Mera Peak Trek, Teil 4: Khote bis Khare


Publiziert von rhenus , 21. Mai 2022 um 20:21.

Region: Welt » Nepal » Hinku
Tour Datum:22 April 2022
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: NEP 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 300 m

Von Khote im Hinku-Tal stiegen wir in grandioser Bergwelt am Fusse des Kusum Kanguru (6369m) und des Kyashar (6769m) in 2 Tagesetappen über Tangnag zum Bergsteigerdorf Khare auf, das höher als der Gipfel des Mont Blanc gelegen ist und nur in der Trekkingsaison im Frühling und Herbst bewohnt ist. Der kühne Gipfel des Kyashar wurde bisher erst 2 mal bestiegen (!), es hätte im Hinku-Tal somit sicher noch viele lohnende Linien für ambitionierte Bergsteiger. Die Erstbesteigung über den 2'400m hohen Kyashar-Südpfeiler im November 2012 durch 3 Japaner wurde 2013 mit dem Piolet 'Or ausgezeichnet, der wohl renommiertesten Auszeichnung im Bereich des Extrembergsteigens.

Doch nun zurück zu unserem einfachen Trekking: Die Bergwelt, die wir als Trekker um Khare herum geniessen durften, ist schlicht phänomenal. Am Folgetag unseres Aufstiegs nach Khare machten wir eine kleine Akklimatisationstour zu den Zelten des Mera Peak Base Camps, das dieses Jahr am Fuss des Mera Gletschers auf ca. 5200m errichtet wurde. Es waren auf der Route zum Mera Peak nun mehr Trekker unterwegs, doch in unserem Lodge in Khare, wo wir 4 mal übernachteten, war unsere Gruppe meist allein.


22.4.2022 Khote bis Tangnag (Aufstieg 800m, 5 Std, T2)
Bei fantastischem Bergwetter stiegen wir von Khote mit geringer Steigung dem Hinku-Fluss entlang nach Monsum Kharka 3690m, wo ein Seitenbach namens Sanu Drangka in den Hinku-Fluss mündet. Dann stiegen wir dem Tal des Hinku entlang der Waldgrenze aufwärts zum Gundishung Teehaus, wo wir eine kurze Rast einlegten. Die prächtigen Berggipfel des Kusum Kanguru (6367m) und insbesondere des kühnen Kyashar (6783m) mit seiner gewaltigen, 2400m hohen Südwand traten nun prominent hervor und waren lohnende Foto- und Werbemotive für "Vesti-Beef" (super feine Mostbröggli aus dem Sarganserland). Weiter wanderten wir - mal näher, mal weiter vom Wildfluss Hinku entfernt - zum nicht bewohnten Kloster "Gondishung Gompa" ca. 2 km unterhalb von Tangnag auf. Hier besichtigten wir das Felsenkloster, wobei Pemba manch Interessantes zu berichten wusste. Insbesondere das dortige natürliche Felsrelief mit grosser Ähnlichkeit mit dem Hinku-Tal weckte unser Interesse. Nach dem Besuch des Klosters trekkten wir bei aufkommender Bewölkung weiter nach Tangnag (Thangnak, Taknak) 4360m. Wir lagen nun oberhalb der Waldgrenze, Rhododendronbüsche und Wachholdersträcher spendeten etwas Grün.

Nach dem Bezug der dortigen Lodge machte ich mir ein erstes Bild des gewaltigen Ausbruchs des nahe gelegenen Gletschersees Sabai Tsho, der sich am 3. September 1998 ereignete. Wie durch ein Wunder blieb die Siedlung Tangnag von der Flutwelle verschont. Auslösung der riesigen Flutwelle (engl. GLOF = glacier lake outburst flood) war ein Abbruch des steilen Sabai-Hängegletschers in den untenliegenden Gletschersee. Ein Erdbeben als Auslöser des Gletscherabbruchs konnte ausgeschlossen werden. Ein überströmter Damm ist ein verlorener Damm: Die Flutwelle riss in Windeseile eine riesige Bresche in die Stirnmoräne, welche den Gletschersee umfasst, und mobilisierte grosse Mengen von Moränenmaterial.  Das ausgebrochene Wasser-Volumen wurde auf ca. 18 Mio m3 errechnet, was etwa dem anderthalbfachen Nutzinhalt des Gelmersees im Berner Oberland entspricht. Durch den Seeausbruch sank der Wasserspiegel des Gletschersees um 52m. Die Flutwelle schoss mit einer sehr hohen Geschwindigkeit von ca. 5 m/s durch das Hinku-Tal und riss alles mit, was sich in den Weg stellte. Nach ca. 2 Std erreichte sie den 35 km entfernten Dudh Koshi Fluss. Die Schäden in der extensiv genutzen Talschaft waren vergleichsweise gering: 2 Tote, 5 zerstörte Hängebrücken, dazu übermurte oder zerstörte Landwirtschaftsflächen (siehe den interessanten Bericht von Shree Kamal Dwivedi et al, The Tam Pokhari Glacier Lake outburst flood of 3 September 1998, in: Jounal of Nepal Geological Society, 2000, Vol. 22, pp. 539 - 546).

Unweigerlich werden bei einem Schweizer Erinnerungen wach an den ungleich verheerenderen Gletscherabbruch des Allalingletschers in Mattmark VS im Jahre 1965, welcher im verschütteten Barackendorf 88 Tote forderte. Mit dem starken Rückgang der Alpengletscher dürften auch bei uns zahlreiche Gletscherseen entstehen, die bei Massenbewegungen potentielle Flutwellen in den untenliegenden Tälern auslösen könnten. 

23.4.2022 Tangnag bis Khare (Aufstieg 600m, 3.5 Std, T2)
Erneut erwartete uns ein traumhafter Bergtag, als wir in Tangnag loszogen. Über den mit grobem Moränenmaterial des ausgebrochenen Gletschersees übermurten Talboden wanderten wir bald steiler hinauf zum Gletscherzungensee Sabai Tsho. Der urspüngliche Seespiegel war im Gelände gut erkennbar und lag nun tief unter unserem Beobachtungspunkt. Ebenso hatte sich der Sabai-Hängegletscher weit hinauf zurückgezogen. Allerdings kann auch in Zukunft im steilen Felsgelände ein weiterer Gletscherabbruch in den nun deutlich tieferen Gletschersee nicht ausgeschlossen werden.

Nach der eindrücklichen Gletschersee-Besichtigung wanderten wir über den steilen Moränenkamm und entlang dem Hinku-Fluss weiter ins karge Hochtal von Dig Kharka, einer ehemaligen Yakalp auf ca. 4730m. Nach Durchschreiten der ebenen Yakalp stiegen wir am südlich gelegenen Dig Kharka-Gletscher vorbei hinauf ins hübsche Lodge "Hotel Norling Khare". Im Bergsteigerdorf Khare befinden sich etwa 5 Lodges. Khare auf 4950m Höhe liegt rund 140m höher als der Mont Blanc und bietet eine spektakuläre Aussicht auf den Mera Peak mit seiner gewaltigen, 2700m hohen Nordflanke.

In unserem Lodge logierte neben unserer Gruppe auch der bekannte deutsche Profibergsteiger David Göttler aus München (44) mit seiner spanischen Partnerin. Göttler hat bereits 5 Achttausender ohne Sauerstoff bestiegen. Er erzählte uns, dass sie am Vortag am Mera Peak bis über das Highcamp gewandert sind. Am Folgetag wollten sie zum Amphu-Labtsa-Pass (5950m) trekken und weiter zum Everest Base Camp. Anschliessend wollte er als Alleingänger und ohne Träger versuchen, das 3. Mal in Folge den Everest über die Südroute ohne Sauerstoff zu besteigen, nachdem er zweimal erfolglos blieb. Letztes Jahr musste er zusammen mit Kilian Jornet ohne Gipfelerfolg unterhalb des Everest umkehren. Doch just am 21. Mai 2022 erreichte Göttler solo und ohne zusätzlichen Sauerstoff im 3. Anlauf den Gipfel des Mt. Everest.

24.4.2022 Akklimatisationstag: Khare bis Mera Peak Base Camp 5200m (Aufstieg / 300m, Abstieg 300m, 3 Std, T3)
Obwohl ich wegen leichtem Kopfweh ein Aspirin zu mir nahm, schlief ich die erste Nacht in Khare nur etwa 3 Stunden und musste einige Male "tief" Luft holen, was angesichts der Höhenlage nicht weiter erstaunt. Die folgenden 3 Nächte in Kahre schlief ich dann jedoch wieder ohne "Pille" wie ein Murmeltier, was für unsere sehr gute Akklimatisation spricht. Auch hat vielleicht mitgeholfen, dass wir jeden Tag vor dem Essen Kräuterbonbons aus Ginseng gemäss einem Rezept der TCM zu uns nahmen. Die Nacht in Khare war nun deutlich kühler als bisher. Die Temperatur fiel draussen auf ca. - 7°C. In den ungeheizten Schlafräumen war es mit - 5° C nur unmerklich wärmer, sodass ich meinen bei Transa erworbenen, sehr warmen Schlafsack gut gebrauchen konnte. Wir waren auch nicht unglücklich, dass die etwa um 8 Uhr aufgehende Sonne unser wie üblich nicht isoliertes Lodge und die Umgebungstemperatur rasch wieder aufheizte. Geweckt wurden wir an diesem herrlichen Morgen durch einen Heli, der im untersten Lodge landete. In Khare gibt es mehrere Heli-Landeplätze. Täglich setzte mindestens ein Heli in Khare zur Landung an. Wir trafen auch 2 deutsche Trekker an, die sich aus Zeitgründen vom Everest Base Camp für 1400 Dollar nach Khare fliegen liessen. Sie ersparten sich mit ihrem Flug den langen Anmarschweg ins Hinku-Tal. Auch in Nepal lässt sich mit dem nötigen Kleingeld (fast) alles machen. Mit einer maximalen Höhe von 6476m am Mera Peak Nordgipfel ist übrigens eine Rettung per Heli (z.B. bei einem Höhenlungenödem) bei guten Wetterbedingungen gut möglich. 

Zur weiteren Akklimatisation stiegen wir auf dem ausgetretenen Wanderweg hinauf zur Gletscherzunge des Mera Gletsches auf ca. 5220m (T3). Als erfahrener Hase bzw. Höhenbergsteiger gab Pemba ein sehr gemütliches Tempo vor. Nach einem kurzen steilen Aufstieg auf der Seitenmoräne oberhalb unserem Lodge in Khare querten wir einen langen Schutthang und erreichten die kaum benutzten Zelte des Mera Peak Base Camps auf ca. 5200m. Manchmal wird das Base Camp unweit des Mera La Passes auf ca. 5360 m errichtet, doch diesen Frühling stand das Base Camp wenig unterhalb der Gletscherzunge des Mera Gletschers. Auf einem Felsen bei der Gletscherzunge machten wir Rast und schauten einer grösseren Bergsteigergruppe aus Australien zu, wie sie sich zur grossen Seilschaft verband und den Aufstieg über den unschwierigen Mera Gletscher in Angriff nahm. Nachdem wir bei herrlich warmem Wetter eine über einstündige Rast mit einem Nickerchen genossen hatten, stiegen wir wieder zum Lodge in Khare hinunter. Dort montierten Rita und Anna Katharina probehalber ihre vor Ort durch Pemba gemieteten Steigeisen. Übrigens: Im touristisch bestens erschlossenen Bergsteigerdorf Khare kann man alle für die Besteigung des Mera Peaks notwendigen Kletterutensilien mieten: Thermo-Expeditionsschuhe bis 7000m, Seil, Pickel, Gstältli, Jümar, Steigeisen, Daunenhose, Daunenjacke, Schlafsack usw!

Mera Peak Trek: Übersicht, Kartenausschnitte, Dies & Das, siehe hier
Mera Peak Trek, Teil 3: Najing Dingma bis Khote, siehe hier
Mera Peak Trek, Teil 5: Khare View Point 5202m und Mera Central Peak 6461m, siehe hier







Tourengänger: rhenus


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