viel Hintergründiges auf so kleinem Raum ist schon außergewöhnlich.

VG, Markus

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Januar 2023 um 18:01
Wahr, wahr. Ist wirklich eine interessante Ecke des Odenwalds.


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