Mera (IX) - der Weg zur Suppenlieferung ans Zelt - auf 5800m


Publiziert von Kris , 18. Januar 2023 um 22:39.

Region: Welt » Nepal » Khumbu
Tour Datum: 3 November 2022
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: NEP 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 970 m

Nun sollte es also wirklich hoch hinaus gehen. Und das mit einem Tag weniger Akklimatisation. Man spürt ein wenig Nervosität in der Gruppe. Die ersten Teilnehmer klagen über leichten Kopfschmerz oder verstimmten Magen nach der Nacht auf 4800m. Ebenjene fragen sich, ob sie den Angriff auf das High Camp über angehen wollen, einer hat sogar schon seine Duffle Bag ausgepackt, zumindest zur Hälfte. Wir genießen den Luxus, dass die Hochträger unsere Habseligkeiten, die nicht im Tagesrucksack verstaut werden (z.B. Steigeisen), bis ins Hochlager tragen. Um sie zu entlasten, packen je 2 Personen zusammen eine Tasche. 

Doch am Ende entscheiden sich alle dafür, es zu versuchen. Das kann man auch mit Vernunft so machen. Der Weg hinab vom Hochlager ist nicht unendlich weit, die Träger stehen zur Not genauso parat wie die Assistant Guides. Die Nervosität bleibt. Immerhin sind es fast 1000 Höhenmeter bis ins Hochlager und wir hatten neben dem fehlenden Akkli-Tag auf Basis des Wetter-Forecasts auch immer noch keinen Pausentag. 1000 Höhenmeter von 4800 auf 5800 sind quasi die Tour auf den Cotopaxi, nur so nebenbei, als Entrée. Wir haben aber zumindest keine Eile. Entsprechend langsam gehen wir den Tag an, stehen erstmal eine Weile in der Sonne bis es losgeht. Beobachten Absteigende und andere Gruppen, die sich im Vergleich zum Anfang unserer Touren recht zahlreich in Khare scharen.  

Langsamen Schrittes gehen wir durch das Dorf, vorbei an einer Schar Himalaya-Glanzfasane(?). Steil schlängelt sich der Pfad neben dem Dorf hinauf. Hier nun auf fast 5000m sehen wir die ersten Schneesprenkler im Schatten. Oben auf dem Hügel über dem Dorf zieht sich der Pfad nun teils über grobes Blockwerk, teils schuttig, erdig mal steiler nach oben, mal fast flach dahin. Wir gehen eine ganze Weile und ich fühle mich soweit gut & fokussiert. Es werden gerade mal 2km Luftlinie und 250 Höhenmeter sein, aber der Weg bis zum Base Camp zieht sich dennoch. Wir legen eine Pause ein und trinken und snacken etwas. Am Basecamp angekommen, zeigt sich, wie das Bergsteigen hier wohl noch vor einigen Jahren gewesen ist. Nicht in der Lodge, nicht im Wintergarten und Speiseraum. Sondern durchgehend im Zelt. Manche praktizieren das wohl immer noch und verschaffen sich damit einen Höhen- und Akkli-Vorteil. 

Danach geht es in eine kurze Senke und dann werden die Träger entlastet - die schweren Bergschuhe werden ausgepackt, ebenso wie die Steigeisen. Wir werden seilfrei bis ins Camp gehen und ohne Pickel. Das mag streitbar sein. Den Pickel haben wir aber bereits in Kathmandu aus unseren Taschen entfernt (um Gewicht zu sparen und die Träger nicht zu überlasten! - eine Wette..) und die Gruppe ist insgesamt recht stark, sodass wir uns die zwei etwas steileren Passagen zutrauen. Auch wenn der Mera als insgesamt wenig spaltenreich gilt und die Steigung meist gutmütig ist. An den ersten Passagen unterhalb des Mera-La will ich dennoch nicht ausrutschen ohne Pickelbremse. Ohne zumindest Verletzungen und Abtransport endet das nicht. Kaum sind die Steigeisen an, geht es auch schon los. Die ersten Meter sind leicht vereist und erfordern erhöhte Aufmerksamkeit. In einem weiten Bogen nähert man sich fortfolgend dem steilsten Stück. Dieses ist gut gespurt aber nicht unsteil. Sicherlich 40°. Langsam kämpfen wir uns diese ca. 30 Höhenmeter hinauf, danach flacht das Gelände etwas ab und wird nur vor dem eigentlichen Mera-La wenige Höhenmeter später nochmal kurz steiler. 

Ich brauche die Pause am Mera-La. Aus dem guten Feeling & der Fokussierung ist schon etwas Erschöpfung geworden. Also noch mehr Snacks & Getränke und auch bitte kurz die Aussicht genießen. Über uns Mera, auf der anderen Seite der Chamlang und auch diese massive Wucht des Makalu - was für ein Berg, 3000 Höhenmeter über uns.. 

Wir sind nun ca. 150 Höhenmeter über dem Basecamp und müssen noch knapp 400 Höhenmeter der 1000 Höhenmeter gehen. Hier trifft mich relativ schnell eine absolute Wand. Ich fühle mich kraftlos und habe Mühe, in der Gruppe Schritt zu halten. Ich quäle mich vorwärts, obwohl der Pfad meist kaum Steigung aufweist. Es sieht noch sehr weit aus bis zu der rettenden Felsinsel an der das High Camp aufgebaut ist. Es ist heiß hier in der Sonne. Die Zeit will nicht vergehen. Die Gruppe zieht sich auseinander, mit mir eher am Ende des Feldes. Aber es hilft nichts - durchbeißen & durchhalten. Ob das nun eine Nachwehe der Grippe(?) aus den Anfangstagen ist, oder fehlende Akkli - man wird es nicht erfahren. Wichtig ist, dass die Höhenmeter schmelzen. Kurze, steilere Passagen kosten weitere Puste. Mittlerweile funktioniere ich nur noch, schreite eher in Trance voran. Keine Spur mehr des Fokus vom Beginn der Etappe. 

Die Felsinsel rückt näher, wir müssen noch um ein paar Spalten herum, dann bin ich heilfroh das wir im High Camp ankommen. Wir haben am Ende ca. fünfeinhalb Stunden gebraucht, eigentlich völlig im Rahmen für die Etappe. Vielleicht kam ich mir also nur vor, wie in Zeitlupe schreitend. Auf jeden Fall muss ich mich nun erstmal sammeln und wieder aus der Trance herauskommen. Daher werfe ich mich erstmal ins für mich zugewiesene Einzel(!!)-Zelt und packe meine Sachen aus, bekomme aber direkt eine heiße Nudelsuppe ans Zelt geliefert. High Camp Deluxe. Das Zelt steht nicht eben, also ist das Essen durchaus eine Herausforderung. Das Einzelzelt habe ich auch zugewiesen bekommen, da eine Hälfte des Zeltes gefühlt in der Luft schwebt und keinen Untergrund aufweist. Ich richte mich lieber auf der anderen Seite häuslich ein. Häuslich einrichten bedeutet hier für mich auf die immerhin vorhandene feste Matratze noch meine Therm-a-Rest aufzulegen. Dafür muss sie aber erstmal aufgepustet werden, eine spannende Aufgabe auf dieser Höhe. Was man sagen kann - die Geschicklichkeit steigt nicht proportional mit der Höhe an.

Ich werfe mich in der dicken Daunenjacke in den Schlafsack und relaxe erst einmal wie alle anderen auch eine Runde. Das einzige Tagesprogramm - neben ein paar Fotos - ist jetzt auch noch, den Rucksack für die folgende Nacht zu packen und das Abendessen einzunehmen. Im dafür vorgesehenen Speisezelt. Der geneigte Leser mag sich nun fragen wie das mit dem fest aufgebauten High Camp funktioniert. Nun, die Zelte und Matratzen gehören den Lodges in Khare und werden auch von dort reserviert. Man braucht sich also um derlei Dinge nicht zu kümmern, wenn man denn einen Platz bekommt. Viel Raum für zusätzliche Zelte gibt es nicht. Die Felsinsel ist relativ schmal, was 2021 einer Britin zum Verhängnis wurde, die zur Toilette gehen wollte. Sie stürzte leider tödlich ab auf dem Weg dahin .. Die Toilettensituation ist ohnehin speziell. Zwar gibt es ein Toilettenhaus. Nur leider funktionieren die Türen nicht mehr, sagen wir frei heraus, wegen gefrorener Ausscheidungen. Weder zu noch auf, sie sind einfach im Weg. Shit happens. 


In den folgenden Stunden bis zum Abendessen leistet mir der E-Book-Reader gute Dienste. Das Teil ist unverwüstlich. Selbst bei kältester Nacht stört dies den Akku nicht. Nach 3 Wochen fahre ich mit 60% Akku nach Hause.. zum Abendessen gibt es dann Dal Bhat. Also das Gericht, dass die Träger jeden Tag verspeisen. Reis + Linsensuppe mit Curry-Gemüse. Sättigend, aber nicht besonders einfach zu essen auf dieser Höhe. Es schlägt ja doch auf den Appetit. Ich fühle mich aber wieder deutlich besser als beim Aufstieg, keine Anzeichen von Kopfschmerzen oder ähnlichem. Das geht beileibe nicht allen so. Viele stochern im Reis herum, keiner isst auf. Dabei ist es eine große Kochshow da oben, in dem Plastik-Planenzelt, was gefühlt an die Felswand getackert wurde. Hier wird mit Gas gekocht, das Geräusch des ausströmenden Gases beinahe ohrenbetäubend. 

Nach dem Essen und einem kurzen Briefing (der Wecker wird 1 Uhr nachts klingeln, immerhin deutlich später als am Chimborazo (22 Uhr!). Es ist jetzt knapp 19 Uhr, wir versuchen alle zu schlafen. Ich prüfe nochmal das Equipment und bin froh, als ich alle Handschuhe beisammen habe. Nun beginnt das Tetris. Die Schuhe kommen unter den Schlafsack, die Trinkflasche, alle Handschuhe und elektronischen Geräte in den Schlafsack. Um jeden Preis soll vermieden werden, dass etwas einfriert. Der Wetterbericht sagt uns -18 Grad voraus, gefühlte Temperatur -25°. Die Nacht wird spannend, wer geht mit, kommen alle an?.. 


KONDITION 4/5
ORIENTIERUNG 2/5
TECHNIK 3/5
EXPONIERTHEIT 3/5

Tourengänger: Kris


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»