Überschreitung Zahm und Wild Andrist


Publiziert von Bergamotte , 26. September 2021 um 20:37.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:23 September 2021
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 2050 m
Abstieg: 2050 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Griesalp, Kurhaus
Kartennummer:1248 Mürren

Bei verschiedenen Touren diesen Sommer konnte ich Zahm und Wild Andrist von allen Seiten begutachten. Obschon unmittelbar benachbart werden die beiden Gipfel kaum kombiniert. Dabei drängt sich spätestens beim Blick auf die Landeskarte eine Überschreitung von West nach Ost auf. Nur, die beiden Westgrate weisen gemäss Führer Schwierigkeiten bis in den 3. Klettergrad auf. Entsprechende Berichte auf den einschlägigen Portalen konnte ich keine finden. Früher hätte mich so was von einer Begehung abgehalten, mittlerweile macht das den Reiz erst aus...

Um 8:45 geht's los bei der Griesalp (1408m) mit dem Zustieg Richtung Kamm. Etwas Höhe verlierend quere ich über die Alpstrasse westwärts bis P. 1404. Der Wanderweg über Ryschere, welcher den schnellsten Zugang vermittelt, wurde 2019 aufgrund von Unterhaltsproblemen aufgegeben. Er kann aber weiterhin ohne grössere Probleme begangen werden. Im oberen, steilen Teil weist die Spur beste Wanderwegqualität auf, unten im Weidegelände muss man teilweise etwas suchen. Dabei erweisen sich die blaue Strichen, mit welchen die alten Markierungen übermalt wurden, als äusserst hilfreich. Oben am Grat angekommen folge ich ihm - auf der Südseite des Zauns verbleibend - auf passabler Wegspur bis zum Golderehore (1940m). Den vorgelagerten NW-Gipfel - eigentlich der Hauptgipfel - schenke ich mir.

Die lange Gratwanderung, welche erst in der Sefinafurgga ihren Abschluss findet, darf nun beginnen. Der Übergang zum Aabeberg (1964m) und ins Pässchen P. 1884, welches Spiggengrund und Kiental verbindet, ist schnell geschafft. Ein erstes Pièce de Résistance erwartet mich kurz danach, der Felskopf Chanzel (1911m). Weil im Clubführer erwähnt, aber auf Hikr undokumentiert, gönne ich mir die Einlage. Hierfür auf schwacher Wildspur weiter dem Kamm entlang bis vor das Felsriff. Der Führer empfiehlt nun dessen Umgehung, müsste beidseitig möglich sein, um zuletzt von Osten über einen Felskamin (II+) anregend hochzusteigen. Kurze, aber schöne Führe (mein Abstieg). Wen's interessiert: Die NW-Kante lässt sich bei Bedarf auch direkt bezwingen, heikel (T6+). Direkt nach dem Riff treffe ich wieder auf eine gute Spur, welche mich zur Alp Uf der Schöni (1993m) bringt, wo eine Herde Lamas grast. Ihr Fleisch ist beispielsweise im Berggasthaus Golderli erhältlich, passend zu Rösti.

Der West- oder Schönigrat am Zahm Andrist rückt nun näher. Der Aufschwung zum Nollen wird gemäss Führer rechts herum erstiegen. Das ist Blödsinn: Man kann durchgehend und anregend weiter dem Kamm folgen. Mehr als Kraxelei wird hierfür nicht benötigt, es hängen gar gute Drahtseile drin, vermutlich vom Älpler. Den Nollen selbst lässt man rechts liegen und steigt über schiffrige Unterlage etwas mühselig zum Einstieg. Der Grat bietet schöne Kraxelkletterei (max. II). Der Fels ist brüchig, aber griffig, die Ausgesetztheit bleibt moderat. Der Gipfelaufschwung selber geht von der Senkrechten zuletzt ins Überhängende über und wird deshalb links umgangen. Wobei, ich weiss es offenbar besser... die Querung über verschneite und vereiste Schrofen wirkt so abweisend, dass ich nicht widerstehen kann und stattdessen direkt eine markante Verschneidung hochklettere (bis III-), zuletzt äusserst ausgesetzt nach links querend. Es kommt, wie es kommen musste: dem ersten Hindernis folgt ein zweites, nun überhängendes. Heikle Abkletterei (bzw. Abseilerei, 30m Reepschnur hätte ich dabei) bleibt mir dank einer Steilrinne erspart, welche mich zurück in die steile Schrofenflanke bringt. Eigentlich müsste die Querung dem geübten T6-Gänger kein Kopfzerbrechen bereiten. Aber Schneereste und vor allem Eis des jüngsten Niederschlags erfordern heute erhöhte Vorsicht. Bei der allerersten Gelegenheit steige ich zurück Richtung NE-Grat und lande direkt auf dem Zahm Andrist (2681m). Die III des Führer für diese Passage scheint mir übertrieben, eher T6/II+.

Vorgesehen war der Abstecher nicht, aber weil das nahe Hartlishore (2564m) so überaus keck in die Höhe ragt, konnte ich nicht widerstehen. Also kurz runter über den NE-Grat und im Anschluss, etwas tieferhaltend, in den Sattel zwischen den Andristen. Auch am grossen Bruder erweist sich der Gipfelaufschwung als anspruchsvoll, aber dieses Mal machbar. Schöne, griffige, etwas plattige Kletterei bis in den III. Grad. Eine Stelle umgehe ich links durch die NW-Flanke - dumme Idee, weil wiederum mit Schnee und Eis durchsetzt. Vorsichtig zurück auf den Grat und einen letzten, ausgesetzten Aufschwung erkletternd zum Wild Andrist (2849m).

Die Hauptschwierigkeiten sind nun geschafft. Genau wie mein Proviant, da habe ich offensichtlich zu knapp kalkuliert. Gutmütige Abkletterei vom Gipfelaufschwung nach Norden (T5) ins Telli (2709m), wo ich den wbw-Wanderweg kreuze. Hier im flacheren Gelände sowie in der NW-Flanke des Hundshore (2929m) im Anschluss konnte sich der Schnee halten, was den an und für sich kurzen Gegenanstieg anstrengend macht. Wenige Minuten später stehe ich auf der Hundsflue (2860m), wo die Gruppe Gemsen wartet, die ich zuvor vertrieben habe. Der Südgrat runter in die Sefinafurgga lässt sich grösstenteils begehen, wobei zwei Türme / Aufschwünge umgangen werden müssen. Im Abstieg ist das Gelände beim oberen Turm recht unübersichtlich. So stehe ich plötzlich - einer vermeintlichen Spur gefolgt - vor dem senkrechten Abbruch. Das dürften um die fünfzig Meter sein. Also zurück über den Grat und eine trichterförmige, steinschlägige Felsrinne nach Westen runter (T5+). Unten an geeigneter Stelle Querung zurück Richtung Grat. Die Umgehung des unteren, kleineren Turmes ist vor Ort offensichtlich. Anschliessend im gehobenen Gehgelände, bloss durch wenige Kraxeleinlagen unterbrochen, in die Sefinafurgga (2612m) runter und zurück ins Wanderwegnetz. 

Was nun folgt, ist weniger aufregend: über sechs Kilometer Rückweg zur Griesalp, auf eintönigen Wegen und Alpstrassen. Bereits vor Monatsfrist wurde mir das Vergnügen im Rahmen der Gspaltenhorn-Begehung zuteil... Etwas unterzuckert lege ich unmittelbar vor dem Ziel im Golderli einen kleinen Notstopp ein und derart gestärkt ist die Laune auf der Griesalp (1408m) wieder hergestellt.


Zeiten (kum)
1:05  Golderehore
1:35  Felsturm P. 1912
3:15  Zahm Andrist
3:30  Hartlishore
4:15  Wild Andrist
4:50  Hundshore
6:35  Griesalp

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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Kommentare (2)


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3614adrian hat gesagt:
Gesendet am 26. September 2021 um 21:19
Cool! Scheint mehr wild als zahm gewesen zu sein!
Gruss
Adrian

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. September 2021 um 10:13
Tatsächlich wollte ich den Bericht zuerst mit „Wilder Zahm Andrist“ betiteln ;-)


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