Der unerreichbare Cardinello ...


Publiziert von dyanarka , 14. September 2009 um 11:26.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Misox
Tour Datum:13 September 2009
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Portola-San Jorio   CH-GR   I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:Mit Bike ab Roveredo düstere Waldstrasse, die sich ab Abzweig Roggiasca lichtet und schöne Aussichten bietet. Fussweg zum Pass sehr gut gekennzeichnet und traumhaft schön.
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Autobahn A13 Bellinzona-Chur, Abfahrt Roveredo, Zentrum Roveredo u. dort Wegweisung "Laura" folgen. Bergstrasse am Südende des Dorfes: Eng, gefährlich, teilweise uneinsichtige Kurven, geteert aber sehr holprig, manchmal grosse Steine auf der Strasse.Möglichst langsam fahren! Viele Biker dort unterwegs.Einheimische rasen dort halsbrecherisch rauf und runter. Nach der dritten Linkskehre Abzweigung "Roggiasca" (Punkt 977m) nehmen. Oder Auto dort stehen lassen und mit Bike weiter (empfehlenswert).
Unterkunftmöglichkeiten:Roveredo

Die Region um Roveredo/Monte Laura/Passo San Jorio ist ein absolutes Lieblingsgebiet von mir. Auf meiner letzten Tour vor zwei  Monaten über den Corno di Gesero, Cima de Cugn auf den Marmontana, sass ich dort in der Sonne, schaute nach Osten und erblickte schon wieder, wie so manches mal, diesen kecken auffälligen Gipfel mit dem Namen Cardinello. Schon beim beim ersten Erblicken vor etwa drei Jahren dachte ich: "Wow, da würd ich gern mal rauf!". Aber die abgelegene Position dieses Berges kam mir als unüberwindbares Hindernis für eine Ein-Tages-Tour vor. Dennoch, auch an diesem Tag auf dem Marmontana zog mich dieser Berg wie magisch an.
Tatsächlich träumte ich in einer der Nächte nach dieser Tour, wie ich unterhalb des Gipfels auf einer Südroute verzweifelt einen Weg nach oben suchte, während sich oben immer mehr Wolken zusammenbrauten und es eiskalt wurde. Verängstigt wich ich zurück und wachte verwirrt auf.
Nach diesem Traum wuchs in mir der Wunsch zu einer Gipfeltour natürlich umso mehr. Worauf ich vor einigen Tagen tatsächlich schon wieder von diesem Berg träumte. Und auch diesmal war er in Wolken verhüllt und unerreichbar. Hatte ich plötzlich eine "magische" Beziehung zu diesem Berg? War dies soetwas wie der "Ruf des Berges" ?
Auf jeden Fall studierte ich die Karten, suchte mir die beste Route für eine mögliche Tagestour aus und startete gestern am letzten sonnigen Tag vor dem angekündigten langen Wetterabsturz im Tessin, um kurz vor 7 mit dem Auto und war um 9 Uhr 15 h an der Abzweigung "Roggiasca" oberhalb von Roveredo. Ein kleines Stück fuhr ich mit dem Wagen noch taleinwärts, liess es aber schon bald stehen, packte Bike und Rucksack aus und kurvte durch den feuchtkalten Morgenwald runter zum Stausee am Ende des Tales (Punkt  956). Von dort um 9.45 h zu Fuss hoch zur sonnigen "Wieseninsel" Monte di Lanés (1270m) und weiter durch einen wunderschönen Buchenwald-Weg hinauf zur Alpe di Aiàn (1537m). Oben im Passgebiet türmten sich gewaltige Wolken von der Südseite kommend, gegen die Felswand des Punta di Valstorna. Und auch das östliche Gebiet des Cima dello Stagn zeugte von einem drohenden Wetterumschwung. Im Eiltempo und mit Riesensätze nahm ich die letzen 400 Höhenmeter hinauf zum Pass Bocchetta di Camedo (1937m). Es war jetzt 11.30h. Über dem Lago di Como und den angrenzenden Bergen lagen schon dichte Wolkenbänke. Im ersten Moment dachte ich "Kehr um, das wird heut nichts, zu unsicher, zu gefährlich, es ist auch hier schön, geniess es, bleib und trödel dann zurück."
Doch Neugier und Forscherdrang spülten genügend Milliliter Adrenalin ins Blut um zumindest eine ausgiebige Wegesuche in diesem Gebiet vorzunehmen. Also hinunter zur Ruine der Alpe Malpensata und dann östlich direkt dem Fuss des Cardinello entgegen. Alles war genau wie im Traum schon erlebt (!): ich lief auf der Südseite entlang und oben türmten sich immer mehr Wolken. Und der Angstlevel stieg merklich...
Bei den Ruinen der Alpe Paina (1985m) entdeckte ich zwei Wegmarkierungen, wählte die hochführende und dann ging es zunehmend steil bergauf über die Alta Via del Lario zu einer weiteren Weggabelung. Dort führten gut sichtbare Markierungen querfeldein fast senkrecht hinauf zum Cardinello über eine Südwestroute mit echt alpinem Charakter (siehe Karte bei den Fotos). Währenddessen schossen immer mehr Wolkenfetzten aus allen Richtungen heran. Kein Zweifel mehr: Wetterumschlag! Innert Minuten war plötzlich der ganze Gipfelkamm vom Cardinello bis rüber zum Marmontana wolkenverhüllt. Noch war die Bewegungstendenz der Einwölkungen aufwärts. Der nun höchste Sonnenstand um 12.30h liess noch einen kleinen Spielraum für Entscheidungen. Ich befand mich jetzt schon hoch oben in der Südwestwand des Cardinello in einem fast senkrechten Durchgang hinauf zum Südgrat bei 2300m. Auf einmal schossen gewaltige Wolken förmlich um die Ecke, die sich abgelöst hatten vom benachbarten Monte Duria und dem Val del Dosso, deren Region schon vor einer halben Stunde aussah, als wäre sie in Sturm und Regen versunken.
Meine inneren Alarmglocken läuteten. Wie ein Gummseil zog mich mein Instinkt auf schnellsten Wege abwärts, raus aus den Wolken. Innert Minuten war ich wieder auf der Via del Lario und schon bald zurück bei den Ruinen der Alpe Malpensata. Unterwegs drehte ich mich noch ein paar mal um: Genau wie im Traum - der Gipfel in kalte Wolken verhüllt. Unerreichbar...
Auf dem Ostgrat des Camedo-Passes suchte ich mir noch ein schönes Plätzchen für eine längere Pause, genoss diese herrlich wilde Stimmung des Wetterwechsels, fotografierte und sinnierte über diesen seltsamen Tag, der mir vorkam wie ein Deja Vu, mir vorkam, als hätte alles genau so sein müssen, als  wäre ich nur hier gewesen um einen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen...


Tourengänger: dyanarka


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Kommentare (1)


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Seeger hat gesagt: Der Traum des Cardinello
Gesendet am 14. September 2009 um 14:55
Ciao dyanarka
Habs geahnt: Du bist einer der ganz grossen Neuen im Hikr. Vorerst ein Geheimtip :-)
Dein Schreibstil und die Gedankengänge sind packend. Sie sind auch für den Leser ein Déja Vu.
Saluti
Andreas


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