Entschliger Haute Route


Publiziert von Bergamotte , 20. April 2022 um 15:20.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:18 April 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Ski Schwierigkeit: ZS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 2175 m
Abstieg: 2175 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:LSB Engstligenalp
Unterkunftmöglichkeiten:Berghotel Engstligenalp
Kartennummer:263S

Ich stand noch nie auf dem Wildstrubel, zweifellos eine Lücke in meinem Alpin-Palmarès. Doch der "billige" Zustieg ab Engstligenalp via Frühstücksplatz mochte mich nie begeistern und ich suchte nach einer spannenden Alternative. Gefunden habe ich sie in der Strubelegga bzw. dem Steghorn. Aber erst die vorgängige Überschreitung des Entschligegrats verlieh der Unternehmung schliesslich die nötige Extravaganz. Vor diesem Hintergrund ging das Interesse am Wildstrubel beinahe verloren.

Weil diese Ostern auf ÖV angewiesen habe ich mir zwecks Frühstart ein Budgetzimmer im Berghotel Engstligenalp gegönnt. Die machen das ganz nett dort, auch wenn es für meinen Geschmack gar betriebsam zu und her geht. Dafür hatte ich morgens die ganze Engstligenalp für mich alleine und durfte alle Phasen der Morgendämmerung erleben - immer wieder ein magisches Erlebnis.


Kurz vor sechs Uhr laufe ich los vom Berghotel. Frühstarter erhalten auf Wunsch ein Proviant-Säckli bereitgestellt. Der Tag ist erst am Dämmern, doch der Vollmond sorgt für beste Lichtverhältnisse. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen, bei meiner Rückkehr sechs Stunden später wird das ganz anders sein... Der Erstaufstieg führt mich über 700Hm an den Südfuss des Tschingellochtighorns. Hierfür würde sich der Ärtelegrat anerbieten. Doch der schmale Kamm ist häufig verwechtet und eher für Schneeschuhläufer prädestiniert. Zudem ist seine Flanke grösstenteils aper. Weiter südöstlich finde ich eine durchgehende Schneedecke und folge ihr bis zur wilden Felsbastion des Tschingellochtighorns. Kurze Portage durch dessen südseitige Geröllflanke und dann wieder mit Ski zum Entschligegrat P. 2659.

Nun folgt das Herzstück der Tour, die alpinistisch angehauchte Überschreitung bis zum Steghorn. Kurzes Abrutschen mit Fellen bis vors Chindbettihorn (2691m), welches ich anschliessend zu Fuss komplett überschreite. Diese Idee war mir erst am Vorabend im Hotelzimmer gekommen - zum Glück! Den teils messerscharfen Grat kannte ich bereits von einer Sommerbegehung (nicht auf Hikr dokumentiert). Doch mit Skischuhen an den Füssen und Skiern am Rucksack fühlte sich das noch luftiger an. Schön, dass ich damit auch die T6-Saison eröffnen durfte. Der Abstieg über den breiten Südausläufer hingegen bietet kaum Schwierigkeiten.

Vom Chindbettipass (2623m) verbleiben 250Hm zum nahen Tierhöri (2894m), welches man zuletzt zu Fuss von Südosten gewinnt. Ich überlege mir, im Anschluss noch ein Stück weiter dem Grat Richtung Steghorn zu folgen. Doch die erstmögliche Querung ab ca. 2840m ist kurzzeitig extrem steil und scheint eingeblasen, eine wenig favorable Kombination... Weiter oben (ca. 2900m) wäre die NW-Flanke zwar harmloser, aber ob der Felsgürtel davor überwindbar ist, mag ich aus der Distanz nicht beurteilen. Also lasse ich das Manöver und kann trotzdem recht effizient Richtung Strubelegga queren (knapp unter 2700m). 100Hm Wiederaufstieg später stehe ich bereits vor dem Couloir, welches zu Fuss begangen wird. Die Seile liegen frei; ohne wäre es zurzeit (ausgeapert) kaum passierbar. Übrigens, Abseilstellen wären vorhanden. Anschliessend in gutem Trittschnee bis zur Lücke der Strubelegga. Es empfängt mich ein giftiger Wind und zum ersten (und letzten) Mal heute muss ich ein paar Minuten frieren. Doch im Schlussaufstieg mit Ski zum Steghorn (3147m) ist der Spuk bereits wieder vorbei. Kurze Znünipause mit dem Käsbrot des Berghotels.

Die erste Abfahrt des Tages führt mich über den Steghorngletscher westwärts. Auf ca. 2680m felle ich wieder an und mache mich an den letzten Aufstieg über den Wildstrubelgletscher. Und der zieht sich. Diese endlosen Gletscherlandschaften sind einfach nicht meins; in den Voralpen, da fühle ich mich wohl. Unterwegs kreuze ich eine Handvoll Gruppen in der Abfahrt zur Lämmeren. Irgendwann stehe ich dann doch auf dem Wildstrubel Mittelgipfel (3242m). Den Hauptgipfel lasse ich, wie die meisten Skitourengänger, aus. Ich wär wohl sonst glatt eingeschlafen. Lieber besuche ich ihn mal als knackigen Trailrun ab Lenk. 

Bis ins "Wildstrubeljoch" (P. 3090) kommen noch ein paar Höhenmeter zusammen, dann wird zum zweiten und letzten Mal abgefellt. Etwas überrascht finde ich im NW-Kessel oberhalb vom Frühstücksplatz noch einen Hauch Pulver vor. Ansonsten war auf der heutigen Runde abfahrtsmässig kein Blumentopf zu gewinnen, dafür vielerorts ideale Aufstiegsverhältnisse (hart, griffig). Die Querung vom Frühstücksplatz zum Strubelgletscher runter absolviere ich mit Ski. Aber ich kann jeden verstehen, der hier zu Fuss geht. Die obersten zehn Meter sind saumässig exponiert und stürzen absolut verboten. Beim Einschlafen geht mir die Passage noch einige Male durch den Kopf... Anschliessend heisst es einfach sausen lassen bis in die Ebene der Engstligenalp, wo mich der Schlepplift ganz bequem zurück zum Berghotel zieht.
 

Zeiten (kum)
1:20  Entschligegrat P. 2659
1:50  Chindbettihorn
2:30  Tierhöri
4:00  Steghorn
5:15  Wildstrubel (Mittelgipfel)
6:00  Engstligenalp

Tourengänger: Bergamotte
Communities: Skitouren


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Kommentare (2)


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miCHi_79 hat gesagt:
Gesendet am 20. April 2022 um 16:38
Wow klasse Tour, gratulierä!

Felix hat gesagt:
Gesendet am 28. April 2022 um 15:10
genau - chapeau


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