Grosse Rundtour Weisstannen Süd (Pizol-Sazmartin-Hangsackgrat)


Publiziert von Delta Pro , 23. August 2013 um 17:31. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:22 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 11:45
Aufstieg: 3300 m

Eine Grattour der Superlative – 3300 Höhenmeter, fast 15 Kilometer wilde Grate, selten bestiegene Gipfel (10 Hikr-Erstbeschreibungen): Traumtag im Weisstannental
 
Es gibt wohl nur wenige Regionen in der Schweiz, welche durch Hikr-Berichte so spärlich abgedeckt sind wie das Weisstannental. Eine logische, wenn auch sehr lange Gratlinie war mir schon vor einiger Zeit ins Auge gestochen: Die Überschreitung vom Pizol ausgehend, übers Sazmartinshorn um den gesamten südlichen Teil des Weisstannentales bis zum Hangsackgrat. Zu den Graten sind keine bis nur sehr spärliche Beschreibungen zu finden. Der schon ziemlich veraltete (1988) Manfred Hunziker-Führer gibt fast allen Abschnitten ein WS, was gemäss meinen Erfahrungen mit diesem Werk alles zwischen T3 und Kletterstellen bis IV sein kann.
Bei der Tourenplanung mit meinem sportlichen Kollegen 3614adrian wurde uns bewusst, dass ein Start bei der Pizolhütte zwar rund 1400 Aufstiegshöhenmeter einspart, wir jedoch erst ziemlich spät auf den Pizol und damit zum eigentlichen Einstieg kommen. So einigten wir uns kurzentschlossen auf die – zugegeben – etwas gewagte Variante, die Tour von Weisstannen her anzugehen. So erlangt unsere Route, ungewollt, den Status einer Monstertour.
Insgesamt schätze ich die Rundtour als eine der schönsten und spannendsten Alpin-Wanderungen ein, die ich je gemacht habe. Tatsächlich sind die Grate nirgends übermässig schwierig. Der geübte T6-Wanderer kann jeden Abschnitt ohne Seilsicherung (welche in diesem Fels schlicht unsinnig wäre) begehen. Wird es zu steil, hat man die Route verloren. Felsige Abschnitte mit unzähligen, wild zerklüfteten Türmen wechseln sich mit wunderschönen, scharfen Gras- und Schiefergraten ab. Insgesamt wanderten wir für fast 15 Kilometer auf Gratschneiden rund ums Weistannental – was uns konditionell doch recht herausforderte. Der Fels ist häufig instabil, jedoch unter dem Strich nicht so schlecht wie befürchtet. Bei vorsichtigem Gehen bereitet die Gesteinsqualität kaum Schwierigkeiten.

 
Pizol von Weisstannen über den Stafinellagrat (T4)
Um 4.40 Uhr starten wir in Weisstannen und nehmen den nicht markierten, sehr steilen Weg zum Gafarrabüel (T3-T4). Die Wegspuren sind etwas verwachsen, aber deutlich. Wir haben gutes Aufstiegstempo – nach nur 50 Minuten sind die 750 Höhenmeter zur Alp auf dem Konto. Weiter geht es über den sehr schönen, langen Graskamm gegen den Stafinellagrat. Dabei überschreitet man die unbedeutenden Grasbuckel des Chüegröüdli und des Heugrout, jeweils auf Pfadspuren. Auf dem Jägerichopf (Gipfelkreuz), welchen man mit kurzer Kraxelei erreicht, machen wir eine erste Pause und bewundern den erwachenden Tag, der die langen Grate, welche uns noch bevorstehen, ins Licht taucht. Der Stafinellagrat ist ein spannender Gipfel: Der Nordgrat ist von einer beträchtlichen Anzahl hoher Felstürme aus gutem Fels besetzt. Wir starten zwei Versuche dem Grat zu folgen, kapitulieren schliesslich und steigen unter den Felsen in der Westflanke zum Gipfel. Abstieg über den kurzen Ostgrat (T4) und weiter auf Pfadspuren auf dem Grat gegen die Hochwart. Querung auf Höhe des Lavtinasattels. Der sonnendurchflutete Kessel des Pizolgletschers ist um halb acht Uhr morgens noch komplett ruhig und menschenleer. Mit den Steigeisen geht es zügig den schon arg ausgeaperten Gletscher hinauf – so nebenbei mache ich noch ein paar Messungen: Ein "Arbeitstag" eben. Über den Grat (II) auf den Pizolgipfel, wo wir uns nach 3.5h von Weisstannen die Hände schütteln. Bei meiner insgesamt 15. Besteigung des Pizols das erste Mal ohne Bahnunterstützung - ein schönes Erlebnis. Wir haben jetzt schon gut 2000 Höhenmeter in den Beinen. Und das noch bevor wir überhaupt den Einstieg zu unserer Route erreicht haben…
 
Pizol – Sazmartinshorn (T6, WS, II)
Auf dem Wanderweg aufs grosse Geröllplateau und zu Pt. 2718, wo der wilde Piltschinachamm ansetzt. In einem endlosen Auf und Ab windet sich der Grat zum Sazmartinshorn – von hier aus schaut er kaum begehbar aus. Ein Hikr-Kommentar (ohne Bericht) von ma90in94 belegt aber, dass der Grat schon begangen wurde. Eine detaillierte Beschreibung der Route erübrigt sich für weite Strecken. Man folgt alles so genau wie möglich der Gratschneide. Dort ist der Fels am besten. Auf- und Abstiege von den Türmen sind teils steil, jedoch meist gut gestuft und machbar. Insgesamt – ein Hochgenuss! Trittsicherheit und Vertrautheit mit Bröckelgestein sind aber schon Voraussetzung. So überschreitet man den (Doppel-)Gipfel des Piltschinachammes (Pt 2714), sowie den „Sattelchopf“. Vom Piltschinasattel schwingt der Grat steil auf gegen das Sazmartinshorn. Hier ist es wichtig zu einigen Umgehungen, besser in der Westflanke, bereit zu sein. Dies besonders an einem Turm mit steilem, kompaktem Fels. Gut daran zu erkennen, dass die Kletterschwierigkeiten plötzlich über II liegen… Nach diesem kleinen Verhauer queren wir auf recht abschüssigen, schuttigen Bändern leicht absteigend in die W-Flanke und gelangen dann durch eine Rinne zum Grat zurück. Der nächste Abschwung hat Wandcharakter, bereitet aber keine grösseren Probleme. Nach einer Verflachung ist der Gipfelgrat sichtbar, welcher reichlich abweisend ausschaut. Trotzdem lässt er sich immer etwa 5m rechts der Gratkante gut erklimmen (II).
 
Sazmartinshorn – Heitelpass (T6)
Vom Sazmartinshorn über den schönen, schiefrigen W-Grat in die tiefste Einsattelung vor dem Egghorn (T5). Einen Turm überklettert man, die Gruppe vor dem letzten Aufschwung wird südseitig umgangen. In einer Rinne in die Scharte und über ein Band (Gamsweg) auf den SE-Grat hinaus und einfach auf den Gipfel (T5). Vom Egghorn bis kurz vor dem Zinerspitz findet man Wandergelände vor – schöne Grasgrate mit wenigen Felspassagen (T4). Dann geht’s aber richtig zur Sache. Die weiss leuchtenden Schiefer des Zinerspitzes bilden eine messerscharfe Gratkante. Der Führer rät zu einer (umständlichen) Umgehung links. Wir halten uns aber an den Grat. Dieser ist sehr exponiert (T6). Die Schieferplatten sind nur durch Schlamm zusammengepappt. Bei Nässe ist die Stelle zu meiden! Mit einer Kombination von Reitertechnik und aufrechtem Gang versuchen wir das fragile Gratgebilde so wenig wie möglich zu belasten, klettern über ein paar Schiefer-Spitzchen und erreichen schliesslich den letzten Aufschwung, welcher sich einfacher ersteigen lässt. Steinmann, aber kein Gipfelbuch. Abstieg über den ebenfalls recht exponierten W-Grat. Eine erste Steilstufe umgeht man auf Schiefer-Bändern in der Nordwand und folgt nachher immer wieder mit Klettereinlagen dem Grat (T6-). Dieser wird bald wieder grasig und man überschreitet gemütlich den Heitelgrat. Im Abstieg zum Heitelpass gibt es die eine oder andere Steilstufe mit leichter Kletterei (T5). Die oberste passiert man auf einem Gamsweg, welcher ca. 20m die Südflanke hinab ansetzt.
 
Heitelpass – Hangsackhorn – Laritschchopf (T5)
Nun ist Stehvermögen gefragt. Nach einer Rast beim einzigen Wanderwegweiser, welchen wir heute sehen wandern wir schon etwas angezählt über den Heitelspitz (T3) und über den sich in die Länge ziehenden Grat weiter. Dieser weist einen horizontalen, etwas exponierten Abschnitt auf und steigt schliesslich felsig zum Südgrat des Hangsackhorns auf (T5). Dann einfach zum Gipfel. Weiter geht es auf der von marmotta beschriebenen Route gegen den Laritschchopf. Ein paar steilere Stellen (T5). Es sind aber Wegspuren und bei einer Scharte sogar ein Fixseil (in schlechtem Zustand) vorhanden. Einfach über den Grasgrat zum letzten Gipfel unserer Tour. Wir folgen nun alles dem langen Nordgrat zum Tschoggen. Dieser ist bis auf eine kurze felsige Stelle auf 2450 m.ü.M. einfach begehbar. Beim Tschoggen geht man leicht zu weit, um in steilem Gelände zu enden. Wir queren rechtzeitig auf einer Wegspur in die Grashänge nach rechts zum Rossgalgen (was für eine Ortsbezeichnung!) und gelangen so gut nach Vordersäss, wo es zu unserer Freude einen Brunnen gibt. Für den Abstieg nach Weisstannen wählen wir den alten Weg (nicht ausgeschildert) über Fad und Waldeggli. Dieser ist inoffiziell hellblau und rosa markiert und ist spätestens beim Queren des Hohbachs auffindbar. Der Weg führt abwechslungsreich und steil durch den Wald zum Eggli (T3-T4). Dann auf Fahrsträsschen nach Weisstannen.
 
 
Durchgangszeiten:
Weisstannen: 4.40
Pizol: 8.10
Sazmartinshorn: 10.15
Heitelpass: 12.40
Weisstannen: 16.25

3614adrian Diesem gelungenen Bericht und den tollen Fotos kann ich - ausser einigen Fotos - nichts mehr beifügen. Auch wenn die Tour nicht ganz meiner primär geplanten Halbtagestour entsprach, bereue ich es keineswegs mitgekommen zu sein. Somit bedanke ich mich hier auch einmal bei meiner Frau, welche zu Hause Stellung hielt und mir immer wieder ermöglicht weiterhin meiner Leidenschaft nachzugehen. Da dies erst meine 4. Tour in diesem Jahr war, wurde auch meine Ausdauer geprüft. Danke Delta dass du meinetwegen auf die letzten beiden Gipfel (Hüenerspitz und Marchstein) verzichtet hast. Die Motivation im Vordersäss einen Brunnen anzutreffen war einfach grösser als weitere T6-Stellen mit müden, schwabligen Beinen zu begehen.

Tourengänger: Delta, 3614adrian
Communities: Monstertouren


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Kommentare (4)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 23. August 2013 um 20:42
Sehr schön, eine prächtige Runde in einer prächtigen Gegend!

Vor ein paar Wochen hat uns beim Autostop ab Vorsiez ein Local aus Mels mitgenommen, der für diesen Sommer den Plan hatte, mit einem Kollegen das ganze Weisstannental auf dem Grat zu umrunden - mit Biwak, denke ich, und wohl mit der Schiben als Knacknuss.

LG, zaza


Delta Pro hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. August 2013 um 11:26
Das wäre eine Rundwanderung!! Der grosse Bruder von anderen, bekannteren Grat-Rundtouren wie dem Wägital.
Gemäss Führer sind die Schwierigkeiten selbst an den Schiben hinten nicht höher (obwohl vielleicht etwas heikler, da brüchig) als auf den Abschnitten, die wir gemacht haben.
Ich bin sicher nicht das letzte Mal im Weisstannental gewesen!
Gruss

Tobi hat gesagt: Gratuliere euch beiden...
Gesendet am 24. August 2013 um 17:35
...zu dieser genialen Runde! Auch die Fotos sind absolut gelungen. Da werde ich ja direkt "gluschtig"...

Wünsche weiterhin tolle Erlebnisse in den Bergen,

Gruss Tobi

Lu3418 hat gesagt: Herzliche Gratulation
Gesendet am 25. August 2013 um 11:27
zu Eurer gewaltigen Monstertour in einem unglaublich schönen Gebiet unserer nahen Voralpen und doch habe ich den grösseren Teil der Namen der Gipfel zum ersten Mal gelesen!
Der Bericht ist gut und spannend geschrieben, Eure Fotos wie immer super. Danke.
Lg Lu


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