Tschuggen 2521m ab Zweilütschinen


Publiziert von Bergamotte , 21. Oktober 2022 um 11:38.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:19 Oktober 2022
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 2350 m
Abstieg: 950 m
Strecke:15km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Zweilütschinen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Kleine Scheidegg
Kartennummer:1228 / 1229

Die touristisch bestens erschlossene Jungfrauregion eignet sich ideal für mein derzeitiges Anforderungsprofil: viel Aufstieg, wenig Abstieg. Dabei müssen Ruhe und Einsamkeit nicht zu kurz kommen, wie die heutige Tour beweist. Der Erstaufstieg vom Talboden zum Männlichen erfolgt über kaum bekannte Pfade, die selbst in den alten Landeskarten fehlen. Nach einem kurzen Zivilisationsschock bin ich bei der Überschreitung des Tschuggens wieder alleine unterwegs. Dessen Nordgrat - auf Hikr bisher unbeschrieben - entpuppt sich als richtiger Leckerbissen, dabei erstaunlich gutmütig.

Kurz nach zehn Uhr geht's los ganz unten in Zweilütschinen (654m). Wer genau hinschaut, kann weit oben bereits den Gipfel des Männlichen erkennen. Dazwischen liegen 1700 Höhenmeter und jede Menge Schweisstropfen. Kurzer Aufstieg zur "Hinter der Egg", wo die originelle Route über den über NW-Kamm nach Usserschneit ansetzt. Sie ist nicht markiert, aber gut mit Drahtseilen und Leitern ausgerüstet - lohnend! Aufgrund der direkten, steilen Linie ist der Spass schneller vorbei als gewünscht. Tatsächlich bin ich diesen Weg bereits einmal gelaufen: 2015 nämlich, als wir in der einfachen Kirschbaumhütte auf der Alp Innerschneit eine Ferienwoche verbrachten. Von dort führt übrigens ein alter Pfad - unterhalten vom Vermieter - hoch nach Spätenen, Details und Track im damaligen *Bericht.

Heute aber geht's weiter in den Schneitwald. Hierfür zunächst der Alpstrasse folgend, dann zuletzt einmal abkürzend, so dass ich die Hütte bei P. 1216 links liegen lasse. Auf der LK endet der Weg irgendwann, tatsächlich verläuft er durchgehend weiter. Besten Dank an Zaza für die Inspiration. Das ist eine eindrückliche Route im teils jähen Waldgelände. Der Weg ist teils nur noch schwach vorhanden, aber dank alten, regelmässigen Markierungen weiterhin gut auffindbar (bis T4). Er endet direkt zu Füssen vom Leiterhorn (1526m), wo ich trotz fehlender Aussicht kurz vorbeischaue.

Nach wenigen Minuten verlasse ich das offizielle Wegnetz bereits wieder und gehe eine zweite vergessene Route an, welche auf der LK fehlt - und leider auch im Clubführer von 1997. Tatsächlich führt ein perfekt unterhaltener Weg in zahlreichen Spitzkehren durch die dicht bewaldete Westflanke unterhalb der Grindegg. Ich erreiche ihn von der Nordseite der Wiese, aber es scheint auch einen Zugang von P. 1524 zu geben, den ich übersehen habe. Dort wo man den Westgrat erreicht, verliert sich der Pfad zunehmend, man folgt nun einfach dem Kamm bis zur Grindegg (1869m) mit Bänkli.

Der Weiterweg gewinnt zunehmend an Schärfe. Am besten hält man sich an die schwachen Trittspuren, sie verlaufen zuerst rechts dann eher links vom Grat und teils direkt darauf. Vor Ort ist das recht offensichtlich. Noch vor dem Bärenbodengrind (2021m) weitet sich der Kamm und das Kreuz lässt sich im reinen Gehgelände erreichen. Ohne Pause geht es weiter zur markanten Felsnadel P. 2108. Einer Überschreitung kann ich nicht widerstehen, wobei am Ostgrat etwas brüchige IIer Kletterei vonnöten ist. Der Schlussaufschwung zum Männlichen (2342m) in beliebiger Linie erfordert nochmals Einsatz: technisch harmlos, aber steil und anstrengend. Insgesamt eine stimmige T5.

Natürlich ist es oben vorbei mit der Einsamkeit an diesem prächtigen Herbsttag. Ich gönne mir eine erste Pause, der Mandelgipfel mittlerweile wohlverdient. Im Berghaus kann ich die Wasserflasche füllen, um mich gestärkt an die Überschreitung des Tschuggen zu wagen. Der Nordgrat wirkt abweisend, Begehungsnachweise auf Hikr habe ich keine gefunden, im Führer fehlt sie - gewisse Fragezeichen also. Zunächst mal hoch zum vorgelagerten Tupphorn (2308m), das ist reines Gehgelände. Und dann einfach weiter dem Kamm entlang. Einen ersten Felsaufschwung umgeht man offensichtlicherweise rechts (südlich), um gleich im Anschluss über Steilgras wieder den Grat zu gewinnen. Diesen braucht man bis zum Gipfel nicht mehr verlassen, vermeintliche Umgehungen sind weniger lohnend und nicht einfacher. Ohnehin halten sich Ausgesetztheit und Schwierigkeit in Grenzen (T5+ bis T6- / II). Ich bin fast schon enttäuscht, weil ich bereits auf eine scharfe T6 eingestellt war. Insgesamt aber eine tolle und logische Führe. Warum sie aus dem Clubführer gefallen ist, weiss wohl nur Martin Gerber.

Auf dem Tschuggen (2521m) mit seinem unübertrefflichen Panorama auf Eiger, Mönch und Jungfrau gibt's einen Riegel und dann geht's runter über den felsigen Südgrat (T4). Weiss der Himmel, warum unterwegs zwei Bohrhaken stecken. Viel nützlicher wären diese wohl an der Nordkante des Lauberhorns, welche die Alpinwanderskala deutlich sprengt. Deshalb Gegenabstieg nach Osten der Felswand entlang bis fast zum (unmarkierten) Weg. Im Wiederaufstieg über den breiten, mässig attraktiven Rücken macht sich das Pensum langsam bemerkbar. Auf dem Lauberhorn (2472m) sind dann alle Aufstiegshöhenmeter geschafft und das (alkoholfreie) Bier darf geöffnet werden. Mit kurzem Schlenker via Lauberhornschulter steige ich zum Rummel auf der Kleinen Scheidegg (2061m) ab, wo praktischerweise viertelstündlich eine Verbindung ins Tal abgeht. Auf der nostalgisch angehauchten Bahnfahrt nach Wengen / Lauterbrunnen bleibt genug Zeit zum Entspannen und Verpflegen nach dieser konditionell doch recht nahrhaften Überschreitung.


Zeiten (kum)
1:20  Leiterhorn
1:55  Grindegg
2:55  Männlichen
3:20  Tschuggen
4:40  Lauberhorn
5:05  Kleine Scheidegg

Tourengänger: Bergamotte


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