Verpeilspitze (3425 m) via Süd- / Westgrat


Publiziert von Sarmiento , 20. August 2022 um 13:04.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:13 August 2022
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 600 m

Den Süd- bzw. Westgrat auf die Verpeilspitze erklettern - das klingt doch erstmal ganz nett. Beim Blick auf die Karte dann leichte Verwirrung: Es gibt an der Verpeilspitze gar keinen Südwestgrat… Da wäre einer Richtung Westen bzw NW, und einer Richtung Süden bzw SO - aber dazwischen - gähnende Leere, nix! Ja was denn nun?

Die Auflösung besteht darin, dass die Benennung dieser Route eigentlich Quatsch ist. Denn eigentlich besteht sie aus 2 separaten Teilen: Im ersten Teil wird ein kaum eigenständiger Pfeiler in der SW-Wand der Verpeilspitze erklommen, gefolgt von einer kurzen Querung in eine Scharte am W-Grat. Im zweiten Teil beginnt dann erst die eigentliche Grat-Kletterei am W-Grat, die diesem allerdings auch nur für gut 2 Seillängen ziemlich flach folgt, bevor am letzten Steilaufschwung vorm Gipfel erneut der Grat verlassen wird und der Weg sich im pfeiler- und rinnenartigen Gelände rechts des Grates seinen Weg zum Gipfel sucht.


Insgesamt besteht die Route, entgegen ihrem Namen, also eher aus Wandkletterei, und tatsächlich nur 2 Seillängen echter Gratkletterei. Und da nur eine dieser Seillängen auch vertikale Anteile hat (die andere ist flach bis abschüssig), bleibt effektiv genau 1 Seillänge "klassischer Gratkletterei" übrig. Das schmälert das Gesamterlebnis dieses Aufstiegs jedoch nur wenig, da er trotzdem einigermaßen lang ist (12 Seillängen) und ein recht konstantes Schwierigkeitsniveau aufweist. An der ein oder anderen Stelle lässt die Festigkeit des Gesteins zwar etwas zu wünschen übrig, das beschränkt sich jedoch auf wenige Stellen und ist kein permanenter Begleiter.

Da ich bisher keinen Bericht über den Südwestgrat gefunden habe, ist der hier eher als Kletterführer denn als Erfahrungsbericht gedacht. Dennoch möchte ich davor warnen, alles für bare Münze zu nehmen, was ich hier schreibe. Die Tour ist jedenfalls keine "klasse Feierabendrunde", sondern eher aus der Kategorie "klasse Tagestour für Alpinkletterer im unteren Schwierigkeitsbereich".


Verpeilspitze Südwestgrat (Südpfeiler + oberer Westgrat)

Zunächst ein paar Eckdaten:
 
Zeitbedarf: 7:00 h inkl. Pausen & inkl. Zustieg von der Kaunergrathütte.
Davon 0:45 h Zustieg von der Kaunergrathütte zum Wandeinstieg, 4:00 h auf dem Südwestgrat, 0:30 h Pause am Gipfel, 1:45 h Abstieg zur Kaunergrathütte.
 
Schwierigkeiten: Max. III+
 
- im unteren Teil (dem vorgelagerten Pfeiler S-seitigen Pfeiler) unterhalb der SW-Wand direkt am Einstieg eine Stelle III+, ansonsten II - III, an der Querung am Ende des Pfeilers I - II
- Im oberen Teil (dem eigentlichen W-Grat) am Anfang III, dann Gehgelände bis I, am letzten Aufschwung nochmals II - III
 
Ausrüstung: 4 Langechsen, 2 Kurzechsen / 2 mittlere Friends / 2 x 120 cm-Bandschlingen + 1 x 240 cm-Bandschlingen / div. Schraubkarabiner / 1 x 60 m Seil / Helm
 
Hilfsmittel: ToPo der Kaunergrathütte (Bild mit eingezeichneter Linie)
 

Zustieg

Wir (das sind Ben und ich) starten gemütlich um 8:15 an der Kaunergrathütte, zunächst dem Weg in Richtung aperes Madatschjoch folgend, nach ca. 20 min dann rechts abbiegend dem Weg zum Plangeroßkopf folgend. Kurz vor diesem "Gipfel", der eher ein langweiliger Schutthaufen denn ein Berg ist, verlässt der Zustieg bzw. auch der Normalweg Richtung Verpeilspitze den Weg. Es geht rechts um den Plangeroßkopf herum, das großblockige Gelände querend. Es gibt zwar Steinmänner, aber einen idealen Weg durchs nicht immer feste Blockgelände gibt's keinen - am besten selbst suchen, und vor jedem Stein kurz die Festigkeit testen. Danach geht es mal geröllig, mal auf Plattengelände direkt auf die SW-Wand zu. Der Einstieg der Route ist mit einem roten Punkt sowie einem roten, nach rechts zeigendem Pfeil markiert.

Teil 1 - Südpfeiler

1. Seillänge (40 m): Ab dem auffälligen, roten Pfeil zunächst auf Platten und einem Riss folgend nach schräg rechts oben. Nach ca. 10 m folgt eine kurze Verschneidung von 3 m Höhe - diese stellt schon die technische Schlüsselstelle der Tour da. Oberhalb in gestuftem Gelände nochmals etwas weiter rechts heraus, dann in Falllinie nach oben zum Stand.
Schwierigkeit: Unten II, Verschneidung III+, Oben II - III

2. Seillänge (40 m): Leicht linkshaltend vom Stand weg, über ein kurzes Pfeilerstück, und anschließend rechts haltend in eine kurze, breite Rinne hinein. Am Ende der Rinne gerade nach oben zum Stand direkt unter steilen, hellen Platten. Achtung: In der Rinne liegt viel loses Gestein!
Schwierigkeit: Pfeiler II, Rinne I, Oben II 

3. Seillänge (25 m): Entlang von Rissspuren zunächst 4 - 5 m direkt aufwärts zu BH, und dann dem auffälligem Band nach rechts bis zu dessen Ende (am linken Rand der großen Schlucht) folgen. Hier ist zwar kein Stand eingerichtet (nur ein BH), aber ich würde zwecks Seilzug und Kommunikation dringend empfehlen, hier einen Zwischenstand zu machen! Wer weiterklettert, kann sich kaum noch verständigen und bekommt extremen Seilzug.
Schwierigkeit: Wand III, Band I - II

4. Seillänge (20 m): (Am linken Rand der großen Schlucht) Direkt für 3 m auf der Kante nach oben, dann schräg links über plattiges Gelände zu BH, dann weiter nach links zum Stand (markiert mit rotem Punkt) auf einem Band rechts neben einer auffälligen, kleinen & steilen Rinne. Achtung: Auf den Platten nach der Kante NICHT zu sehr an der Falllinie bzw. nach rechts orientieren - die Route geht hier links heraus!
Schwierigkeit: Kante III, Platten & Band II

5. Seillänge (45 m): Vom Stand direkt links in die Rinne und oben gerade in Falllinie in breit gestuftes Gelände heraus. Den großen Pfeiler vor einem auf seiner rechten Seite anklettern, direkt an seiner rechten Wand entlang. Am Schluss über eine kleine Stufe zum Stand an der rechten Wand des Pfeilers. Achtung: In der Rinne liegt viel loses Gestein!
Schwierigkeit: Rinne II - III, gestuftes Gelände: II

6. Seillänge (50 m): Zunächst ca. 5 m in flach gestuften Gelände nach oben, dann - vor dem nächsten Pfeiler - nach rechts und für ca. 15 m nach schräg rechts oben, bis auf eine wenig ausgeprägte Scharte. Dann wieder nach links oben, und für ca. 10 m einem schrägen, schuttbedeckten Band auf eine kleine Kanzel folgen. Über diese drüber und nach rechts leicht absteigend zum Standplatz.
Achtung: In dieser Seillänge ist die Wegführung nicht ganz intuitiv, auch BH zur Orientierung gibt's nicht ganz so viele.
Schwierigkeit: Durchgehend I - II.

7. Seillänge (55 m): Vom Standplatz rechts nach schräg oben heraus, und über kleine Kanzeln und Bändern folgend auf die auffällige Einschartung im W-Grat zu. Die Rinne 5 m unterhalb der Einschartung queren und hoch zum Stand direkt am Grat & unterhalb des Grataufschwungs. Achtung: Das Gestein direkt vor und nach der Einschartung ist teils sehr lose und rutschig!
Schwierigkeit: Maximal II, meist Gehgelände bis I.

Teil 2 - Westgrat

8. Seillänge (35 m): Direkt dem Gratverlauf entlang, zunächst einer kleinen Verschneidung folgend auf einen Absatz, und dann dem schmalen, beinahe horizontalen Grat zum Standplatz an einer großen, flach liegenden Platte folgen. 
Schwierigkeit: Verschneidung III, ab Absatz I - II

9. Seillänge (60 m): Zunächst ein paar m abwärts klettern, dann dem Grat unschwierig folgen. Über eine Mini-Scharte, und wieder leicht ansteigend über Platten auf Grat-Absatz zu. An diesem rechts vorbei, und vor dem markanten, großen Gratpfeiler rechts um die Kante zu BH. Dort Stand machen, einen gebohrten Stand gibt es hier nicht. Das Gelände ist flach, daher ist das hier auch gut möglich. Prinzipiell kann diese Seillänge auch gut und problemlos seilfrei bzw. am Kurzseil gegangen werden.
Schwierigkeit: Abklettern II, weiterer Gratverlauf Gehgelände bis I.

10. Seillänge (50 m): Vom Stand nach rechts auf die glatte Wand vor einem zu, dann weiter nach rechts in Richtung der auffälligen Rinne (BH) und links ums Eck in die Rinne. Der Rinne für 3 - 5 m folgen, dann bei erster Gelegenheit nach rechts heraus zu BH. Weiter nach oben, zu BH an Absatz unterhalb des Pfeilerkopfes - hier Stand machen. Es gibt auch hier keinen gebohrten Standplatz, und weiterklettern macht aus Seilzuggründen wenig Sinn! Bei den beiden BH am Anfang der Rinne auf Verlängerung der Echsen achten, sonst gibt's Seilzug! Und natürlich auf Steinschlag achten, die Rinne ist im unteren Bereich sehr trichterförmig.
Schwierigkeit: Querung zu Rinne Gehgelände, Rinne I, Pfeiler II

11. Seillänge (25 m): Direkt hoch auf Pfeilerkopf, auch links in Rinne oder rechts über Verschneidung möglich. Dem kurzen Pfeiler für 5 m bis auf Absatz folgen, dann wieder für ca. 10 m nach rechts oben in liegender Wand auf Absatz an Gratkante zu. Dort, wieder am BH, Stand machen.
Schwierigkeit: Pfeiler I - II, kurze Wand II

12. Seillänge (55 m): Nach rechts über schuttiges Gelände auf auffällige Rinne hinzu queren, diese dann für ca. 5 m nach links oben (BH), dann über auffälliges Band nach rechts oben (BH) und links in große Verschneidung (BH). Die Verschneidung erst rechtshaltend in Falllinie klettern, oben dann leicht links über Absätze heraus zu Stand an weiterem BH. Beim Legen aller Echsen auf ausreichend Verlängerung achten, sonst wird der Seilzug extrem!

Vom Stand der 12. Seillänge sind es dann nur noch 10 m Gehgelände bis zum Gipfelkreuz - und dann ist es geschafft.

Wir waren an diesem Tag insgesamt zu viert in der Wand / am Grat unterwegs: Ben und ich, und direkt vor uns Andreas & Gregor. Gregor hatte zu großen Teilen die Routenfindung übernommen und es mir und Ben daher ziemlich einfach gemacht - immer dem Andreas als Nachsteiger hinterher. :-) Kurz vor Ende, beim Suchen der Pfeilerumgehung des Gipfelaufbaus (der Pfeiler selbst ist vermutlich nur im V. - VI. Grad zu haben) hatte Gregor links des Pfeilers einen großen Brocken losgetreten, der dann eindrucksvoll ins Tal gedonnert war, und uns allen - ihm am allermeisten - einen großen Schrecken eingejagt hatte. Die Beruhigungs-Zigarette danach war ihm mehr als gegönnt! Ben und ich gingen daher vorbei, sodass ich auf den letzten 3 Seillängen die Führung übernahm.
Am Gipfel gönnten wir uns dann zusammen eine lange Pause, machten diverse Gipfelfotos, fachsimpelten über die diversen Seillängen und genossen es einfach, bei bestem Wetter so schön weit oben im Kühlen sitzen zu können - etwas, dass man diesen Sommer als Flachländer besonders zu schätzen weiß.

Abstieg über den Normalweg (Südgrat / Westwand)

Nach ca. einer halben oder dreiviertel Stunde ging's dann über den Normalweg runter. Der ist viel begangen, und daher so ausgelatscht, dass er mit etwas Routengespür bzw. Blick fürs Gelände kaum verfehlt werden kann - die hellen Stellen am Fels und im Gelände von den vielen Begehungen zeichnen sich nahezu überall deutlich ab.
Zunächst mal geht's vom Gipfel 20 m den SO-Grat runter, und dann (von oben gesehen) nach rechts über plattiges Gelände für 10 m zu einer kleinen Kanzel auf der W-Seite des Grates. Dann wieder links nach unten, eine Rinne um einen kleinen Pfeiler herum querend - gefolgt von einer weiteren Rinnenquerung nach links unten, erneut um einen kleinen Pfeiler herum. In der 3. Rinne geht's dann deutlich sichtbar für 50 HM nach unten, bevor sich die Rinne zunehmend im Gelände verliert. Dann geht's über gestuftes Gelände zunächst mehr oder minder gerade runter (mal etwas links, mal etwas rechts), bevor nach weiteren 20 - 30 HM ein Band nach links um einen abdrängenden Fels herumführt. Vor einem taucht dann der "Südgrat-Finger" auf - ein richtig schöner Turm von ca. 10 m Höhe am S-Grat. Der Weg führt genau durch die Scharte zwischen Turm und Grat hindurch, in eine absteigende Rinne - nun ist man auf der O-Seite des Grates. Nach ca. 25 m Rinnengekraxel nach unten folgt die technische Schlüsselstelle des Abstiegs - nach rechts muss eine ca. 5 m Hohe Stufe mit eher kleinen Tritten im II. Grad abgeklettert werden, die genau auf dem breiten Gratrücken endet. 
Danach folgt erstmal Gehgelände auf dem hier üppig breiten S-Grat. Der ist hier so breit, dass man den Wegspuren / Steinmännchen folgen sollte, um den richtigen Weg nach unten finden zu können. Es geht immer noch im Gehgelände rechts an ein paar kleinen Grattürmchen vorbei, bis der Grat wieder schmaler wird und man vor einem ca. 10 - 15 m hohen Grataufschwung steht. Hier geht's rechts nach unten in die W-Flanke. Erst steil und rutschig, dann etwas flacher nach rechts, und schließlich einen kleinen Klemmblock querend. Von nun an folgt der Weg einer Art breiten Rinne, die die W-Flanke (von oben gesehen) von links oben nach rechts unten durchzieht. Am Ende der Rinne sind große, rote Markierungen angebracht, die den Rinneneinstieg von unten kennzeichnen.
Ab hier geht's prinzipiell so runter, wie es Stunden zuvor hoch ging - also den Plangeroßkopf in seiner "Ostflanke" querend zurück auf den Weg in Richtung Kaunergrathütte. Unten wartetet dann Kaffee, Topfenstrudel und ein schönes Radler. :-)

Fazit

Schöne, für alpine Verhältnisse einfache Kletterei, die jedoch etwas Gespür für die Routenfindung erfordert, genauso wie ruhiges Gehen bzw. Klettern, da doch immer mal wieder zwischendurch loses Gestein herumliegt. Nochmals vielen Dank an Gregor und Andreas fürs gute Gespür beim Vorsteigen und fürs besonnene Klettern vor uns, sodass Steinschlag kein Thema war! Insgesamt ist der Fels über große Strecken jedoch schön fest, zwischendurch kommt echtes Kletter-Hochgefühl auf.
Wer allerdings eine lange, aussichtsreiche Gratkletterei erwartet, wird enttäuscht. Echten Grat gibt's nur für 2 Seillängen, der Rest ist Pfeiler- oder reine Wandkletterei, teils auch durch Gehgelände unterbrochen.

Tourengänger: Sarmiento


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Kommentare (4)


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Sofa1780 hat gesagt: Einstieg Koordinaten
Gesendet am 28. Juni 2024 um 21:41
47.00255° N, 10.80215° E
3171 m

DHM123 hat gesagt: Schöner Bericht
Gesendet am 17. Juli 2024 um 13:08
Vielleicht mache ich die Tour auch mal. Schaut nur etwas eintönig aus, oder täuscht das - verglichen mit Waze O
.. LG aus Detlev

Sarmiento hat gesagt: RE:Schöner Bericht
Gesendet am 18. Juli 2024 um 18:59
Eintönig ist es m.M. nach eigentlich nicht. In dem Schwierigkeitsgrad ist es definitiv eine abwechslungsreiche, mittellange Tour. Der Watze Ostgrat ist ja auch nominell schwerer und länger, daher eigentlich nicht direkt vergleichbar. Was man höchstens vergleichen kann: Watze Ostgrat schwankt stark zwischen Kletter- und Gehpassagen bzw Kraxeln, während die Tour hier deutlich einheitlicher fast immer im unteren Schwierigkeitsniveau zu klettern ist.

DHM123 hat gesagt: RE:Schöner Bericht
Gesendet am 18. Juli 2024 um 20:52
ok, cool, vielen Dank :)


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