Trekking Onsernone - Vergeletto


Publiziert von Günter Joos (gringo) , 15. Juli 2021 um 19:51.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum: 6 Juni 2021
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo Cramalina   I   Gruppo Pizzo di Madéi 
Zeitbedarf: 3 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Spruga, oberstes Dorf im Onsernonetal, ist sowohl per PKW, als auch per Bus von Locarno her erreichbar. Begrenzte Parkmöglichkeiten im Dorf und am Dorfeingang
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Busverbindungen von Vergeletto über Rosso (umsteigen) nach Spruga.
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Alpe Arena (Selbstversorger) Rifugio Alpe Ribia (Selbstversorger)

                                     
06.06.2021
Spruga (1112 m) ist das oberste Bergnest des Onsernonetales. Dort endet die kurvenreiche Teerstraße, und nur wenig weiter beginnt bei den Bagni di Craveggia Italien.Nach einem kräftigen Kaffee in der kleinen Ostería geht´s los. 13.30 h, sonnig, mit Wolkenbildung. Der aussichtsreiche Anstieg führt zunächst durch eine fast schon parkähliche Landschaft. Lichter Wald auf einem Grasteppich. Am Passo del Busan (2005 m) haben wir die Baumgrenze bereits zurückgelassen. Ein schwach markierter Steig geleitet uns vom Pass aus auf die Cima Pian del Bozzo (2192 m, auf den Schweizer Schildern Pilone). Stefan nimmt zuvor noch den weglos, aber unproblematisch zu ersteigenden Motto del Ciapitt (2152 m) mit. Die Cima del Bozzo, oder Pilone bildet den östlichsten Pfeiler eines Grenzkammes zu Italien.

Für den Abstieg lassen wir uns zu einem kleinen Abenteuer hinreissen. Anstatt über die gekommene Route in den Passo del Busan zurückzukehren, folgen wir ein Stück weit dem Grenzkamm, indem wir die folgende Kuppe übersteigen. In der Scharte dahinter wollen wir weglos absteigen, was von oben besehen eigentlich gut funktonieren sollte. Ein T 5er wird´s dann aber doch, wegen des noch vorhandenen Schnees. Die aufgeweichte Schneedecke macht aus dem Abstieg einen potentiellen „Knochenbrecher“  – immer wieder sinken wir in tiefe Löcher ein, unsere Knochen kommen aber glücklicherweise heil davon. Konzentration und ein gewisses Maß an Orientierungssinn, bzw. Gefühl fürs Gelände sind zudem gefragt. Auf ca. 1780 m stoßen wir, wie erwartet, auf den markierten Wanderweg Richtung Alpe Arena. Von nun an geht es, wunderschön den Bergkessel auslaufend, recht unbeschwert zur Hütte.

Kurz nach 19 Uhr treffen wir auf der idyllischen Alpe Arena ein. Mit 1687 m zwar nicht sonderlich hoch gelegen, vermittelt der Ort zumindest jetzt, unter den gegebenen Umständen, ein erhebendes Gefühl von tiefer Abgeschiedenheit. Die Hütte ist allerdings noch warm von unseren Vorgängern, die gemäß Hüttenbuch die Nacht von gestern auf heute hier verbracht hatten. Ein Waldreservat mit jahreszeitlich bedingt sattgrünen Lärchenbeständen beginnt direkt unter der Hütte. Was da im Herbst wohl für eine Farbenexplosion stattfindet? Die uns überragenden Grate und Gipfel tragen noch jede Menge Schnee. Die Situation diesbezüglich ist eben in diesem Jahr doch eine besondere. Wir sind allein auf der als Selbstversorgerhütte eingerichteten Alpe, ohnehin haben wir seit dem Passo del Busan keine Menschenseele mehr getroffen.

07.06.2021
Nach einem opulenten Frühstück machen wir uns auf den Weg. Wir haben uns für die längere Variante über die Alpe Porcaresc (1790 m) entschieden, anstatt direkt ins Valle di Vergeletto hinunterzusteigen. Bedeckt, mit Sonne, so zeigt sich anfänglich das Wetter. Herrlich die Kontraste von sattem Grün der Bergwiesen und Wälder zu Weiß und felsigem Grau der Bergspitzen. Wir überqueren rauschende Bäche, passieren gischtende Kaskaden. Die Alpe Porcaresc wird gerade renoviert, der Heli transportiert im Tiefflug Baumaterial nach oben. 300 hm geht es hinab, dort stoßen wir auf die nagelneu installierte Talstation einer Materialseilbahn für die Alpe.

Mit Erreichen des Fahrweges durchs Vergelettotal beginnt die Witterung regnerisch zu werden. Auf etwa 1100 m treffen wir unterhalb von In dal Er auf das hinterletzte Gasthaus im Tal. Dort beginnt die Teerstraße, welcher wir weiter talauswärts folgen. Auf etwa 1040 m ist der Punkt des Wiederanstieges erreicht. Vorbei an den hübschen Hütten von Pièi (1076 m), wo ich meine bescheidenen Italienischkentnisse zu einer kurzen Konversation mit einer Bewohnerin zusammenkrame. Vesper unter  einer regenschützenden "Boofe". Im sich fortsetzenden Aufstieg über die Alpe del Pianaccio bleibt es weiterhin mehr oder weniger nass. Um 15.45 h ist endlich die kleine, gemütliche Capanna Ribia (1996 m) erreicht. Beim Eintreten sind wir gleich gewarnt, eine Maus huscht blitzschnell hinter den Ofen. Also, wie gehabt, Lebensmittel über Nacht aufhängen. Einen entsprechenden, extra für diesen Zweck installierten Haken gab es übrigens auch schon auf der Alpe Arena.

Zwischen 18 und 19.15 treibt es mich nochmal auf Exkursion. Es ist gerade niederschlagsfrei, die Stimmung fantastisch, hingezaubert durch sich lichtende und wild umherziehende Wolken. Bis 2225 m steige ich entlang des blau markierten Pfades Richtung NW auf, teils über ausgedehnte Schneefelder. Der Ausflug dient gleichzeitig dem Recherchieren eine Gipfeloption für morgen, doch die Gipfel des Rosso di Ribia, über den übrigens auch die blaue Route hinübersteigt, scheinen allesamt recht unnahbar, besonders unter den jetzigen Bedingungen, zumal wir keine Alpinausrüstung bei uns haben.

Nachts ergehen mehrere Regenschauer. Um 4.30 h trete ich für ein paar Minuten vor die Hütte, genieße die Aussicht zu den Lichtern um den Lago Maggiore herum. Auch die Antenne des Monte Tamaro leuchtet in der zarten Dämmerung.
 
08.06.2021
Wie jeden Morgen, seit wir hier im Tessin sind, grüßt der Kuckuck. Es ist bedeckt, aber gerade mal trocken. Um 8.15 gehen wir los. Die hier oben oft noch großflächig geschlossene Schneedecke gibt uns einige Orientierungsaufgaben. Der Pizzo Molinera (2292 m) sticht mir ins Auge, ich möchte dort hinauf. Stefan macht derweil eine Rast an der Alpe di Categn (1877 m), in Gesellschaft der dort herumlungernden Kühe. Die Besteigung des Molinera ist weglos, aber unschwierig. Auch gibt es unterwegs keine problematischen Schneefelder. Die Aussicht ist dann so-là-là, aufgrund umherziehenden Gewölks, aber dennoch recht interessant. Tief unter mir, jendseits unseres Bergkammes, erblicke ich den Lago d´Alzasca. Tiefe und enge Taleinschnitte imponieren, wie die des Valle di Vergeletto, oder des Val Fümegn.

Ich bin wieder zurück an der Alpe, und wir steigen ab durchs wilde und verlassene Valle Fümegn. Der untere canyonartige Talabschnitt heißt übrigens Valle della Camana. Durch dieses kommen wir hinaus ins Haupttal Val Vergeletto. Auf ruhiger Straße wandern wir in den Ort Vergeletto (905 m) hinein. Die Ortschaft besticht mehr durch ihre Schlichtheit, als durch Glanz und Schnickschnack. Zu bewundern sind  regionaltypische Holzbalkone. Den Bus haben wir gerade mal verpasst, der nächste kommt in 2 Stunden. Wir ziehen es vor, weiter die Straße entlangzuwandern, inzwischen im Regen,unter uns der tosende Ribo,  bis zur Ponte Oscuro (743 m), wo das Vergeletto- ins Onsernonetal einmündet. Wiederum kein Bus, doch ein Auto hält. De Jungs darinnen haben allerdings nur Platz für eine weitere Person, und während ich mit unseren Rucksäcken neben dem Denkmal der "Miseria" verharre,  fährt Stefan bis nach Spruga mit, um dort das Auto zu holen.
 
Fazit: großartige 3-Tages-Wanderung, die uns die Gegend des Onsernone- und des Vergelettotales nähergebracht hat. Der schneereichen Situation in diesem Jahr ist es sicher mit zu verdanken, dass die Tour so einsam war, und wir auch allein in den beiden Hütten waren. Der gewisse Schuß Abenteuer und Anspruch dieser sonst wohl unproblematischen Tour war den oft noch ausgedehnter Schneefeldern und der labilen Wettersituation zu verdanken.

Tourengänger: Günter Joos (gringo)


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