Einsame Berge zwischen Calveisen- und Weisstannental


Publiziert von rhenus , 10. September 2021 um 22:45.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 3 September 2021
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m

Diese tolle Tour führte mich wieder mal zu den einsamen Grenzbergen zwischen dem Calveisental, welches durch die Tamina entwässert wird und dem Weisstannental, durch das die Seez führt. Highlight der Wanderung war die Begegnung mit 7 handzahmen Steinböcken auf dem Weg zum Hangsackgrat, denen ich mich bis auf ca. 10m näherte und die seelenruhig weiter ästen.

Ausgangspunkt war das einstige Walserdörfchen St. Martin zuhinterst am Gigerwaldsee. Im August 2021 ging wieder mal ein Murgang den berüchtigten Tellerbach zwischen dem Chilchlichopf und dem Walserdörfli runter. Er verschüttete mehrere parkierte Autos und beschädigte die Zufahrtsstrasse; die Autobesitzer kamen neben gehörigen Blechschäden mit dem Schrecken und die Wirtsleute mit einem Wasserschaden davon. Mit dem Bike fuhr ich anschliessend die Kiesstrasse hoch zur Malanseralp, die auch dieses Jahr wieder von deutschen Älplern geführt wird. Beim Brunnen im Altsäss Pt. 1988 verschloss ich mein Velo und wechselte mein Tenue. Auf dem Wanderweg stieg ich unter dem Seezberg hinauf zum Heidelpass und dann auf gut sichtbaren Wegspuren in wenigen Minuten zum Heidelspitz (T3). Hier sehr schöne Aussicht zum eindrücklichen Ringelgebirge, der auf der Nordseite bis auf eine Höhe von ca. 2700m vom ersten Schnee angezuckert war.

Nun folgte der sehr schöne Gratweg westwärts hinauf zum Pt. 2580. Auf dem Gratweg zum Hangsackgrat kam mir der einzige Berggänger der Tour entgegen, R.Pf. aus Plons/Mels, der über das Guetental aufgestiegen war. Zusammen beobachteten wir 7 handzahme Steinböcke, denen ich mich auf dem Rückweg bis auf ca. 10m näherte. Auf deutlichen Wegspuren - mal etwas links oder rechts des Grats wandernd - erreichte ich die schöne Pyramide des Hangsackgrats (T4, Gipfelbuch).

Am Hangsackgrat machte ich rechtsumkehrt und wanderte zurück zu Pt. 2580m. Auf diesem Abschnitt nun das Highlight der Tour mit den 7 fast stoischen Steinböcken, die in der Zwischenzeit fast bis zur Grat aufgestiegen waren. Ich liess das offensichtlich gut genährte Steinwild in Ruhe und stieg über den Nordostgrat direkt hinauf zum Plattenspitz. Auf halbem Wege kam mir erneut R.Pf. entgegen, der vor mir auch den Plattenspitz bestieg, und wir hielten einen zweiten Schwatz. Den Gipfelkopf des Plattenspitzes erreicht man am besten auf Wegspuren etwas östlich (links) der Gratkante, dazu sind einige wenige Kletterzüge notwendig (T4+, II). Der Plattenspitz besitzt seit 2017 ein Gipfelkreuz, gefertigt vom langjährigen Vilterser Kirchenpräsident  TL (Thuli Leo). Der Plattenspitz ist der höchste Punkt der Alp Platta, welche sich im Besitz der Ortsgemeinde Vilters befindet. Der markante Spitz ist im Ost-West-Grat gut auszumachen.

Vom Plattenspitz stieg ich über einen groben Schutthang mit Wegspuren in ca. 15 Min. hinunter zur Ritschlifurggla. Das ging im Abstieg sehr gut, im Aufstieg dürfte dies deutlich mühsamer sein und nicht empfehlenswert (T4). Das nächste Ziel war der Heubützler mit seinem tischähnlichen Gipfelplateau. Von der Ritschlifurggla stieg ich auf der Ostflanke bis zur Scharte zwischen den beiden nördlichsten dunklen Köpfen. Der Clubführer taxiert diesen Aufstieg zwar als mühsam, doch auch hier waren recht gute Weg- und Trittspuren in den Feinschutt- und Rasenhängen vorhanden. So erreichte ich recht mühelos den Nordgrat des Heubützlers auf ca. 2550m, umging den folgenden Felskopf westlich (links) und erreichte dann den leichten Grat zum Gipfelplateau mit den insgesamt 3 Steinmannli (T4+, kein Gipfelbuch).

Der Abstieg vom Heubützler führte mich auf dem durchwegs bekannten, trockenen Aufstiegsweg zurück zur Ritschlifurggla. Von hier nahm ich den gut sichtbaren, ehemals rot markierten Pfad hinunter zum Plattenseeli mit stimmungsvollen Ausblicken gegen das Ringel- und Sardonagebirge. Auf dem Wanderweg über den Horni wieder zurück zum Seelein beim Heidelpass und dann über die Gelenböden zurück zum Altsäss der Malanser Alp, wo der Alpsommer für die weidenden Kühe bald vorbei sein dürfte. Mit dem Velo zurück nach St. Martin. Dort traf ich noch den Vilterser Bauunternehmer Reto Vils, der das durch eine Lawine erneut zerstörte Alpgebäude auf Brennboden der Ortsgemeinde Vilters wieder aufbaut!

Historisches und erste Besteigungen
Am 3. August 1889 machten der Mathematiker Walter Gröbli (1852 - 1903) zusammen mit David Kohler aus Valens eine ganz ähnliche Tour. Sie stiegen vom Obersäss der Plattenalp 1902m, wo sie übernachtet hatten, zum Plattenseeli und weiter zum Heubützlipass. Dann bestiegen sie als Erstes den Fahnenstock 2611m, wo vermutlich frühere Vermesser unter Johannes Eschmann (Eschmannkarte von 1850) bereits in den 1840-er Jahren ein stattliches Steinmannli hinterlassen hatten. Zurück im Heubützlipass überschritten sie den Plattenfirst 2538m und gingen dann zum Heubützler 2612m. Hier fanden sie eine ganze Reihe von Schiefertafeln mit vielen eingeritzten Namen und Initialen der früheren Besteiger. "Die älteste Jahrzahl, die ich bei allerdings nur oberflächlichem Durchmustern der Tafeln finden konnte, war 1831. Die Besucher sind wohl ausnahmslos Bewohner der umliegenden Alpen gewesen, die doch auch gelegentlich das Bedürfniss fühlen, auf freier Höhe im Genusse der schönen Welt ein paar Stunden zu verbringen", wie Gröbli schreibt. Dann stiegen sie über die Ritschlifurggla zum Plattenspitz 2579m und weiter zum Hangsackgrat 2634m. Auch am Hangsackgrat fanden sie Spuren früherer Besteigungen. "Zwei Platten tragen eine Reihe von Namen und Jahrzahlen; das älteste Datum, das ich finden kann, ist 1844." Über den Grat gelangten sie dann zum Heidelspitz 2427m, von wo sie über St. Martin nach Vättis hinunter wanderten. (Zitierte Quelle: Walter Gröbli, Neue Wanderungen im Clubgebiet, Jahrbuch des SAC 1889 - 1890, 25. Jahrgang, S. 3 - 42). 

Die Angaben im Clubführer "Tamina und Plessurgebirge", Ausgabe 1988, zu den Erstbesteigern von Heubützler und Hangsackgrat sind daher nicht korrekt. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche erste Besteigungen von Jägern und Älplern und später auch von den Vermessern im Rahmen der Triangulationen vorgenommen wurden, lange bevor die ersten dokumentierten Berichte zu sog. "Erstbesteigungen" auftauchten.   






Tourengänger: rhenus


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