Kleines Abenteuer am Neuen Wildenstein


Publiziert von Nik Brückner , 9. Dezember 2021 um 18:06.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:10 Juni 2021
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 1:30
Aufstieg: 200 m
Abstieg: 200 m
Strecke:4km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Durchs Kirnitzschtal zum Parkplatz am Lichtenhainer Wasserfall

Stiegen, Stiegen Stiegen! Ich war ein paar Tage ins Elbsandsteingebirge gekommen, um Stiegen zu gehen, zu viele wie möglich. Stiegen sind Routen, die weder Wanderwege noch Kletterrouten sind. Es handelt sich um teils alte Steiganlagen, mit deren Hilfe auch schwindelfreie und trittsichere Wanderer die teilweise recht großen Höhenunterschiede in den Sandsteinfelsen überwinden können. Der Charakter der Stiegen ist dabei sehr unterschiedlich, und reicht von in den Fels geschlagenen Tritten über steile Treppen und schmale Leitern in engen Klüften bis hin zu klettersteigähnlichen Anlagen mit Metallklammern und Sicherungsseilen. Nach meiner langen Tour in den Affensteinen und in den Schrammsteinen wollte ich noch die Stiegen am Neuen Wildenstein auskundschaften.


Da hatte ich aber Glück gehabt! Der Lichtenhainer Wasserfall wurde durch den Starkregen am 17. Juli 2021 so stark beschädigt, dass er jetzt praktisch nicht mehr existiert. Bis dahin war's ein künstlich spektakulärer gestalteter Wasserfall des Lichtenhainer Dorfbachs kurz vor seiner Mündung in die Kirnitzsch. Klein, aber hübsch isser gewesen.


An diesem Tag hatte ich meinen Stiegenmarathon in den Affensteinen fortgesetzt, unter anderem mit der Häntzschelstiege, der Wolfsfalle, der Zwillingsstiege und der Domstiege. Wie schon am Vortag hatte ich dann am Nachmittag noch ein wenig Zeit und noch mehr Lust, und so fuhr ich vom Beuthenfall ein Stück weiter ins Kirnitzschtal hinein, bis zum...

...Parkplatz am Lichtenhainer Wasserfall (163m, gebührenpflichtig).

Wie gesagt, der Wasserfall wurde im Juli 2021 weitgehend zerstört. Ursprünglich war er 1830 zur Steigerung seines touristischen Werts künstlich etwas erhöht und dadurch spektakulärer gestaltet worden Ähnlich wie der Amselfall. Zwei Jahrzehnte später wurde hier eine Gaststätte errichtet.

In der Folge wurde der Lichtenhainer Wasserfall zu einer der Hauptattraktionen des historischen Fremdenverkehrs in der Sächsischen Schweiz, insbesondere seit der Eröffnung der Kirnitzschtalbahn im Jahr 1898. Nun soll er rekonstruiert werden.


Ich überquerte am Parkplatz die Kirnitzsch und wanderte am Ufer entlang nach Osten. Der Neue Wildenstein ist ein Highlight in der Gegend, daher angeschrieben, und damit nicht zu verfehlen. Man gelangt an den Münzborn, eine Quelle in einem Tobel, dann geht's auf dem Touriweg weiter hinauf. An den ersten Felsen (Glocke und Glöckner) bog ich dann rechts vom Weg ab, stieg zu den Felsen hinauf und zwischen ihnen hindurch. Dann umrundete ich den Neuen Wildenstein südseitig, weil ich zunächst zum Südanstieg wollte. Dort führt eine ebenso einfache wie spektakuläre Stiege (der "Fremdenweg") durch eine Klamm (die Nasse Schlucht) hinauf.

Zahlreiche Holzstufen führen zur Felswand hinauf. Dann führt eine Metalltreppe in eine schmale Kluft hinein (Spuren eines früheren Einstiegs sind weiter rechts noch zu sehen). Nun steigt man auf Betonstufen in der tatsächlich nassen Schlucht steil hinauf. Die Spalte wird daraufhin noch enger, und bald geht es nach rechts in den spektakulärsten Teil des Aufstiegs, eine enge Kluft, in die wohl kaum je Tageslicht eindringt. Stahlroste über dem feuchten Grund helfen hier beim Vorankommen. Man passiert ein großes Strudelloch, dann wendet sich die Stiege nach links, in die "Wildensteiner Felsenhalle" bzw. den "Burggraben". Der ist deutlich breiter, und so steigt man nun nach und nach in den Sonnenschein hinauf. Oder in den einsetzenden Regen, so wie ich. Dann steht man auf einem großen Plateau vor der Bergwirtschaft am Kuhstall (312m).

Der Graben setzte sich früher bis zur Bergwirtschaft fort und war im Mittelalter von einer Zugbrücke überbrückt, wurde aber im Zuge der Bauarbeiten zugeschüttet. Anfangs stand hier am Kuhstall ein hölzerner Tisch mit Bänken. Ab 1807 bot dann ein Lichtenhainer Bürger Speisen und Getränke feil. Seit 1824 gab es hier oben ein Berggasthaus. 1853 wurde das heute noch bestehende Gebäude errichtet, das inzwischen mehrmals umgebaut und erweitert wurde.

Und dann betrat ich das große Highlight des Wildensteins: Den Kuhstall (310m).

Der Kuhstall ist das zweitgrößte Felsentor im Elbsandsteingebirge (nach dem Prebischtor). Der natürliche Sandsteinbogen ist elf Meter hoch und hat eine Breite von siebzehn Metern. Von der Aussichtsterrasse unter dem Torbogen hat man eine tolle Aussicht auf die Kletterfelsen der Hinteren Sächsischen Schweiz.

Etwa zur gleichen Zeit wie der Wasserfall, im frühen 19. Jahrhundert, entwickelte sich der Kuhstall zu einer der Hauptattraktionen der Sächsischen Schweiz. Er war eine wichtige Station entlang des Malerwegs und ist damit auch heute noch ein viel besuchtes Ausflugsziel.

Der etwas profane Name "Kuhstall" hat zwei mögliche Quellen. Zum einen könnten die Bewohner der mittelalterlichen Burg, die hier oben stand, dort geraubtes Vieh untergebracht haben. Zum anderen versteckte die lokale Bevölkerung während des Dreißigjährigen Kriegs hier ihr Vieh vor marodierenden Soldaten.


Das Felsentor ist natürlich fantastisch - aber Highlights gibt es hier oben noch mehr. Das nächste ist die Himmelsleiter. Dazu muss man durch ein Loch links im Kuhstall hindurch, das "Drachenschlucht" oder "Kreuzgang" genannt wird. Dieses führt zu einem Plateau. An dem Fels "Hebamme" mit der kleinen Höhle "Wochenbett" vorbei geht es dann Richtung Himmelsleiter, einer spektakulär in eine Felsspalte gezwängte Stiege.

Die Hebamme ist erst seit vier Jahrzehnten ein fester Begriff in der Kletterfelsengruppe am Kuhstall. Der Grund für die Namengebung ist unbekannt. Vielleicht ist er einfach durch die benachbarte kleine Höhle namens "Wochenbett" inspiriert - hier soll eine Frau ihr Kind auf die Welt gebracht haben, als sich die Einwohner umliegender Dörfer während des Dreißigjährigen Kriegs auf dem Neuen Wildenstein in Sicherheit gebracht hatten.

Dann geht es die spektakuläre Himmelsleiter hinauf.

Der enge Spalt wurde vermutlich schon im Mittelalter als Aufstieg auf den Burgfelsen genutzt. 1786 wurde dieser Anstieg erstmals erwähnt, Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er durch 83 Holzsprossen gangbar gemacht, heute führt eine steile, 1979 errichtete Metalltreppe zum höchsten Punkt des Neuen Wildensteins. Im oberen Teil heißt es Ausschau halten: Sprossenlöcher für Holzsprossen belegen hier, dass diese Kluft schon im Mittelalter als Zugang genutzt wurde.

Am oberen Ende der Treppe betritt man dann das Areal der mittelalterlichen Burg Wildenstein (337m).

Die Burg Wildenstein wurde 1409 von Hinko II. von Dubá aus dem dem böhmischen Adelsgeschlecht der Berka von der Dubá errichtet. Dieser übergab 1410 die Herrschaft durch Erbteilung an seinen zweiten Sohn Heinrich, der daraufhin von der Burg Schwarzberg auf den Wildenstein umzog. Dabei wurde die Herrschaft Wildenstein von Hohnstein abgetrennt. Die kleine Felsenfeste auf dem Alten Wildenstein eignete sich aber nicht als Hauptsitz, weshalb die damals wohl schon bestehende Feste auf dem Neuen Wildenstein ausgebaut und zum Zentrum der Herrschaft erhoben wurde. Zu dieser Herrschaft gehörten die Städte Neustadt und Sebnitz und achtzehn Dörfer.

Durch Fehden, Misswirtschaft, Zersplitterung des Besitzes und dem allgemeinen Niedergang des Ritterstands sank das Geschlecht der Berka in das Raubrittertum ab. Da sich die Ritter auf ihren Raubzügen auch Übergriffe auf benachbarte Gebiets erlaubten, wurden sie schließlich bekämpft. 1425 belagerten das Kurfürstentum Sachsen und der Sechsstädtebund erstmals die Burg Wildenstein, bei einer erneuten Belagerung 1435 wurde die Burg schließlich eingenommen. Doch schon ein Jahr darauf zogen die Berken wieder zu Raubzügen los, sodass die Burg 1439/40 erneut erobert wurde. Die Berken ließen aber nicht locker. Ihre Herrschaft endete erst, als 1451 die Herrschaft Wildenstein an die Wettiner überging.


Auf dem Gipfelplateau sind kaum noch Reste der Ruine zu sehen. Nur noch Balkenlager, Mauerreste, Stufen und Felszeichnungen sind vorhanden. Aber die Aussicht ist noch einmal schön: Im Norden erblickt man in der Ferne die Dörfer Lichtenhain und Mittelndorf, im Osten auf die Lorenzsteine und im Süden und Südwesten die Schrammsteine und Affensteine mit dem Kleinen Winterberg und dem Frienstein.

Im Abstieg nahm ich die Treppe auf der anderen Seite.

Diese Treppe gibt's erst seit 1820. Davor musste man runter, wo man raufgekommen war: Durch die Himmelsleiter. Zwar war hier auch im Mittelalter eine Treppe, die war aber aus Holz, und deshalb lange verschwunden, bevor man die heutige Steintreppe errichtete. Die wurde nötig, um den wachsenden Besucherandrang bewältigen zu können.

Unten geht's gleich weiter mit den Entdeckungen: Gleich links führt ein kurzer Felsenweg unter einem ziemlich niedrigen Überhang um einen Felsklotz, die Krumme Karoline. Danach geht's weiter ins Schneiderloch. Es geht über allerlei große Felsbrocken, dann führt der Weg am Ende eines geländergesicherten Bandes rechts in den Fels hinein.

Das Schneiderloch ist eigentlich eine Abfolge dreier durch Verwitterung im Sandstein entstandener Hohlräume. Ob hier tatsächlich ein Schneider sein Handwerk betrieben hat, als sich die Einwohner umliegender Dörfer während des Dreißigjährigen Kriegs auf dem Neuen Wildenstein in Sicherheit gebracht hatten, darf man vermutlich bezweifeln.

Man klettert kurz eine Felsstufe hinauf, dann ist man in der ersten Höhle angelangt. Hier geht es dann mit Hilfe einiger Klammern gut drei Meter senkrecht hinauf. Oben befindet sich ein Felsenloch, aus dem man noch einmal eine begrenzte, aber dadurch ganz besondere Aussicht hat. Man blickt Richtung Frienstein und Langes Horn.

Wieder zurück, wanderte ich nun weiter nach vorn zur Wildspitze, nahm hier noch ein paar kurze Klammen mit, und kehrte dann zurück zur Bergwirtschaft am Kuhstall (312m). Auf der Kuhstallstraße ging's dann nach Norden, aber nur etwa 150 Meter. Dann wanderte ich nach links über anfangs kaum erkennbare,  verwachsene Stufen im Wald hinunter. 60 oder 70 mögen das sein. Offenbar ein alter Zugang. Weiter unten stieß ich dann wieder auf die Kuhstallstraße, und folgt von hier aus meinem Hinweg zurück zum Lichtenhainer Wasserfall (163m).


Fazit:

Spannendes kleines Töürl an einem sehr interessanten Fels. Ein aufschlussreiches Video gibt's hier.


Ich empfehle als Literatur für das Elbsandsteingebirge:
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1. den "Stiegen-Wanderführer Sächsische Schweiz" von Peter Rölke
2. die Bände "Klettersteigführer. Steige und Stiegen in der Sächsischen Schweiz" von Michael Bellmann
3. und für die ganz Genauen die Stiegenbücher aus dem Stiegenbuchverlag. Insbesondere Stiegenbuch I-III, Bergpfade I-III und Geheimnisvolle Wege I-III.

Die besten Karten, die ich kenne, sind die Wander- und Radwanderkarten 1: 15 000 von Sachsen Kartographie.


Tourengänger: Nik Brückner


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